So fix kann's gehen. Eben noch stand die Lütte mit Lacky unterm Traumzauberbaum - und schon schreibt sie ihre Autobiografie. Es gibt einfach Heldinnen unserer Zeit, die bleiben jung. Und sie müssen einen schon sehr freundlich daran erinnern, dass sie 2014 schon 65 Jahre alt werden. Kinder, wie die Zeit vergeht!
Aber sie vergeht eben doch. Und was dem Normalsterblichen wie ein ruhiger Fluss vorkam und eine bunte, aber einträgliche Karriere ganz fern irgendwo in den Wolken der Kunst, entpuppt sich beim Lesen natürlich als etwas, was dem eigenen Erleben irgendwie ähnelt. Beginnend mit einer Kindheit in Berlin und dem großen Traum, einmal auf der Bühne zu stehen, den die kleine Apothekerin träumt. Und in dem sie sich auch nicht beirren lässt, als die ersten Versuche nicht gelingen. Doch wenn es ein Rezept gibt, das Erfolg begründet, dann ist es Hartnäckigkeit. In deutschen Landen gibt es genauso die Märchengeschichten vom Erfolg, nur dass sie selten in die verlogene Formel “Vom Tellerwäscher zum Millionär” gepackt werden.
Was hat das mit Angelika Mann zu tun? – Natürlich nichts. Sie erzählt die andere, die normale Geschichte: Wie man sich Erfolg erkämpft, indem man die Zähne zusammenbeißt, übt, was wagt und vor allem Freundschaften schließt. Was im (Ost-)Berlin der 1960er und frühen 1970er Jahre noch einfacher war, weil alles was in der DDR Rang und Namen hatte, hier aufkreuzen musste. Die Szene war überschaubar. Und eigentlich kannte jeder jeden, auch wenn Viele, die heute berühmt sind, damals noch blutjung waren und ihren Ruhm erst vor sich hatten – wie Tamara Danz, Andreas Bicking, eigentlich auch Nina Hagen oder auch Reinhard Lakomy. Ihre große Zeit begann Anfang der 1970er Jahre, als es in der DDR-Musik so eine Art kleinen Frühling gab – Walter Ulbricht war abgetreten und vom jüngeren Erich Honecker erhoffte sich die ganze Kunstszene mehr Toleranz und Freigeistigkeit. Wie man heute weiß, war das eine trügerische Hoffnung. Mit der Ausbürgerung von Wolf Biermann 1976 war für viele wichtige Künstler aus der DDR der Anfang vom Ende gekommen.
Über 80 unterschrieben die Petition gegen die Ausbürgerung Biermanns. Die Lütte natürlich auch – ohne viel nachzudenken. Da war ihre junge Karriere gerade erst drei Jahre alt. 1973 hatte sie den Durchbruch – auch mit freundschaftlicher Hilfe von Reinhard Lakomy, auf dessen “Traumzauberbaum”-Platten sie natürlich auch zu hören ist. Aber 1976 war sie noch nicht soweit, das Land zu verlassen, so wie viele andere – Nina Hagen, Manfred Krug, Veronika Fischer. Sie blieb da und erlebte trotzdem, dass sich nichts änderte. Auch wenn Manches wie Aufbruch aussah. Mit Obelisk hatte sie ihre zweite eigene Band und wurde zum Teil jener Rockszene, die Wochenende für Wochenende in dem kleinen Land unterwegs war und die Klubs und Säle landauf, landab bespielte. In trüben Morgenstunden trafen sich dann die müden Rocker auf den Autobahnraststätten.
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Die Wende für Angelika Mann kam 1984, als ihr der ganze Ärger mit der Künstlerpolitik, der Steuer und den DDR-Zoll-Organen zu viel wurde. Vielleicht wäre sie dageblieben, hätte Gisela Steineckert, damals die Vorsitzende des Komitees für Unterhaltungskunst, anders reagiert. 1985 verließ die “Lütte” die DDR und viele ihrer Anhänger merkten es nicht einmal, denn mit den “Traumzauberbaum”-Liedern war sie noch immer im ganzen Land präsent. Dass sie sich im Westen eine neue Karriere aufbauen musste, war für sie selbstverständlich. Und da sie nicht abwartete, sondern die Sache anpackte und wieder auf die Bühne wollte, gelang ihr das auch. Als der Mauerfall kam, hatte sie gerade wieder Tritt gefasst.
Natürlich schildert sie in ihrem Buch auch die Zeit danach – auch den Ärger, als ihr der “Focus” eine Stasi-Mitarbeit andichtete. Oder den Ärger mit den bundesdeutschen Finanzbehörden, die genauso dreist sein können wie die DDR-Finanzämter, gerade wenn es “nur” um Künstler geht und ihre angesparten 1.800 Euro auf dem Konto. Sie erzählt von ihrer neuen Liebe und von ihren neuen Rollen – als Hexe, Hausfrau oder auch mal Gefängniswärter Frosch. Sie erzählt mit Herzblut und vor allem der von ihr gewohnten Frische. Auch mit 64 steht die “Lütte” – denn über 1,49 Meter ist sie ja nie hinaus gekommen – noch immer unter Dampf, ist neugierig auf jede Herausforderung und freut sich wie die Baba Jaga auf jedes Konzert.
Was treibt mich nur?
Angelika Mann, Militzke Verlag 2013, 20,00 Euro
Und mit ihr sind natürlich auch all die Kinder älter geworden, die sie einst mit dem “Küsschenlied” in den Schlaf lullte. Ja, was macht man da, wenn die Platten und CDs erzählen, dass die “Lütte” doch eigentlich immer noch jung und nicht zu bremsen ist? – Man erzählt es einfach, auch wenn selbst der 50. und der 60. Geburtstag schon gefeiert sind. Und man freut sich einfach auf den 65., der bei Künstlern – anders als bei Büro-Malochern – nie das Ende der Laufbahn ist. Da schiebt man dann höchstens eine Autobiografie dazwischen und plant die nächste Tournee.
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