Konsequent war er, dieser Jorge Mario Bergoglio, als er 2013 zum 266. Papst der Katholischen Kirche gewählt wurde und sich Franziskus nannte. So wie der Ordensbegründer der Franziskaner, Franziskus von Asisi. Denn wie will Kirche im 21. Jahrhundert noch Vorbild sein, wenn sie nicht auf Pomp und Glanz verzichtet und zu den Armen geht?
Das hat auch mit der Herkunft des neuen Papstes aus Lateinamerika zu tun. Als kleine Revolution haben auch Gläubige in Deutschland seine Wahl empfunden. Denn irgendwie ist man es 800 Jahre nach Franz von Asisi ja leid, dass die Päpste in Rom so tun, als hätte ihre vergoldete Welt nichts mit den Armen auf Erden zu tun. Über den prunksüchtigen Bischof von Limburg Franz-Peter Tebartz-van Elst wird ja in Deutschland auch so heftig diskutiert, weil sein protziger Bischofssitz zwar in die Prunkwelt deutscher Promis und Superreicher passt, den Gläubigen aber auch wie blanker Hohn erscheint. Denn dass Armut auch in Deutschland ein Thema ist, steht ja immer wieder mit fetten Schlagzeilen in den Zeitungen zu lesen.
Gern kommentiert und geleugnet von diversen “Leistungsträgern”, die ihre Verachtung für “Schmarotzer, Penner, Sozialbetrüger, Kriminelle” gern auch mal laut herausblöken. Weil: “Muss man ja mal sagen dürfen”.
Und da ist man schon mittendrin in diesem kleinen Karikaturenband, in dem sich der Wiesbadener Karikaturist Gerhard Mester liebevoll des neuen Papstes und seines irdischen Verhältnisses zu Reichtum, Armut und Teilhabe annimmt. Auch er ist von diesem Papst begeistert. Und er sieht ihn ganz augenscheinlich direkt in den Fußstapfen von Jesus Christus. Sehr zur Verwirrung und Frustration der alten Kirchenhierarchie. Die verdatterten Berater aus dem Vatikan stehen in Mesters Zeichnungen immer recht erschrocken hinter diesem fröhlich drauflos agierenden Papst, der den Gedankenblasen der verknickerten Kleinbürger (“Schmarotzer, Penner, Sozialbetrüger, Kriminelle”) ein Plakat an der Kirchentür entgegensetzt, dass die tiefste Botschaft des Neuen Testaments wieder so unverstellt zeigt, wie es sich Kirche selten traut: “Arme, Obdachlose, Flüchtlinge, Sünder Willkommen!”
So haben es ja, wie die jüngsten Studien zur Katholischen Kirche zeigten, auch die Gläubigen empfunden: als eklatanten Widerspruch zwischen dem, was man im Neuen Testament lesen kann, und dem, was die Kirchenfürsten als verklemmte Moral predigten. Etwa in ihrem ewigen Eifer gegen unverheiratete Paare, obwohl das wichtigste Paar des Neuen Testaments genau das war: unverheiratet.
Und so lässt Mester denn auch ein augenscheinlich von langer Wanderschaft erschöpftes Paar von seinem Franziskus in die Kirche bitten, obwohl ein Schild an der Wand klebt: “Kein Zutritt für unverheiratete Paare!” Derselbe Franziskus bittet die “Mühseligen und Beladenen”, die übers Mittelmeer nach Italien geflüchtet sind, an Land, während hinter ihm die Uniformierten der europäischen “Frontex”-Truppe schon überlegen, was sie tun, wenn die Kameras verschwunden sind.
Viel braucht Mester mit dieser Franziskus-Gestalt gar nicht machen. Die Szenen werden ganz von allein allegorisch. Etwa wenn sich dieser Franziskus mit seinem “Soul-Center” direkt vor die Glaspaläste der Banken stellt und oben zwei Angestellte murren: “Er stört!”
Da hat augenscheinlich lange, lange einer gefehlt, der stört. Der die alten Binsenwahrheiten wieder auf den Tisch packt und eventuell sogar danach handelt, seine Soutane weggibt, weil andere hungern, oder die Beine seines Sessels kürzt, damit er nicht über den Anderen thronen muss. Dieser Papst ist sogar auf dem Tandem vorstellbar oder als Wunderheiler, der der krank im Bett liegenden Kirche sagt: “Steh auf, nimm dein Bett und geh’ …”
Natürlich steckt auch viel Erwartung in diesen Zeichnungen, die Gerhard Mester ganz bestimmt mit vielen Gläubigen und Nicht-Gläubigen teilt. Erwartungen auch in Bezug auf einen Mann, der die Chance hat, in seiner Position wieder ein moralisches Gewissen für eine Welt zu werden, in der selbst Präsidenten und Premierminister oft genug öffentlich ihre Verachtung für jegliche Moral und den steuerzahlenden Bürger zeigen. Nicht nur in der “Dritten Welt”. Und die liebevollen Karikaturen zeigen auch, dass das Christ-Sein eben nicht zuallererst innige Religiosität bedeutet, sondern christliches Leben und Handeln. Eine Forderung, die dieser bewegungsfreudige Papst durchaus zu recht erst einmal an die kirchliche Hierarchie und ihre Würdenträger richtet. Aber wie will so eine Kirche Vorbild sein, wenn sie nicht selbst vorlebt, was eigentlich die seltsame Botschaft des Mannes aus Galiläa ist?
Der Zwiespalt bleibt: Da bekommt Franziskus für seine Menschennähe Beifall: “Er ist so schlicht! So menschlich!!” Und gleichzeitig murmelt ein dicker Würdenträger: “Na, hoffentlich verlangt er das nicht auch von uns!!” Dieses ewige Murmeln an den Futtertrögen von Macht und Wohlergehen.
Der Verlag hat jedem dieser so schön eindeutigen Bilder noch ein passendes Zitat aus der Bibel beigegeben. Für alle, die gleich mal an den richtigen Stellen nachlesen wollen, weil sie vielleicht nicht glauben, dass in dem alten dicken Buch solche Sachen stehen. Stehen sie aber. Da und dort mogelt sich auch ein Zitat von Franziskus selbst darunter. Man merkt es kaum.
Keine Kommentare bisher