Noch nie gehört? Kann vorkommen. Es gibt kaum einen Sender in Deutschland, der keine eigene Kochshow mit eigenem Starkoch unterhält. Selbst der kleine sächsische Radiosender Hitradio RTL Sachsen (113.000 Hörer) hat eine Kochshow im Programm: sonntags von 10 bis 12 ist Mitkoch-Show mit "Gourmetkoch Gerd Kastenmeier". Auch noch nicht gehört? Kann vorkommen. Beide sind in Dresden zu Hause, der Sender und sein Starkoch.

Was man nicht unbedingt gleich merkt, denn typisch sächsisch ist das, was Gerd Kastenmeier an Köstlichkeiten in diesem Buch bietet, nicht. Denn seine Karriere begann der Dresdner nun einmal in bayerischen Spitzenrestaurants. Zwischendurch gab’s auch mal einen Abstecher nach Hamburg und einen nach Berlin, 1995 verschlug es ihn nach Dresden, wo er bis 2002 die “Fischgalerie” betrieb, die dann 2002 in die Strudel des Jahrhunderthochwassers geriet. Heute ist das “Kastenmeiers” im Kurländer Palais eine der Spitzen-Adressen in Dresden.

Zwar schwärmt der Radiosender gern vom Gourmetkoch. Aber solche Titel sind Schall und Rauch, erst recht, wenn Sender wie Starkoch Wert darauf legen, vor allem Leckereien darzubieten, die für jedermann leicht zubereitet werden können. Das hat mit der eigentlichen Begrifflichkeit von Gourmet nicht viel zu tun. Es geht nicht um Raffinesse in diesen Rezepten, sondern um den lustvollen Umgang mit den Gaben der Jahreszeiten, die schnelle Zubereitung, vielleicht das gewisse Etwas, und dann den Genuss. Zu viert in der Regel. Dass Magazine wie “Der Feinschmecker” seine Küche loben und auch der Leipziger Opernball sein Catering bestellt, gehört dann einfach dazu. Aber die Rezepte, die hier – nach Jahreszeiten – gesammelt sind, sind eben eher keine Feinschmecker-Küche für besonders raffinierte Genießer, sondern handfeste Dinge, wie sie auch den irdischen Sonntagstisch mal aufmischen können.
Mit nicht geringem bayerischen Einschlag, der sich vor allem durch viele, viele Fleischrezepte bemerkbar macht. Was mit dem Osterschinken im Brotteig beginnt und mit Wurstspießen mit Speck, mit Käse überbackenen Nürnbergern, Grillhähnchen auf der Dose, Rib-Eye-Steak und Schweinenackensteak munter weitergeht. Ausgerechnet der Sommer, wo man sich bei Hitzegraden nach leichter Kost sehnt, ist in Kastenmeiers Jahresreise üppig mit Fleisch bestückt. Da freut sich das Herz, wenn der erfahrene Koch zwischendurch wirklich die internationale Küche hereinholt und in deftiger Frische zeigt, wie etwa ein Dänisches Smörrebröd, Sushi oder eine eigene Pizza hergestellt werden können. Alles eigentlich ganz einfach, wenn man weiß, wie es geht. Und wenn man weiß, wo man sich die Zutaten besorgen kann. Kastenmeiers hat da seinen Spezialitäten-Markt, den er auch eifrig empfiehlt. Vergleichbares findet man auch in Leipzig.

Die meisten Zutaten aber gibt es sowieso auf dem Frischemarkt – denn wenn schon appetitlich gekocht und gebraten wird, dann mit dem Gemüse der Jahreszeit. Und der Fleischer der eigenen Wahl ist wichtig, wenn es um die viele Fleischteile geht. Es gibt auch Rezepte ohne Fleisch – viele Fischrezepte zum Beispiel, immerhin die eigentliche Profession von Gerd Kastenmeier in seinem Restaurant. Und internationale Küche heißt bei ihm wirklich: alle Himmelsrichtungen: aus Brasilien bringt er die Empanadas ins Spiel, aus Italien vegetarische Antipasti, aus Schwaben ein Wildschweinragout mit Spätzle (die Spätzle werden natürlich selber gemacht, da schmecken sie besser), aus Frankreich die Crème Brulée, aus Schweden die Kötbullar und aus Ungarn den Langos und das Paprikahuhn.

Mit einem QR-Code kann man sich auch Rezept und Einkaufsliste von der Website des Radiosenders holen, was den Verlag dazu animiert, das Buch schon mal als das “erste sprechende Kochbuch” zu bewerben.

Im Unterschied zu vielen anderen Kochbüchern listet Kastenmeier auch auf, welche Küchengeräte man braucht. Da und dort bietet sich dann noch eine Anschaffung an, wenn man etwa noch keinen passenden Topf fürs Langos hat, keine Kartoffelpresse oder einen Bunsenbrenner. Den braucht man in Spanien, wie es aussieht, zum Abbrennen der Crème Catalana, deren Zutaten eigentlich ganz einfach sind – nur fürs Finish braucht es dann augenscheinlich den erfahrenen Handwerker.

Zu jedem Rezept gibt es nicht nur Zutatenliste, Liste der Kochutensilien und Herstellungsanleitung samt Bildern, sondern auch ein Textchen mit “Amuse-Gueule” überschrieben, lauter Tipps und Hinweise zu einigen Besonderheiten der Rezepte. Manchmal lernt man auch einfach was – so zum Beispiel, dass die Crème Catalana die spanische Schwester der Créme Brulée ist oder dass Eclairs auch eine köstliche Liebeserklärung sind. In Sachsen auf jeden Fall. Süß darf es sein und ruhig (sofern es süß ist) auch mal so deftig wie in Bayern – wie beim Topfenschmarren. Naja – und von gefüllten Linzer Plätzchen und klassischen Florentinern darf’s ruhig ein bisschen mehr sein. Ist ja Weihnachten, immerhin ein Fest, für das nur noch die einschlägig verschlafenen Medien glauben, den Glaubensstreit zwischen Gänsebraten und Bockwurst mit Kartoffelsalat austragen zu müssen – wohl das beste Zeichen dafür, dass die dortigen Redakteure nur noch Kantinenessen kennen und zu Hause nicht mal wissen, wie man den Herd anmacht.

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Kastenmeiers Köstlichkeiten
Gerd Kastenmeier, Buchverlag für die Frau 2014, 19,90 Euro

Auch wenn die Vorschläge nicht alle unter “Winter” oder gar “Weihnachten” stehen, finden sich reihenweise hübsche Leckereien, die man über die Festtage ausprobieren kann, um nicht in die übliche Schwermut zu verfallen – etwa die klassische Lasagne oder die Geschmolzenen Maultaschen. Einmal umblättern, und man findet auch eine Variante der Weihnachtsgans mit Rotkohl.

Wenn’s denn sein muss.

Soll ja keiner denken, das christliche Abendland gehe unter.

So lange es noch Weihnachtsgänse gibt.

www.kastenmeiers.de

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