Einige Leipziger Verlage haben ja nun schon mit opulenten Bildbänden und dicken Stadtführern bewiesen, dass Leipzigs Park- und Gartenlandschaften nicht alle in ein Buch passen. Immer muss man was weglassen, sonst platzt das Projekt. Aber was passiert erst, wenn man auch noch die faszinierendsten Parks aus der Umgebung mit aufnehmen will? - Da kann man nur eine Serie draus machen, fanden Pro Leipzig, der Grüne Ring Leipzig und das Netzwerk für Stadtnatur.

Der erste Band in der Serie, die bei Pro Leipzig startet, ist eine Art Einladung, den eigenen Fokus auf Stadt und Umland zu ändern, einmal weg von den großen Ausflugszielen, die in aller Munde sind – wie das entstehende Neuseenland – hin zu den grünen Inseln, die überall zu finden sind, wenn man nur die Augen aufhält. Und die natürlich auch alle eine Geschichte haben. Denn seit ungefähr 400 Jahren entfaltet sich der menschliche Wunsch nach gestaltetem Grün in seiner Umgebung. Zuerst gepflegt von Fürsten und Rittergutsbesitzern, die das dafür notwendige Land besaßen, später von reich gewordenen Bürgern nachgeahmt. Noch später – in Leipzig ab dem 18. Jahrhundert – gingen auch die Städte dazu über, Parks anzulegen. Das begann zumeist gleich auf der Fläche, wo man vorher die Stadtmauern und Wassergräben beseitigt hatte.

Das ist dann logischerweise gleich die Nummer 1 in diesem Band, der mit 30 kleinen Einzelvorstellungen einlädt, den Grünen Ring Leipzig auch als eine Landschaft der Parks zu entdecken. 20 Objekte sind dabei im Leipziger Stadtgebiet zu finden, die zehn anderen sind eine echte Einladung zur Entdeckung draußen in der gar nicht so langweiligen Leipziger Region. Dabei kann man völlig verschiedene Parkkonzepte entdecken, die teilweise die Zeiten überdauert haben, manchmal mit denkmalpflegerischer Akribie wieder so ähnlich wie früher hergestellt wurden, manchmal auch aus jüngster Zeit stammen und die Landschaftssprache sprechen, die heutige Landschaftsarchitekten so pflegen – man denke nur an den Eilenburger Bahnhof, der heute Lene-Voigt-Park heißt, oder die Trauerweiden und die beiden Bassins auf der Neuen Messe, die Mancher in ihrer Reduktion gar nicht als Park wahrnehmen.
Im Leipziger Promenadenring kann jeder Besucher die ambitionierte Rekonstruktionsarbeit des heutigen Amts für Stadtgrün und Gewässer sehen, das hier seit Jahren versucht, die historischen Parkgestaltungen wieder erfahrbar zu machen. Mit dem Alten Johannisfriedhof wird das älteste Stück Parkgrün vorgestellt, das Leipzig zu bieten hat. Anhand von Johannapark, Clara-Park und Palmengarten wird sichtbar, wie Parks im 19. Jahrhundert zu einem wichtigen und eindrucksvollen Element der Stadtgestaltung wurden. Man lernt alte Schlossparks kennen wie den in Lützschena (der wieder hergerichet wurde) oder den Abtnaundorfer Park (wo das erst in ersten Teilen der Fall ist).

Und natürlich lädt so ein Büchlein, das in Zusammenarbeit mit dem Grünen Ring entstand, dazu ein, sich auch mal aufs Rad zu schwingen oder in die S-Bahn und da draußen vor der Stadt die grünen Oasen zu suchen und zu besuchen. Quasi einfach mal ein grünes oder buntes Ziel auszusuchen fürs Wochenende. Es lohnt sich. Auch dort haben umtriebige Kommunen oder auch neue Besitzer viel Energie und Zeit investiert, um alte Park- und Gartenlandschaften wieder erlebbar zu machen. Vom Schlosspark Güldengossa bis zum Kees’schen Park in Markkleeberg, vom Rittergutspark in Altscherbitz bis zum Schlosspark Rötha. Da und dort hat es sichtlich auch die Autoren dieses auch mit Adressen und Anfahrtsrouten gespickten Buches nicht gehalten und sie haben noch ein paar Anlagen mit hineingenommen, die eindeutig schon außerhalb des Grünen Ringes liegen.

Aber auch diese Tagesausflüge lohnen sich – nach Delitzsch in den für die Region einzigartigen barocken Schlossgarten, nach Grimma, wo man am Göschenhaus nicht nur den klassizistischen Garten, sondern auch den Park erleben kann, in dem Göschen sich erholte, oder nach Waldenburg, wo der Grünfelder Park eine Entdeckung wert ist. Einige namhafte Parks aus Leipzig und Umgebung findet man im Buch noch nicht. Dafür haben diverse Autoren eigene, wesentlich ausführlichere Porträts geschrieben, die wir an dieser Stelle in nächster Zeit natürlich auch vorstellen.

Sie bauen das aus, was es zu den 30 vorgestellten Anlagen in diesem Büchlein in komprimierter Form gibt – die Entstehungsgeschichte, die Umbauetappen im Lauf der Geschichte, die Ambitionen der Erschaffer und die Visionen der Landschaftsgärtner, die hier bewiesen, dass gezähmte Natur nicht nur dem Auge gefällt, sondern auch Erholungsinseln schafft. Es wird von veränderten Nutzungen erzählt, von der Öffnung einst privater Gärten für die Öffentlichkeit und natürlich auch von Verlusten, die in einer Bergbauregion wie der Leipziger natürlich dazu gehören. Einige Parks mit ihren eindrucksvollen Wasserlandschaften brauchen heute ein künstliches Wasserregime, weil der Bergbau über Jahrzehnte den Grundwasserspiegel absenkte oder wichtige Gewässer abschnitt oder umverlegte.

So nebenbei bekommt man auch eine Ahnung davon, welche touristischen Stärken der Grüne Ring Leipzig eigentlich hätte, wenn die Akteure nur den Mumm hätten, endlich Abschied zu nehmen von den Visionen eines motorisierten Landschaftstourismus. Doch der Glaube daran, dass Kraftfahrzeuge und Motorboote der große Geldbringer sind, hat sich tief in die Köpfe von Leuten eingegraben, die den Spruch verinnerlicht haben, man müsse nur genug investieren, dann würde sich das Projekt unbedingt in eine “Cashcow” verwandeln. Dabei liegen die eigentlichen Schätze vor der Haustür und sind auch für Touristen von Leipzig aus leicht mit Fahrrad, Bahn und Bus zu erreichen. Und nicht nur im Rosental hat man dann diesen überraschenden Effekt: Auf einmal versteht man sein eigenes Wort wieder. Die Innenstadt scheint kilometerweit weg zu sein.

Vielleicht ist es genau das, was immer mehr Neuseenländer rebellisch macht: Dass einige Akteure immerfort versuchen, ihren Lärm in die Landschaft zu tragen und dass die Ruheinseln, an denen sich auch der Großstädter mal vom Lärm erholen kann, immer seltener werden. So gesehen ist dieses Büchlein mit seinen 80 Seiten eine kleine Art Kontra: Seht her, es geht auch anders. Schwingt euch aufs Rad und hört auf, uns einen Tourismus zu predigen, den so wirklich niemand braucht.

“Parks & Gärten im Grünen Ring Leipzig”, Pro Leipzig, Leipzig 2014, 7 Euro

proleipzig.eu
www.garten-leipzig.net

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