Er hat Bücher geschrieben über den Mossad, über Shimon Perez, David-Ben Gurion, das Olympia-Attentat von München. Unübersehbar ist das Arbeitsfeld des 1938 in Bulgarien geborenen israelischen Historikers und Journalisten Michael Bar-Zohar sein Heimatland, dessen Politik, aber auch dessen Geschichte, die eng verknüpft ist mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte. Die unwahrscheinlichste Geschichte erschien sogar schon 1985 auf Englisch.
Sidgwick & Jackson veröffentlichte damals das Buch „Hitler’s Jewish Spy“. Wobei der Titel damals schon ein wenig in die Irre führte. Denn hätte Hitler von der Existenz Paul Ernst Fackenheims erfahren, hätte dieser garantiert nicht erlebt, was er Bar-Zohar in diesem Buch erzählt.
Denn begreifbar wird das Schicksal Fackenheims nur, wenn man sich mit den Widersprüchen des NS-Reiches beschäftigt und auch mit der Rolle des militärischen Nachrichtenchefs Wilhelm Canaris, der Beziehungen zum Widerstand des 20. Juli hielt und der im April 1945 im KZ Flossenbürg hingerichtet wurde. Als Chef des militärischen Abwehrdienstes versuchte er, sich eine eigene, unabhängige Organisation aufzubauen. Auch im Fall Paul Ernst Fackenheim ging er eigene Wege.
Fackenheim war schon 1939 in die Vernichtungsmaschinerie der Nazis geraten und ins KZ Dachau deportiert worden. Im Grunde eine Reise ohne Wiederkehr, denn lebendig wollte die NS-Tötungsmaschinerie die arretierten Juden nicht wieder freigeben. Umso erstaunlicher liest sich dann, was Bar-Zohar recherchiert hat, nachdem er zum ersten Mal von einem jüdischen Spion im Auftrag des NS-Reiches gehört hatte.
Da er früh genug recherchierte, traf er auch noch Zeitzeugen an, die ihm über diesen wohl wirklich einmaligen Fall Auskunft geben konnten. Auch den eigentlichen Helden der Geschichte traf er in einem Dorf nahe Hamburg. Denn Fackenheim hatte die gefährliche Odyssee tatsächlich überlebt. Dass er als möglicher Kandidat für einen Einsatz als Spion für den militärischen Nachrichtendienst überhaupt infrage kam, hängt eng mit seiner streng konservativen und nationalistischen Überzeugung zusammen, die er trotz all der Schikanen im NS-Reich aufrechterhielt.
Dass er auf diese Weise direkt aus dem KZ in eine Ausbildung zum Spion und zum Einsatz in Palästina kam, gehört allein schon zu den ungewöhnlichen Geschichten dieser Zeit. Bar-Zohar ist es sogar gelungen, ehemalige Mitarbeiter des militärischen Nachrichtendienstes, die damals in Athen eingesetzt waren, zu sprechen. Von dort war Fackenheims Mission letztlich gestartet, auch wenn er beim Absprung nahe Haifa noch nicht wissen konnte, dass der konkurrierende Sicherheitsdienst der SS seine Ankunft schon längst den Briten verraten hatte.
Auch die entsprechenden britischen Quellen hat Bar-Zohar, soweit möglich, durchforstet. Der Verhaftung des vermeintlichen „Paul Koch“ folgten lange Verhöre, ein Prozess, der ihm wohl das Leben gekostet hätte, hätte nicht eine emigrierte einstige Hausnachbarin aus Frankfurt bezeugen können, dass Fackenheim tatsächlich er selbst war und nicht der gemutmaßte NS-General Erich Koch. Der Freispruch war natürlich nicht das Ende von Fackenheims Odyssee, die ihn im Internierungslager mit einigen legendären politischen Abenteurern der Zeit zusammenbrachte.
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Den größten Teil der Geschichte haben natürlich die Gesprächspartner Bar-Zohars beigetragen. Was wohl kaum anders möglich ist. Kein Geheimdienst protokolliert solche Vorgänge ausführlich.
Aber das macht die Geschichte natürlich noch plastischer, so wird gerade der Held der Geschichte greifbar in seinen Konflikten zwischen der Treue zu denen, die ihm aus dem KZ geholfen haben, und dem Wunsch, in Palästina doch lieber die Seite zu wechseln. Was ihn den britischen Vorhöroffizieren erst recht suspekt machte.
So gesehen auch mal ein Schicksal, das die Parteien in der NS-Zeit nicht einfach schematisch in Gut und Böse, Schwarz und Weiß teilt. Gerade die Erzählungen aus dem Internierungslager, in dem Fackenheim auch einigen Gestalten der damaligen und der sich ankündigenden Entwicklung in den Staaten des arabischen Halbmonds begegnet, zeigen einige Aspekte, die heute gern vergessen werden – wie sehr die europäischen Staaten damals die politischen Kräfte der Region für ihre eigenen Interessen einspannten.
Und die Deutschen mischten fleißig mit. Wenn dann die Namen einiger künftiger Berühmtheiten aus dem Iran, dem Irak oder Ägypten fallen, ist es schon ein kleiner Aha-Effekt.
Und es ist natürlich die Frage wert: Mischen die wesentlichen Regierungen und Geheimdienste heute nicht immer noch auf dieselbe Weise mit, sorgen für Spannungen, bestechen Politiker, kaufen Stammesfürsten?
Das wirkt bis heute fort, auch wenn die Personen aus dieser Geschichte mittlerweile alle Geschichte sind. Fast geht es auch Paul Ernst Fackenheim so. Bar-Zohar verrät zwar noch, dass Fackenheim unter Pseudonym Spionageromane schrieb. Aber wer das Pseudonym „Paul Ernst“ zur Suche nutzt, das Bar-Zohar angibt, läuft in die Irre. Das Pseudonym lautet tatsächlich Paul Ernest. Seine Bücher erschienen im Goldring-Verlag, aber auch an der „Jerry Cotton“-Reihe schrieb er mit.
Hitlers jüdischer Spion
Michael Bar-Zohar, Plöttner Verlag 2014, 18,90 Euro
Der Plöttner Verlag hat hier also mal ein Buch ausgegraben, das den Sprung aus dem Englischen ins Deutsche schon längst verdient hat. Und das sich selbst so spannend liest wie ein Spionageroman.
Denn spätestens ab der Hälfte fiebert man mit: Entkommt Paul Ernst Fackenheim dem Verhängnis? Immerhin ist er die ganze Zeit auf sich allein gestellt und völlig abhängig von den Entscheidungen der Mächtigen, die ihn wie eine Marionette führen.
Und erfrischend ist natürlich die israelisch-trockene Sicht auf Politik, Macht, Militär und Spionage, die einer wie Bar-Zohar mit der Kenntnis des Insiders betrachten kann, immerhin war er selbst auch aktiver Soldat und Knesset-Abgeordneter. Da sieht die Welt dann ein bisschen anders aus, nicht so bedeutungsüberladen wie zumeist aus deutscher Perspektive, wo man gern so tut, als hätte man mit all den Machtspielchen in Nahost und anderswo gar nichts zu tun.
Die englische Wikipedia zu Fackenheim: http://en.wikipedia.org/wiki/Paul_Ernst_Fackenheim
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