Vor knapp 20 Jahren gründeten Gisela und Sören Pekrul die Edition digital, die seit 2011 verstärkt E-Bücher herausgibt. Hier haben viele alte DDR-Autoren wieder einen Platz gefunden - 72 an der Zahl. Da erscheinen auch Bücher, die selbst in der DDR zuweilen Bückware waren, nun in digitaler Form. Aber warum nicht auch mal eigene Erinnerungen veröffentlichen, fragte sich Gisela Pekrul.
Ihre Edition hat ihren Sitz zwar in Godern bei Pinnow in der Nähe von Schwerin. Aber ihre Kindheit hat Gisela Pekrul in der Nähe Leipzigs erlebt – in Wolteritz, das heute zu Schkeuditz gehört. Geboren ist sie noch mitten im Krieg, 1944. So dass sie ihren kleinen Band Erinnerungen mit einer “Kindtaufe zwischen Bombenangriffen” beginnen kann. Es sind echte Oma-Geschichten aus einer Zeit, die sich die heutigen Enkel schon gar nicht mehr vorstellen können. Nicht nur was Krieg und Nachkriegszeit betrifft, sondern auch die sehr rustikalen Lebensbedingungen, die in sächsischen Dörfern noch immer das Normale waren – mit Plumpsklo auf dem Hof, Waschzuber und Schiefertafel.
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Die Kinder zwischen 1940 und 1960 wuchsen nicht viel anders auf als ihre Eltern und ihre Großeltern. Auch wenn einiges, was die Oma da in ihrer Kindheit erlebt hat, ganz besonders für diese Zeit typisch war. Denn wie lernt ein Kind, warum die Portion Butter auf dem Teller immer zu klein ist und ihre Mutter sich ihre Butterration dennoch der Kinder zuliebe vom Munde abspart? Und wie lernen sie, dass Rosinen von der Tante aus dem Westen wertvoll, weil selten sind?
Es sind richtig typische Oma-Anekdoten, die Gisela Pekrul da für ihre Enkel aufgeschrieben hat. Und in ihnen steckt wie eine exotische Welt der Alltag einer scheinbar weit entfernten Geschichtsepoche, die aus Kindersicht wirklich ganz, ganz fern ist – schier unfassbar. Die Omas aber wissen, wie schnell diese Zeit verfliegen kann und dass ein halbes Jahrhundert eigentlich gar nichts ist. Auch wenn Vieles aus diesen Kindertagen wohl längst verschwunden ist. Die kleine Eisenbahn nach Rackwitz, mit der die Kinder zur Schule fuhren, genauso wie die Langschäfter der Männer. Und an den Klapperstorch glauben heute wohl selbst die Kinder nicht mehr. Keine Chance für die Eltern, den Knirpsen weis zu machen, der harmlose Storch im Zoo wäre schuld an dem quäkenden Geschwisterlein – erst recht, wenn die Tochter darauf beharrt, das Mama die Stelle zeigt, wo der Storch sie ins Bein gebissen hat.
Oma, ich kann deine Geschichten schon lesen
Gisela Pekrul, EDITION digital 2013, 3,99 Euro
Manche Geschichte sind auch so lehrreich, wie man sie von Oma erwartet und wirken deshalb auch vertraut – denn wie schnell sind auch heutige Schüler geneigt, die Außenseiterin der Klasse zu verprügeln, nur weil sie nicht so klug ist wie die anderen. Natürlich sind es Zuhörgeschichten, die Omas Welt verstehbar machen. Bis hin zu jenem berühmten Einbrecher Fridolin, der seinerzeit ganz Leipzig in Aufregung versetzte. Kommt er auch nach Wolteritz und vergreift sich am Kleiderschrank?
Und weil die Enkel heute viel zu selten kommen, um Oma zu besuchen und sich die Geschichten immer wieder mit Höchstspannung erzählen zu lassen, gibt es sie jetzt zum Lesen – als Taschenbuch und natürlich als E-Book für die lange Zugfahrt. Dann ist dann fast, als wäre Oma immer mit dabei.
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