Wenn man schon mal in Konstanz ist, dann kann man auch schnell noch einen Abstecher nach Freiburg machen. Dachte sich Steffi Böttger, und besuchte auch noch die Stadt im Breisgau, die für Leipzigs Messegeschichte so wichtig ist. Denn hier ließ sich Leipzig 1497 von König Maximilian I. auf dem Reichstag seine Messeprivilegien bestätigen, die der Stadt erst die rechtlichen Grundlagen gaben, Städte wie Halle, Erfurt, Merseburg oder Magdeburg als mitteldeutsche Messekonkurrenz auszuschalten.

Tatsächlich war es nur ein Randthema. Der König wollte richtig ranklotzen, wie das so ist bei jungen Königen – er berief  den Reichstag kurzfristig ein und überrumpelte die Freiburger, die eigentlich für den Anlass das Zunfthaus der Krämer aufmotzen wollten. Aber die Zeit reichte nicht – das Zunfthaus (das heutige Kornhaus) wurde nicht fertig, der König musste seine Audienzen in der Gerichtslaube abhalten. Und dabei wollte der doch gleich noch eine große Reichsreform hinlegen – was Maximilian aber in den elf Monaten in Freiburg auch nicht gelang. Da geht es den Königen wie den heutigen Politikern: Wenn sich die Provinzfürsten nicht bewegen wollen, scheitert jede Reform. Am Ende wurde der Reichstag für den jungen König richtig teuer, er musste Schulden machen und ließ – als Pfand – seine Gattin Bianca da. Drei Jahre blieb sie in Freiburg.

Von einem Denkmal für die treue Bianca aber erzählt Steffi Böttger nichts. Vielleicht hat sie es übersehen vor lauter Staunen, was für berühmte Mannsbilder alle mal in Freiburg weilten – Berthold Schwarz zum Beispiel (der das Schwarzpulver erfunden haben soll, von dem die Historiker aber vermuten, dass es diesen Franziskanerbruder gar nicht gab), Erasmus von Rotterdam (der im Haus “Zum Walfisch” wohnte), Alfred Döblin (der in Freiburg Medizin studierte), Friedrich August von Hayek (der Urvater des Neoliberalismus) oder Martin Waldseemüller (das ist der Bursche, der Amerika auf die Weltkarte brachte). Nicht zu vergessen die beiden Philosophen Husserl und Heidegger. Eine Stadt voller Männer, könnte man meinen. Auch der grüne Oberbürgermeister ist ein Mann. Gesprochen wird Niederalemannisch, zu erkennen an den vielen Vergleinerungsformen – (sorry, das war jetzt Sächsisch) – Verkleinerungsformen: Bächle, Schlössle, Brüderle. Nicht zu vergessen: Häusle bauen.

Und bauen mussten die Freiburger eine Menge, denn in der Operation Swordfish am 27. November 1944 wurde das alte Freiburg in Schutt und Asche gelegt. Einige alte Prachtstücke wie das Historische Kaufhaus (Nr. 11 des Rundgangs durch die Stadt) und das Münster Unserer Lieben Frauen (Nr. 10) haben die Operation relativ heil überstanden. Anderes, was heute so unheimlich mittelalterlich aussieht, ist tatsächlich emsiger Neubau. Wie die berühmte Gerichtslaube oder das Alte Rathaus. Das hat sogar seinen ochsenblutroten Verputz wiederbekommen. Wenn mal jemand in Freiburg landen sollte, ohne zu wissen, wo er gelandet ist, erkennt er die Stadt an den vielen blutroten Gebäuden. Eins davon ist auch der “Walfisch”, der von hinten noch viel schöner aussieht als von vorn.

Aber es ist wie in Konstanz: Die Stadtführerin ist unwiderstehlich vom höchsten Gebäude der Stadt angezogen, vom Münster mit seinem 116 Meter hohen Turm, von der Mondsichelmadonna, dem Hochaltar von Hans Baldung Grien, von vier Orgeln (die auch alle zusammen gespielt werden können) und von der Aussicht vom Turm. Der besten über ganz Freiburg, sagt sie. Obwohl weiter hinten in ihrem flotten An-einem-Tag-durch-Freiburg-Spaziergang noch der Schlossbergturm kommt (Nr. 21) auf dem alten Schlossberg der Zähringer (war mal ein berühmtes Herzogsgeschlecht), von dem aus man einen “herrlichen Panoramablick” hat – mit Münster. Danach geht’s erst so richtig wieder runter in den romantischen und gemütlichen Teil Freiburgs – mit der Insel, der Hausbrauerei Feierling, der Fischerau und den netten Terrassen über dem Gewerbekanal, Augustinermuseum und Alter Universität. Daran, dass Freiburg Universitätsstadt ist, wird der Wanderer immer wieder erinnert. Spätestens am Martinstor wieder, wo sich noch ein Stück der alten Gründerzeitbebauung erhalten hat. Leipziger wissen ja, wozu die gut ist: Da lässt sich prima Gastronomie unterbringen, Cafés und Bistros zum Beispiel für die Studenten.

Womit dann auch ein bisschen erklärt ist, warum Freiburg bei aller renovierten Gemütlichkeit trotzdem recht quirlig und lebendig wirkt. Deswegen muss man ja meistens mit hinschreiben, dass Freiburg im Breisgau liegt. Glaubt ja sonst keiner. Ein bisschen ist Freiburg auch wie Halle an der Saale – so, wie sich Halle gern mal träumt, wenn’s wieder ein bisschen reicher ist: Selbst die Straßenbahn fährt noch durch die enge Innenstadt. Zwei alte Stadttore haben sich erhalten. Ein Archäologisches Museum gibt es. Untergebracht im Schlössle der Maria Gertrudis de Colombi y de Bode. Aber hier sieht man auch, dass die Verkleinerungsform im Alemannischen ihren Grund hat. Es ist eben ein Schlössle. Wäre das Münster ähnlich bescheiden ausgefallen, wäre es ein Münsterle geworden.

So ist es auf fast jedem Foto zu sehen, mit gerüstumwickeltem Turm. Denn Münster und Dome haben es so an sich, dass sie erst ein paar Jahrhunderte lang nicht fertig werden. Und wenn sie dann fertig sind, muss vorne wieder angefangen werden mit Reparieren oder Ummodeln. Das freut die Architekturfreunde, die dann mit zufriedenem Nicken feststellen können, wieviele Architekturstile in so einem mächtigen Bauwerk Platz finden können. Wenn man sich nur genügend Zeit nimmt. Und ab und zu mal rübergeht in die Schoferstraße, die Konviktstraße oder die Münzgasse, um ein Bierchen zu trinken oder zwei.

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