Man lernt doch nie aus. Mann sowieso nicht. Erst recht, wenn es um gutes Essen und eine gute Küche geht. Kauft Mann sich deshalb diese Büchlein? Oder schenkt es heimlich zum Nikolaustag seiner Liebsten und liest es dann mit ihr zusammen durch? Natürlich ist es kein Komplettlexikon der Gewürze. Da müsste das Büchlein zwei Kilo schwerer und 600 Seiten dicker sein. Aber darum geht es ja nicht. Jeder fängt mal klein an.

In diesem Fall hat Axel Meier einen Experten gefunden, der in knapper Form den Einstieg gibt in seine Welt. Er ist selbst Gewürzhändler, kennt also die Vielzahl der verfügbaren Gewürze aus aller Welt, weiß, wo sie herkommen, wie sie gelagert werden müssen und in welcher Konkurrenz sie stehen. Denn Gewürz ist nicht gleich Gewürz, wenn es im Laden steht. Manchmal sollte man das Tütchen oder Döschen einfach herumdrehen und das Kleingedruckte lesen – und wird möglicherweise staunen, mit welchen Tricks die Industrie arbeitet, um Gewürze quasi jederzeit für jedermann in normierten Packungen und Dosierungen verfügbar zu machen. Da wird gemischt, werden Farbstoffe, Konservierungsstoffe und Geschmacksverstärker beigegeben – das volle Programm, das man auch von anderen Fertigprodukten aus dem Supermarkt kennt. Und weil Gewürze die bezaubernde Eigenschaft haben, ihren Geschmack zu verlieren – erst recht, wenn sie falsch gelagert sind – ist oft genug Glutamat dran, die Allzweckwaffe einer Industrie, die die Konsumenten zum starken (aber auch normierten) Geschmackserlebnis erzogen hat.Tatsächlich sind die angebotenen Gewürze im Supermarkt schon beim Kauf nicht das wert, was die Packung verspricht. Durchsichtige Plastebeutelchen sind geradezu Gift fürs Aroma, die verwendete Plastikummantelung meist auch, erst recht, wenn die Packungen dann auch noch dauerhaft Licht und Wärme ausgesetzt sind. Was übrigens auch für die heimische Lagerung gilt. Denn die Gewürze aus aller Welt sind nun einmal – wenn sie nicht aufgepeppt sind – reine Naturstoffe. Sie unterliegen den selben Veränderungsprozessen wie jedes andere Nahrungsmittel. Ätherische Öle verdampfen, Aromen verfliegen, das eigentliche Geschmackserlebnis löst sich in Luft auf. Deswegen gehören Gewürze auch ganz bestimmt nicht über den Herd, wo sie der Hitze und dem Dampf permanent ausgesetzt sind.

Mehr zum Thema:

Lauter scharfe Sachen: Wie man mit Chili, Pfeffer und ihren Verwandten Leben in die Küche bringt
Bei Ute Scheffler muss man aufpassen …

Noch ein Buch zum Wiederentdecken ewig junger Gartenfreuden: Alte Gemüsesorten
Im vergangenen Jahr legte Regina Röhner …

Eine kleine Welt zum Wieder-Entdecken: Küchenkräutergarten
Natürlich wird das wieder kommen …

Tatsächlich sollte man sie besser in gut verschlossenen (und lichtundurchlässigen) Gefäßen unterhalb der Herdhöhe aufbewahren, dafür lieber in kleinen, maximal 100-Gramm-Portionen kaufen. Erst recht, wenn man beim Essen dann wirklich den echten Kick haben möchte, die volle Breite des Aromas von Cayennepfeffer, Pfeffer, Galgant, Kardomom, um nur ein paar der heute in einem ordentlichen Fachgeschäft erwerbbaren Gewürze zu nennen, die Meier in diesem Büchlein kurz porträtiert – von der Herkunft über den Geschmack (wie er eigentlich sein sollte), die Verwendung in der Küche bis hin zu den gesundheitlichen Aspekten. Denn Vieles von dem, was den unverwechselbaren Geschmack der Gewürze ausmacht, regt auch Verdauung, Durchblutung und Stoffwechsel an.

Das Zeug ist also eigentlich gesund. Wenn man es frisch und richtig anwendet. Was auch den schonenden Umgang beim Kochen und Braten selbst betrifft. Denn ihre Wirkung entfalten die meisten Gewürze nur, wenn sie nicht kaputtgeschmort, sondern erst zum richtigen Zeitpunkt in den Topf gegeben wurden. Man muss sie genauso sorgsam behandeln wie gute Tees, betont Meier. Und wer es bisher anders machte, der könnte sein kleines Wunder erleben, weil sich die Würze völlig anders und sehr komplex entfaltet – was dann möglicherweise auch Manchen, der seine Kochkünste bisher vor allem mit großen Mengen an Salz (was nicht sehr gesund ist) rettete, überraschen wird. Denn wer Knoblauch, Kurkuma, Lorbeer und Muskatnuss richtig anwendet, der kann sich eine Menge Salz sparen, weil das Essen durch die pfleglich behandelten Gewürze tatsächlich schon Geschmack hat.Was der Hobbykoch (oder die Profiköchin) noch dadurch steigern kann, dass man eben keine fertig gemahlenen Gewürze nimmt, sondern solche Dinge wie Pfeffer oder Muskat kurz vorm Verwenden selber reibt oder mahlt. Denn – siehe oben – oft sind ätherische Öle die Träger der Aromen und erst bei der Begegnung der (frischen) Gewürze mit dem Speichel im Mund kommt es zur vollen Entfaltung des Geschmacks, manchmal auch der Schärfe, die eben nicht gleich Schärfe ist (auf die Dosierung muss man dann auch ein bisschen achten).

Meier hat natürlich nicht nur die farbenfreudigen Exoten aus fernen Landen mit aufgenommen in sein Büchlein, sondern auch die heimischen Kandidaten, die in den letzten Jahren wieder eine Menge mehr Aufmerksamkeit bekommen haben – wie Liebstöckel, Rosmarin, Thymian und Wacholder. Obwohl die Auswahl klein scheint, würde sie das Repertoire in vielen Küchen wohl deutlich erweitern – und wohl auch die Lust am Ausprobieren. Es gibt wirklich keinen Grund, die wirklich wichtigen Wissenschaften im Leben zu vernachlässigen, weil einem andere Leute einreden, dass das Fernsehen, PC-Spiele oder andere Zeitfresser irgendwie notwendig seien, man würde ja vielleicht was verpassen im Leben.

Wer die Wissenschaft der klugen Nahrungszubereitung vernachlässigt, der verpasst wirklich was – neben der Freude am Gelungenen und den überraschenden Geschmacksabenteuern natürlich auch das Wissen um Vielfalt, Wert und Wirkung der lebendigen Natur.

Bestellen Sie dieses Buch versandkostenfrei im Online-Shop – gern auch als Geschenk verpackt.

Gewürze
Axel Meier, Buchverlag für die Frau 2014, 5,00 Euro

Axel Meier hat zwar auch etliche Fleischprodukte ausgewählt, um im zweiten Teil des Büchleins die richtige Anwendung der Gewürze auch anhand von Rezepten zu zeigen. Aber die Portionen hat er dafür fast künstlerisch überschaubar gehalten. Es sind eher herrliche Appetithäppchen, die zum Nachahmen einladen: Mango-Putenröllchen, Kalbschnitzelchen im Haselnussmantel oder Entrecote mit Wildkräuter-Pfannengemüse.

Das Wichtigste ist wohl, dass Mann wieder ein bisschen was dazu gelernt hat. Das hilft bei der Planung des nächsten Gerichts und beim sorgsamen Umgang mit Gewürzen. Vielleicht wird man gar nicht alle dauerhaft in seiner Küche haben, dafür einige als neue Lieblinge für sich gewinnen. Und vor allem auch wieder ein Stück weit entdecken, wie reich die Welt der Geschmackserlebnisse sein kann – jenseits von Salz, Zucker und Glutamat.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar