Kinderkriegen ist ein Abenteuer. Und ein Mysterium. Da tun sich zwei zusammen, bringen ganz seltsame Prozesse in Gang und auf einmal beginnt sich auch für die Kinder etwas zu verändern. Was ist da los? Warum isst Mama auf einmal seltsame Sachen? Warum reagiert sie manchmal so komisch? Und was ist mit ihrem Bauch? - Etwas Unheimliches passiert.

Etwas unheimlich Schönes. Auf das sich Mamas freuen und das Papas verrückt macht. Und Geschwisterkinder verwirrt. Aber die Zeiten, da Eltern über dieses Mysterium schwiegen, sind zumindest in aufgeklärten Familien Vergangenheit. Und die Zeiten, dass dazu heimlich in alten Lexika studiert werden musste, auch. Und warten, bis der Biologielehrer irgendwann mal auf das Thema zu sprechen kommt – wer macht das heute noch? Kinder wollen’s wissen. Geschwisterkinder erst recht. Also raus mit der Sprache, fand der dänische Journalist Lars Daneskov und erzählte die ganze Sache von Anfang an. Naja, fast von Anfang an. Von dem Zeitpunkt an, an dem die Mama weiß, dass da ein kleines Wesen entsteht in ihrem Bauch. Sie spürt es schon, aber man sieht es noch nicht.

Es ist ja so winzig wie ein Gummibärchen. Und noch muss es wachsen und futtern und turnen, bis es groß genug ist, herauszukommen. Man kann beinah zuschauen dabei. Und hat so viele Fragen. Die wollen beantwortet sein. Auch mit Geduld. Denn für Geschwisterkinder ist es ja doch eine lange Zeit von Woche 8 bis Woche 37. Alles mögliche kann man “einfach mal schnell” im Laden kaufen. Nur Kinder nicht, Schwestern und Brüder schon gar nicht. Wenn man überhaupt weiß, was das ist. Viele Kinder wachsen ja heute als Einzelkinder auf. Auch wenn es in Dänemark und in Leipzig so einen spürbaren Trend hin zum zweiten und dritten Kind gibt.Da wird dieses Buch von Lars Daneskov interessant, das 2012 erstmals in Dänemark erschien und das der Zeichner Claus Bigum witzig und spielerisch illustriert hat. Die kleinen Leser ab vier Jahre sollen sich ja auch ein bisschen vorstellen können, was das kleine heranwachsende Wesen in Mamas Bauch so alles anstellt, wie es schwimmt und isst.

Mit Messer und Gabel? – Ganz bestimmt nicht. Einiges geschieht noch ganz, ganz anders, als man es im kurzen langen Leben schon gelernt hat. Wie soll man sich vorstellen, wie so ein Knirps durch die Nabelschnur futtert? Und ob schon alles dran ist, was zu einem kleinen Menschlein gehört: Haare, Finger, Herzchen. Kann es schon hören? Hört es, wenn ich singe?

Und warum ist es nach fünf Monaten immer noch so klein? Und warum ist Mama auf einmal so rührselig? Was sind denn das für komische Hormone? – Fragen über Fragen. Vielleicht versteht man mit vier Jahren noch nicht alles. Aber so wie Daneskov und Bigum diese immer wieder neue Geschichte erzählen, bekommen auch kleine Neunmalkluge zumindest auf ein paar ganz, ganz wichtige Fragen ein paar Antworten und eine Menge Stoff, sich selber auszumalen, wie das ist. Oder war. Sie waren ja selbst mal ein Baby und in Mamas Bauch. Unvorstellbar. Da braucht man wirklich eine Menge Phantasie, um so ein bisschen eine Ahnung dafür zu bekommen, wie viel da alles passiert, wenn in Mamas Bauch ein Menschlein heranwächst, wie das kleine, fremde Leben da drin Gestalt annimmt und immer regsamer wird und Wünsche entwickelt. Seltsame Wünsche manchmal, die Mama seltsame Sachen essen lassen. Oder unruhige Nächte bereiten. Irgendwie scheint das Kinderkriegen richtig schwere Arbeit zu sein.

Auch wenn es so einfach aussieht – von außen betrachtet. Oder auf den Bildern, die Mama von der Untersuchung bei der Kinderärztin mitbringt. Da sieht das kleine Wesen tatsächlich schon wie ein richtiges Baby aus, auch wenn es zu schlafen scheint. Dabei schläft es gar nicht mehr die ganze Zeit, sondern scheint sogar zu turnen. Jetzt will es doch aber raus, oder? Denn eigentlich sind doch neun Monate eine wahnsinnig lange Zeit. Und Zeit ist etwas ganz fürchterlich Zähes, wenn man die ganze Zeit wartet: Wann kommt es denn nun?

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Wer wohnt denn da in Mamas Bauch?
Lars Daneskov, Klett Kinderbuch 2014, 14,95 Euro

Das Buch hilft natürlich auch dabei, ein Gefühl für diese Zeit zu bekommen. Auch dafür, dass alles, was wirklich wichtig ist – wie ein Geschwisterkind – seine Zeit braucht, bis es kommt. Da kann man das Buch immer wieder hervorholen und sich vergewissern, wo man gemeinsam gerade ist. Vielleicht schon in Woche 25, wo man vielleicht sogar schon das Rätsel gelöst bekommt, ob es nun ein Schwesterchen oder ein Brüderchen wird. Was ja ganz ungemein wichtig ist. Fürs ganze Leben. Denn jetzt wird man ja – ojemine – großer Bruder oder große Schwester. Das heißt: Verantwortung. Aber das ist dann Thema für andere Bücher, die sich mit der Zeit beschäftigen, wenn das, was hier heranwächst, draußen ist und sich als lärmendes, hungriges, niedliches Baby entpuppt, das sich auch in der Familie seinen Platz erstrampelt, in der man eben noch der King war.

Aber das nimmt man bestimmt viel gelassener auf sich, wenn man weiß, was da auf einen zukommt. Und mit diesem Bilderbuch ist man die ganze Zeit dabei, bis es so weit ist. Das ist Spannung pur. Viel spannender als der ganze Quatsch mit den Störchen.

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