Das Bach-Museum, die Thomaskirche, vielleicht noch die Fassade von Königshaus und Nikolaikirche, das Alte Rathaus, das ungefähr ist das, was vom Leipzig des Carl Philipp Emanuel Bach noch zu sehen ist, wenn man es jetzt besuchen will: handlicher Stadtführer in der Hand, Musik im Ohr, neugierig auf den berühmtesten Sohn Johann Sebastians, der am 8. März 300 Jahre alt geworden wäre.
Fünf Städte, in denen C. P. E. Bach lebte und wirkte, haben sich in diesem Jahr zusammengetan, um diesen Geburtstag zu feiern. Leipzig ist natürlich mit dabei. Nicht nur weil Carl Philipp Emanuel hier von 1723 bis 1734 lebte, vom Vater musikalisch ausgebildet wurde, bei den Thomanern sang und auch noch drei Jahre Jura studierte an der Universität. Das Bach-Archiv ist ebenso eine der wichtigsten Forschungsstätten zu diesem begabten Bach-Sohn, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sogar den Ruhm des Vaters überstrahlte.
Dieses handliche Buch hier bündelt sein Leben zum Nach-Reisen. Zu jeder der sechs Lebensstationen gibt es ein eigenes Kapitel. Köthen, das im Städtenetzwerk “C. P. E. Bach*1714” nicht mitmacht, ist trotzdem mit drin. Immerhin lebte Familie Bach von 1717 bis 1723 in der Residenzstadt. Und der kleine Carl Philipp Emanuel war gerade sechs Jahre alt, als seine Mutter Maria Barbara starb. Eine bis heute rätselhafte Geschichte, die für Johann Sebastian wohl genauso rätselhaft gewesen sein wird, denn als er zu einer Reise aufbrach, lebte sie noch. Von ihrer Erkrankung und ihrem Tod erfuhr er erst bei der Heimkehr.
Köthen ist exemplarisch für das, was Forscher heute zumeist vergeblich zu erkunden versuchen. Wichtige Akten und Urkunden fehlen, sind in Bränden, Umzügen, Kriegen verloren gegangen. Wo lebte die Familie Bach in Köthen? Wie lebte sie? Hat Johann Sebastian seine Trauer nur in Musik ausgelebt? Natürlich gibt es auch für Köthen einen Stadtrundgang, der zumindest all die Stellen anläuft, die in Köthen irgendwie mit dem Wirken Johann Sebastians und damit auch der Kindheit Carl Philipp Emanuels in Beziehung zu setzen sind.
Dasselbe gibt es auch für seinen Geburtsort Weimar, für seine Jugendstadt Leipzig und für seine nächste Studien-Station Frankfurt/Oder, wo die Viadrina stand, die für Preußen das künftige Leitungspersonal ausbildete. Aber schon in Frankfurt war für Carl Philipp Emanuel (der in seiner Taufurkunde noch Immanuel hieß) klar, dass er in die Fußstapfen seines Vaters treten wollte. Was nicht unbedingt leicht war. Denn Stellen wie die des Leipziger Thomaskantors waren nicht so leicht zu finden. Carl Philipp Emanuel bewarb sich nach dem Tod seines Vaters sogar zwei Mal auf die Stelle des Leipziger Thomaskantors. Doch der hochwohllöbliche Rat wollte kein zweites Bach-Experiment, er wollte vor allem einen Lehrer, der seinen Unterrichtspflichten in der Thomasschule nachkam, keinen Musikdirektor, wie J. S. Bach sich empfand. Da steckt der alte Streit, der den heute so berühmten Bach so zermürbt hat.
Was blieb da noch? – Für Carl Philipp Emanuel der glückliche Zufall, dass der preußische Kronprinz Friedrich einen begabten Cembalisten für seine Kapelle suchte. Damit begann der 30-jährige Dienst von C. P. E. Bach in den Diensten des Kronprinzen, der 1740 zum König in Preußen wurde und wenig später den Siebenjährigen Krieg vom Zaune brach, der auch Sachsen verheerte. Friedrichs Hofkapelle war berühmt, denn der gebildete König wusste einige der besten Musiker seiner Zeit um sich zu scharen. Und seinen Carl Philipp Emanuel wusste der Preußenkönig durchaus zu schätzen. Auch wenn der sich eingeengt fühlte in dieser Funktion. Berlin bot zwar die Chance, zu den klügsten Geistern der Aufklärung Kontakt aufzunehmen – zu Lessing, Nikolai, zu Karsch, zu Ewald von Kleist… Aber der Hofcembalist wollte mehr. Auch deshalb bewarb er sich immer wieder auf diverse Kantorenstellen.
Seine große Gelegenheit aber kam erst, als 1767 Telemann starb, der 1714 sogar C. P. E.s Taufpate gewesen war. Von ihm hat er den Philipp. Mit Telemanns Tod wurde die Stelle des Hamburger Musikdirektors frei. Und da musste C. P. E. seinen Preußenkönig sogar ein bisschen anschwindeln, um loszukommen und das Amt antreten zu dürfen. Nach Berlin und Potsdam wurde für seine letzten 20 Lebensjahre Hamburg sein Lebensmittelpunkt. Und da geht es dem Stadtbesucher so wie schon in Frankfurt, Berlin und Potsdam: Auch hier ist nicht mehr viel zu sehen von der barocken Stadt, in der Bach gelebt hat. Die Hamburger scheinen beim Abreißen und Neubauen noch rigoroser gewesen zu sei als die Leipziger.
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Was nicht bedeutet, dass sie ihre Musikgeschichte nicht zu schätzen wissen. Aktuell arbeiten sie an ihrem Komponistenquartier, in dem neben Telemann und C. P. E. Bach auch Brahms, Hasse, Mahler und Fanny und Felix Mendelssohn Bartholdy gewürdigt werden.
Karten ergänzen jeden Stadtrundgang. Und in dazwischengeschobenen Kapiteln wird Wichtiges aus der Forschung zu Carl Philipp Emanuel Bach komprimiert erzählt – zur großen Thüringischen Bach-Familie und zum Alt-Bachischen Archiv, zu C. P. E.s Kompositions-Werk und der wachsenden heutigen C.P.E.-Gesamtausgabe, über seinen begabten Malersohn Johann Sebastian, der in Leipzig bei Oeser studierte und in Italien viel zu früh starb, über die Bachsche Porträtsammlung und C. P. E.s umtriebige Tätigkeit als Verleger seiner eigenen Werke.
Unterwegs mit Carl Philipp Emanuel Bach
Christine Blanken, Wolfram Enßlin, Lehmanns Media Verlag 2014, 17,95 Euro
Man kann das Büchlein also wie eine kleine Biografie lesen, man kann damit aber auch auf Reisen gehen und sich da und dort auch vor Ort von kenntnisreichen Stadtführern erklären lassen, was man alles sehen würde, wenn es noch stünde. So wie von Wolfgang Feyerabend, der da Berlin-Kapitel in diesem Buch verantwortet und in Berlin auch zu Autoren-Führungen einlädt. Am 8. März steht dann auch erstmals seine Führung “Carl Philipp Emanuel Bach in Berlin” im Programm des C.P.E. Bach-Jahres. Dabei entdeckt man dann aber eben auch mehr als nur den damaligen Hofcembalisten. Denn da er im Herzen des damaligen Berlins wohnte, kommt man wie beiläufig auch bei Lessing, Nikolai und anderen Zeitgenossen vorbei.
www.cpebach.de
http://berliner-autoren-fuehrungen.de
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