Da hat er jetzt aber zu tun, der Jürgen Buchmann, Philologe und freier Autor aus Werther in Westfalen, wenn er jetzt all die Spielarten europäischer Fantasy durchspielen möchte mit Adaptionen, Persiflagen, Imitationen und Irritationen. Man kann ja eine Menge Anstellen mit dieser Phantasiewelt, an der Autoren ganzer Jahrhunderte mitgearbeitet haben. Und die heuer wieder fröhliche Urstände feiert in den platzenden Fantasy-Regalen der Buchläden.

Wer war eigentlich Schuld? Joanne K. Rowling wahrscheinlich, als sie ihren Zaubererlehrling Harry aus der Taufe hob. Vielleicht auch Ursula K. LeGuin. Ist auch egal. Seit ein paar Jahrzehnten verdrängen die ganzen Mären über Drachen, Zauberer, Elfen, Orks, Zwerge und andere Wesen aus dem Anderreich die guten alten handfesten Science-Fiction-Romane aus dem Regal. Zwergenkriege, Elfenkriege, lauter verbummelte Ringe, Talismane und sonstige Kinkerlitzchen, die den Helden das Reich der Wunder verheißen – es findet unglaublicherweise seine Leser. Und verkauft sich wie Vanilleeis.

Wer ist schuld?
Neu ist an dem ganzen Zauber ja nichts. Schon vor Jahrzehnten erschienen neben den Tolkien-Büchern auch diverse Fantasy-Klassiker bei Klett-Cotta. Und schon die wirkten wie Nachauflagen von Büchern, die um 1900 erschienen. Als Nachauflagen der alten berühmten Romantik-Märchen, die selbst ja schon Nachbearbeitungen von Texten waren, die im 17. und 18. Jahrhundert den Buchmarkt schwemmten, als sich unterm Label der Aufklärung auch allerlei Pfarrer als Naturkundler und Erkunder der Sagenwelt betätigen und dabei wieder auf bombastische Werke zurückgriffen, die das seinerzeit lesekundige Publikum mit Feuerdrachen, Salamandern (wo ist eigentlich E. T. A. Hoffmann abgeblieben?), Homunkuli und Dämonen erfreuten. Die dabei selbst wieder bei anderen abgeschrieben haben – den alten Griechen, Römern und Arabern.

Ein bisschen von diesem alten Stoff hat es auch in Buchmanns Büchlein geschafft, mit dem er einen beliebten Topos der Aufklärungsliteratur aufgreift: In einem Archiv taucht ein altes Manuskript auf, in dem ein vor 300 Jahren verstorbener Pfarrer aus dem Extertal ein paar sonderbare Begebenheiten aufgeschrieben hat. Buchmann spielt natürlich mit dem Topos. Denn wer solche Art Romane sucht, findet sie zu Hunderten in den Bibliotheken. Da führt ein altes Manuskript in die Gedankenwelt eines augenscheinlich sehr eigenbrötlerischen Pfarrers, der gern durchs Grüne spaziert und dort hin und wieder einer jungen Zigeunerin begegnet, die im Wald Giftkräuter sammelt, um sie an die Apotheke zu verkaufen.

Hat die Außenseiterin nun den Pfarrer vergiftet? Hat er sich selber berauscht und dann im grünen Haag Dinge gesehen und gehört, die der ernsthafte Mensch nicht hört, wenn er mal wandert? Oder hat er wirklich – wie das ja noch in den ganzen esoterischen Schriften der New-Wave-Welle der 1960er Jahre zusammengereimt wurde – tatsächlich mit Drogen den Weg in eine andere Welt geöffnet – der der Elfen, mitsamt der Fähigkeit, deren Sprache zu verstehen und dann daraus gar ein kleines Lexikon zu machen? Oder hat der arme Pfarrer mit dem phantasievollen Gekritzel nur seine weiblose Einsamkeit kuriert. Kann man sein Tagebuch auch mit moderner Psychologie interpretieren?

Oder ist seine Erkundung der Elfensprache auch wieder nur das, was Buchmann schon mit den Sprachen der Afrikaner und Wenden ausprobiert hat? Eine humorvolle Abrechnung mit einem Berg von Krypto-Wissenschaft, mit dem sich nicht nur im 18. Jahrhundert die philologischen Bibliotheken füllten?

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Wahrhaftiger Bericht über die Sprache der Elfen des Exter-Thals
Jürgen Buchmann, Reinecke & Voß Verlag 2014, 10,00 Euro

Vieles ist möglich. Sogar eine Liebesgeschichte und ein Mordfall. Ganz ins Hoffmannesque hebt die Geschichte nicht ab. Dazu fehlt Buchmann die Lebenserfahrung eines Mannes, der im Staatsdienst Blut und Tränen schwitzte und seine Geschichten auch schrieb, um seinen einstigen Vorgesetzten und Blutegeln mal so richtig eins zu verpassen, indem er sie auch mal in Flöhe und andere Plagegeister verwandelte. Buchmann hat eher seine Freude, sich über die eigene Zunft – die der Philologen – lustig zu machen, die nicht erst im 21. Jahrhundert damit begannen, die Welt mit dicken, wissenschaftlich aufgebrezelten Büchern zu beglücken, die sich beim Lesen als gesammelte Geistlosigkeit und emsige Kolportage entpuppen. So mancher Herr Dr. und Prof. ist mit so einem aus Lumpen zusammengebastelten Werk zwar nicht berühmt geworden, aber gut bestallt. So mancher wirklich neugierige junge Mensch quält sich durch diese Schinken und lernt dabei, wie sehr er sich über sein Wahlfach getäuscht hat. Aber es geht ja nicht nur Philologen (manchmal) so.

Aber wenn schon nicht E. T. A. Hoffmann, so steckt doch ein kleines bisschen Kleist in diesem Buch, wenn Buchmann aus den Akten des Gogerichts Sternberg zitiert und dabei die Lebenswelt des weiland verschiedenen Pfarrers Martin Oestermann lebendig werden lässt. Also wieder so ein Buch für Bücherliebhaber, die das Spiel mit Topoi und Archetypen lieben, das Buchmann so gut beherrscht. Seine Büchlein sind zwar schmal und wer den Pfarrer nun umgebracht hat, erfährt man auch nicht, aber dafür sind sie wie ein buntes Sammelsurium von allen Aktenstücken, die ein emsiger Archivar zu Martin Oestermann gefunden hat. Nach 300 Jahren eher ein Fall zur Quellenforschung als für Sherlock Holmes. Und einer zum Nachdenken über das, was einige Leute im heiligen Gewandt der Wissenschaft in den letzten 1.000 Jahren so verzapft und getrieben haben.

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