Wer nach Mitteldeutschland kommt, der kann sich den Rucksack mit Musik vollpacken. Kaum eine europäische Landschaft ist so reich gespickt mit berühmten Komponisten. Und man kann sie sogar besuchen. Und zwar nicht nur in Leipzig. Seit 2012 das restaurierte Heinrich-Schütz-Haus in Weißenfels wieder eröffnete, lohnt sich auch der Besuch beim berühmtesten Komponisten des deutschen Frühbarock.

Einen Hauskatalog hatte das aufwendig rekonstruierte Haus 2012 noch nicht. Aber das hat der Weißenfelser Musikverein “Heinrich Schütz” e. V., der seit zehn Jahren Träger des Museums ist, jetzt mit der Musikwissenschaftlerin Henrike Rucker, die seit 2003 das Museum leitet, nachgeholt. Man kann sich ja nicht alles merken, wenn man das klingende Museum in dem prächtig sanierten Bürgerhaus aus dem 16. Jahrhundert besucht. Im Grund macht man zwei Besuche in einem. Denn mit der Rekonstruktion des alten Renaissance-Baus hat der Verein Weißenfels eines der prächtigsten Baudenkmäler geschenkt, die die Stadt heute besitzt. In den 1980er Jahren war das Haus genauso vom Abriss bedroht wie der gegenüber liegende Gasthof “Zum Schützen”, den einst der Vater von Heinrich Schütz besaß.

In einem Kraftakt wurde das Haus, das Heinrich Schütz 1651 erworben hatte und in dem er von 1656 bis 1672 seine letzten Lebensjahre verbrachte, saniert – jedenfalls so weit das die damaligen Ressourcen hergaben. An eine echte Wiederherstellung eines Bauzustandes, wie er zur Zeit von Heinrich Schütz bestand, war da gar nicht zu denken. Das war erst im neuen Jahrtausend möglich und ein ganzer Bild-Text-Teil im Katalog dokumentiert die Restaurierung und in wesentlichen Teilen auch Rekonstruktion des Hauses.Der Architekt Bernd Dombrowski nimmt die Leser mit in die Erkundung von frei gelegten Böden, alten Türdurchgängen und Wandverschalungen, in den Keller, die (noch am Ruß erkennbare) Küche, Empfangsräume und in den Boden, wo Schütz sich seine Komponierstube eingerichtet hatte. Denn auch sein Lebensabend – er wurde immerhin erstaunliche 87 Jahre alt – war von Schaffenskraft erfüllt. Als er starb, muss er ganze Stapel von Noten in einem Schrank im Haus hinterlassen haben. Von denen fast nichts blieb. Ein paar Aufsehen erregende Fragmente wurden während der Rekonstruktion des Hauses entdeckt. Ein kleines Mäusenest hat man sogar in die Ausstellung übernommen, in dem auch Schnipsel alter Notenblätter mit verbaut sind.Ein Dokument der akribischen Suche nach den Lebens- und Arbeitszeugnissen des einstigen Dresdner Hofkapellmeisters, von dem heute im Grunde nur noch seine geistlichen Kompositionen überliefert sind, die er selbst noch zu Lebzeiten in Druck gab. Nicht alle Lebensstationen sind im Katalog ausführlich dargestellt. Was nur logisch ist – sie hätten sonst einen schwergewichtigen Wälzer draus gemacht.

Immerhin war Schütz in seiner Zeit ein europaweit bekannter Musiker, seine Arbeit mit der Dresdner Hofkapelle galt als beispielhaft und zahlreiche Fürstenhöfe fragten an, ob er auch ihre Hofkapellen einzurichten bereit sei. Rund 30 Seiten widmet der Katalog dieser Schaffenszeit, die er vor allem in Dresden verbrachte, wo zwar sein Wohnhaus und sein Grab verschwunden sind, aber die rekonstruierte Hofkapelle im Schloss könnte zu einem neuen Ort der Schütz-Pflege in Dresden werden.

In Weißenfels hat der Gastwirtsohn natürlich auch seine Kindheit verbracht. Dem widmet sich logischerweise gleich das Eingangskapitel, das auch das Weißenfels ums Jahr 1600 wieder lebendig werden lässt mit seinen Innungen, seinen Gasthöfen und den Honoratioren, zu denen auch die Familie Schütz gehörte. Schon 1651 wollte Schütz dann aus dem Dienst des sächsischen Kurfürsten scheiden. Aber die Wettiner wussten, was sie an diesem Mann hatten und ließen ihn nicht gehen. Erst 1656 bekam er seine Entlassung. Das Kapitel vier schildert also seinen Altersaufenthalt in Weißenfels, beleuchte auch das Schicksal seiner Nachkommen.

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Mein Lied in meinem Hause
Weißenfelser Musikverein “Heinrich Schütz” e. V. (Hrsg.), Henrike Rucker, Lehmstedt Verlag 2014, 19,90 Euro

Dem folgt logischerweise ein Kapitel zum “Nachleben”, das sich ganz ähnlich gestaltete wie bei anderen Musikern: Eine Zeit lang war der Berühmte noch in aller Munde, dann gab es die nächste musikalische Welle und der Altmeister geriet in Vergessenheit, bis dann im 19. Jahrhundert Musikenthusiasten die Faszination seiner Musik wieder entdeckten.

Deswegen war er auch in der DDR-Zeit nicht ganz so vergessen, wie es selbst Einheimischen zuweilen schien, nur halt recht versteckt. Das Wohnhaus seiner Alterstage und seines “Schwanengesanges” war ruinös. Umso stolzer ist der Trägerverein heute natürlich. Der Katalog macht das Leben, die Musik und die Zeit des Heinrich Schütz in vielen erläuternden Texten und Zeitdokumenten nachvollziehbar. Und wer ihn in die Hand bekommt, ohne schon mal in Weißenfels gewesen zu sein, der wird dadurch natürlich animiert. Es lohnt sich. Es gilt die Welt und die Musik des berühmtesten mitteldeutschen Komponisten vor Bach wiederzuentdecken.

www.lehmstedt.de

www.schuetzhaus-weissenfels.de

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