Es gibt viele Gründe, mal nach Eisenach zu fahren. Sie heißen Bach und Luther, Elisabeth und Heinrich von Ofterdingen, August Bebel, Richard Wagner un d Ludwig der Springer. Louis the Springer übersetzt das Jutta Rosen-Schintz. Und man denkt sich so: Wäre nicht Louis the Hopper richtiger? Oder Louis the Jumper? Aber auch die englische Wikipedia spuckt den Burschen als Louis the Springer aus. Mit kleiner Kopfnote: "'Jumper' is a more accurate translation."
Das beruhigt. Da lag unser Bauchgefühl doch nicht ganz falsch. Denn in solchen Namen steckt ja der Humor unserer Vorfahren. Auch wenn ihre Zeiten nicht immer fröhliche waren. Und zu Ludwigs Zeiten waren es ganz bestimmt keine fröhlichen, da wurde noch gehauen und gestochen, da lag die Macht zwar nicht auf der Straße, aber so manches Stück Land war noch zu bekommen, wenn man ein ordentlicher Haudegen war. Ludwig, Sohn Ludwigs des Bärtigen, war einer. Weil sie alle Ludwig hießen, nannte man seine Sippe auch die Ludowiger. Eigentlich war seine Stammburg die Schauenburg bei Friedrichsroda. Aber das war ihm zu wenig. Er wollte ein Stück mehr vom thüringischen Kuchen und baute – so berichtet die Sage – die Wartburg. Er rammte einfach sein Schwert in den Berg und sagte so was Ähnliches wie: “Wart’ Berg, jetzt bist du mein.” Oder seine Ritter taten es, seine Knights. 1067 war das, wenn man den alten Berichten glauben darf.
Den Beinamen der Springer bekam er, nachdem er 1086 Friedrich III., Pfalzgraf von Sachsen erstochen hatte, weil er scharf war, auch noch dessen Pfalzgrafschaft zu bekommen, die im Saale-Unstrut-Gebiet westlich der Saale und nördlich der Unstrut lag. Was Ludwig erst mal Einkerkerung auf der Burg Giebichenstein eintrug und die Hinrichtung drohen ließ. Da sprang er, wie die Legende zu berichten weiß, eines Tages in kühnem Sprung vom Turm der Burg in die Saale und entfleuchte.
Darf man nicht alles glauben. Auch im 11. Jahrhundert wurde über Politik so heftig geschwindelt wie heute. Und auf keinen Fall sah die Burg, die Ludwig baute, so aus wie das, was man heute besichtigen kann. Der älteste Teil ist wohl der Palas, 100 Jahre nach Louis the Hopper erbaut, mit Rittersaal und Elisabethkemenate. Die kann tatsächlich mit einer berühmten Person zu tun haben: Elisabeth, der berühmten Landgräfin und Heiligen, die so jung starb. Und auch der andere berühmte Ort hier ist recht authentisch: die Luther-Stube, in der Luther als Junker Jörg (Squire Jörg) von 1521 bis 1522 lebte und an seiner Bibelübersetzung arbeitete, während draußen die politischen Ungewitter tobten.
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Mit der Wartburg verbindet sich auch eines der wichtigsten deutschen Feste: das Wartburgfest der Burschenschaften 1817, das auf englisch noch viel festlicher klingt: “German Political Student’s Fraternities”. Das sollte dann 2017 – zusammen mit dem Reformationsjubiläum – gefeiert werden, denn die Studenten wählten für ihren Zug auf die Wartburg ganz bewusst das Jubiläum von 300 Jahren Reformation. Nur war die Burg, als sie feierten, eine Ruine. Sie wurde ab 1838 so gründlich rekonstruiert, dass man dem größten Teil der heutigen Bausubstanz durchaus misstrauen darf. Sie ist mehr Historismus (Historicism) als Original, auch wenn die originalen Teile als Kleinode mit eingepasst sind. Manches wurde auch neu dazu erfunden, wie die 1851 eingebaute Sängerlaube (Minstrel’s Arbour). Wenn die Minnesänger, die sich möglicherweise 1206 zum Sängerkrieg (Minstrel Contest) auf der Wartburg trafen, etwas brauchten, war es ein schöner großer Saal mit viel Publikum und ganz bestimmt keine Laube.
Walter von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach waren wohl dabei. Bei Heinrich von Ofterdingen ist man sich schon nicht mehr so sicher, auch wenn die Eisenacher unten in der Stadt im Hellgrevenhof den Ort zeigen können, an dem er mit seinem mächtigen Begleiter, dem Magier Klingsor abgestiegen ist. Braucht’s eigentlich nur noch den Übernachtungsbeleg. Unten in der Stadt kann man auch Bach (Bach House and Frauenplan) und Luther (Luther House) besuchen. Wagner trifft man im Reuter Wagner Museum (auch wenn Richard selbst nicht da war – nur eine der größten Wagner-Sammlungen hat hier Unterschlupf gefunden) und August Bebel natürlich im “Goldenen Löwen” (At the Golden Lion) in der Marienstraße, wo 1869 (nachdem 1863 in Leipzig schon mal die erste Probe stattfand) dann die richtige Tante SPD gegründet wurde: the Social Democratic Party, wie das auf Englisch so schön stolz klingt.
Eisenach in One Day
Jens Kassner, Lehmstedt Verlag 2014, 4,95 Euro
Fritz Reuter ist noch zu erwähnen, den man natürlich mit Wagner zusammen im Reuter-Wagner-Haus trifft. Wobei die Nachbarschaft natürlich wundert, aber auch die Tatsache, dass einer der berühmtesten Dichter des norddeutschen Flachlandes im hohen Alter lieber in die Thüringer Berge ging.
Man trifft also eine Menge bekannter Leute in Eisenach und kommt aus dem Nicken und Hutschwenken nicht heraus. Der Ausflug lohnt sich also – auch auf Englisch. Und so Mancher wird bereuen, dass er sein Lebendgewicht beim letzten Weihnachtsfest gar zu sehr vermehrt hat. Denn auf die Wartburg darf man nur reiten, wenn man leicht genug ist: “Children (and adults weighting less than 65 kilos) can ride the last 400 metres up to the castle from the donkey station.”
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