Fußballfans kennen Dirk Rasch als langjährigen Präsidenten des VfL Osnabrück. In seinem Essay "Rettet den Fußball!" analysiert und kritisiert der Experte die sportliche Zweiklassen-Gesellschaft, die sich aufgrund der ungleichen Verteilung von TV-Geldern seit Beginn der 2000er in Europa gebildet hat. Ein leidenschaftliches Plädoyer, dass es in der vorliegenden Form allerdings nicht bedurft hätte, um auf ein sattsam bekanntes Problem aufmerksam zu machen.
“Rettet den Fußball!” ist keine unterhaltsame, geschweige denn kurzweilige Fußball-Literatur. Dirk Rasch konfrontiert den Leser auf langatmigen und durchaus emotionalen 150 Seiten mit unzähligen Zahlen und Verweisen, die die These untermauern sollen, dass der Profifußball auf Jahre hinweg von wenigen Spitzenteams, in Deutschland allen voran Bayern München, dominiert werden wird. Der Autor spricht sich deshalb für eine gleichrangige Verteilung der üppigen TV-Gelder aus.
Vielleicht die zentrale These für die deutsche Liga, um welche ein ganzes Druckwerk gebaut wird. “Wenn die aktuellen Verteilungsschlüssel, national und auf europäischer Ebene, beibehalten werden, verfestigen sich die Machtstrukturen, und die Kluft zwischen arm und reich wird stetig größer.” so Rasch.
Er geht bei jetziger Praxis davon aus, dass in den nächsten zehn Jahren der Meister aus München kommt, und dass Dortmund, Leverkusen, Schalke, Wolfsburg, Mönchengladbach und in absehbarer Zeit auch RB Leipzig die Champions-League-Plätze unter sich ausspielen werden. Zumindest der BVB scheint in dieser Saison schon aus dem Rennen zu sein.
Der Autor scheut nicht den Blick über den Tellerrand. Ergebnis des Quervergleiches: Die Bundesliga ist die profitabelste Spitzenliga in Europa. Nur sie allein erwirtschaftet Gewinn, welcher in der Spielzeit 2012/13 rund 63 Millionen Euro betrug. Als Ursache benennt Rasch die vergleichsweise geringe Gehaltsquote von nur 51 Prozent. In der italienischen Serie A liegt derselbe Wert beispielsweise bei 75 Prozent, in Spanien bei 60 Prozent.
Die Spitzenclubs plagen nicht zuletzt wegen der astronomischen Gehälter und Transfersummen durchweg hohe Schulden. Rasch prophezeit den Super-GAU. “Ohne ein nachhaltiges Eingreifen der UEFA, das zur drastischen Reduktion der Gehälter führen muss, werden die Ligen kollabieren.” Womit eine weitere, grundlegende These auf dem Tisch liegt.
Rettet den Fußball!
Dirk Rasch, Verlag Die Werkstatt 2014, 16,90 Euro
Im zweiten Teil kommt Rasch auf sein 15-jähriges Engagement an der Spitze des VfL Osnabrück zu sprechen. Der Autor, von 1997 bis 2012 Präsident des Traditionsclubs, schildert in trockener Sachlichkeit seine subjektiven Erfahrungen im Bundesliga-Zirkus. Für VfL-Fans sicher ganz reizvoll, für Außenstehende etwas trocken. Das ganze Bücher füllende Thema “Rassismus und Gewalt” handelt Rasch auf enttäuschenderweise dann auf 16 Seiten ab. Immerhin lautet der Untertitel “Zwischen Tradition, Kommerz und Randale.”
Wer trotzdem bis hierhin beim Lesen durchgezogen hat, gibt sich auch noch Raschs Resümee: “So viel Tradition wie möglich – so viel Geschäft wie nötig.” Die Worte klingen nach einem salomonischen Urteil der Nachwendegesellschaft liberaler Denkhaltung zwischen Staat und Wirtschaft und bringen das Dilemma, in dem sich tausende Fußball-Traditionalisten befinden, auf den Punkt.
Es bedarf keiner 250 Buchseiten, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass der heutige Profifußball ein Milliardengeschäft ist, in dem Profitmaximierung vor Traditionspflege steht. Der Rest sind Fragen, die sich eine ganze Gesellschaft stellen muss.
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