Es gibt Bücher für naseweise Kinder. Da stehen dann oft Sachen drin wie: Welches Tier ist das größte? Welches rennt am schnellsten? Welches fliegt am weitesten? Meistens sind das so eine Art Rekordbücher für kleine Besserwisser. Und dann gibt es - selten genug - auch mal so ein Buch. Eins, das zeigt, was die anderen alle machen, die meist mit allen Kräften ums blanke Überleben kämpfen.

Ein paar Rekorde kommen auch drin vor. Da kann der Autor Clive Gifford sein Metier nicht verleugnen. Denn eigentlich ist er Journalist, einer, der auch noch Freude daran hat, sich auf verschiedensten Wissensgebieten herumzutreiben – vom Sport über die Technik bis zur Wissenschaft. Der dann auch noch gern Bücher schreibt – 170 Stück, erklärt er auf seiner Homepage. Was wohl stimmen mag. Man muss sich nur ranhalten und einen Verlag haben, der mitzieht. Oder mehrere. Und er schreibe für Erwachsene genauso gern wie für kleine Kinder und Heranwachsende (“young children and teens”), erklärt er.

Dieses Buch hier hat er 2014 bei Egmont UK Ltd. veröffentlicht unter dem knalligen Titel “Dead or Alive”. Der Klett Kinderbuchverlag empfiehlt es für kleine Wissbegierige ab 8 Jahre. Denn es ist eine Art Türöffner. Nicht unbedingt in die Welt der Tiere und der Biologie an sich. Sondern in jene Bereiche, in denen eines der Darwinschen Gesetze sichtbar wird: das der Anpassung der Tiere an extremste Lebens- und Klimabedingungen.

Dabei legt Gifford kein systematisches Buch vor. Das kann man dann später noch nachholen, wenn man es noch genauer wissen will. Zum Beispiel weil man Biodiversitätsforscher in Leipzig werden will. Hier geht es einmal um das grundsätzliche Staunen, ohne das wissenschaftliches Denken nicht in Gang kommt. Wer nicht staunt, stellt auch keine Fragen. Wer keine Fragen stellt, erkennt auch keine Zusammenhänge. Manches, was Gifford hier gesammelt hat, hat schon vielen Wissenschaftlern Kopfzerbrechen bereitet. Denn spannend ist oft: Wie funktioniert das eigentlich?
Das beginnt im “Gammel-Gasthaus”, wo in Wirklichkeit nichts gammelt, wo aber einige Tiere zeigen, wie clever es ist, sich in Gefahrensituationen richtig tot zu stellen. So clever, dass verfressene Räuber lieber einen großen Bogen um die vermeintlich tote Antilope oder das verendete Opossum machen. Es gibt aber auch Tiere, die stellen sich tot, um satt zu werden. Tricksen und täuschen ist in der Natur fast so etwas wie ein Normalzustand. Und das, obwohl wir den Tieren in der Regel kein Bewusstsein zuschreiben, wie wir Menschen es haben. Sie tricksen nicht mit Überlegung. Aber augenscheinlich gibt es haufenweise Anpassungsstrategien, mit denen Tiere lernen, ihre Überlebenschancen zu steigern. Denn darum geht es ja letztendlich – Überleben im doppelten Sinn: als Individuum und als Art.

Und manche Lebewesen sind schon regelrecht berühmt, weil ihr Lebenszyklus so seltsam ist, dass alle davon reden. Man denke nur an die Eintagsfliegen, die zwar monatelang als Nymphen im Wasser leben können. Aber wenn sie sich einmal berappeln und losfliegen, dann haben sie nur einen einzigen Tag Zeit, um die Fortpflanzung zu sichern. Andere Tiere haben mehr Zeit, sich um den Nachwuchs zu kümmern. Zumindest, wenn sie über die ersten gefährlichen Stunden hinweg sind. Einige Schildkröten können über 200 Jahre alt werden, selbst der Grönlandwal könnte es schaffen, wenn nicht wieder mal Walfänger aus Japan unterwegs sind. Und von einer Schwammart vermuten die Wissenschaftler, dass sie es auf 10.000 Jahre bringt.

Aber Gifford wäre nicht Journalist, wenn er nicht auch ein paar sensationelle Zeitungsmeldungen mit drin hätte im Buch – über Tauben und Hunde im Kriegseinsatz zum Beispiel oder ein paar Geschichten von Haustieren, die schiffbrüchig wurden oder aus Hochhausfenstern stürzten. Und überlebten.

Und wenn es schon ums Überleben geht, dann darf auch ein Kapitel über ausgestorbene Spezies nicht fehlen, von denen einige – da staunt die Welt – doch wieder gesichtet wurden. Zumeist irgendwo in einer verlassenen Ecke, wo sie für den Menschen eine Weile aus dem Sichtfeld waren. Manche Tiere tauchen ganz systematisch ab – jedes Jahr verkrümeln sie sich in einen ausgiebigen Winterschlaf und sparen Energie. Außer das Murmeltier Phil, das mitten im Winter vor die Kameras gezerrt wird, um das Winterende vorauszusagen.

Aber es gibt auch Tierarten, die können bei echten klimatischen Härtefällen abtauchen – etwa bei einer langen, heißen Trockenzeit oder bei echtem, langem Frost. Manche können sich regelrecht einfrieren lassen. Andere trocknen fast völlig aus und erwachen wieder, wenn es feuchter wird. Und manche halten sogar einen kurzen Aufenthalt im Weltraum aus – wie das Bärtierchen. Ein Experiment in der Weltraumstation hat es bewiesen. Womit man bei dem großen Kapitel wäre, bei dem es um Experimente der Menschen mit tierischem Erbgut geht – um das Klonen von Tieren oder gar den Versuch, ausgestorbene Tierarten wieder zum Leben zu erwecken. Wer da an Saurier denkt, denkt freilich falsch. Die notwendige DNA ist Millionen Jahre nach dem Aussterben der Riesenechsen längst verschwunden. Und ob das vor rund 10.000 Jahren ausgestorbene Mammut eine Chance hat, ist mehr als fraglich.

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Rette sich, wer kann
Clive Gifford, Klett Kinderbuch 2014, 14,95 Euro

Danach geht’s dann wieder zurück zu den echten Talenten der Tiere – manche sind recht einfallsreich beim Fangen anderer Geschöpfe, andere nutzen sogar Licht, um die Mitwelt auszutricksen. Und das Kapitel “Zombies” sollten vielleicht auch die kleinen Schlaumeier lieber nicht vorm Schlafengehen lesen.

Sämtliche Texte sind sehr kurz und erzählfreudig. Sarah Horne hat die wilden Abenteuer der Tiere genauso abenteuerlich wild illustriert. Fachliche Beratung hat sich Gifford auch geholt bei David Burnie. Am Ende des Buches gibt es dann noch 14 “mörderische Fragen”, mit denen die kleinen Schlaumeier überprüfen können, ob sie sich alles gemerkt haben. Und weil es im Grunde schon um Wissensstoff geht, der oft nicht mal im Biologieunterricht der späteren Klassen dran kommt, gibt’s auch noch ein kleines Glossar zu so hübschen Begriffen wie Ästivation, Bioluminiszenz oder Nymphen. Und Charles Darwin kommt natürlich auch drin vor.

www.clivegifford.co.uk
https://klett-kinderbuch.de

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