Immer wenn Carola Ruff oder einige ihrer Autorinnen-Kolleginnen aus dem Buchverlag für die Frau so ein Büchlein vorlegt, wird einem ganz seltsam zumute. Dann weht ein Hauch herber Wiesen-und-Wald-Luft durchs Zimmer, so eine Ahnung: Es könnte ja alles ganz anders sein. Wir könnten ganz anders leben, ohne auch nur einen Hauch von Lebensqualität einzubüßen. Im Gegenteil.

Wir wären wieder deutlich häufiger in der freien Natur, würden uns um Fallobstwiesen, Kleingärten, Obstbaumalleen und geschützte Naturareale kümmern. Wir würden uns wieder mit dem beschäftigen, was in unserer Umgebung wächst (und nicht mit den Narreteien drittklassiger Möchtegern-Berühmtheiten), würden die Namen der Pflanzen kennen und ihre wertvollen Bestandteile. Wir würden nicht jedes Mal in die Apotheke laufen, wenn uns ein Weh plagt, sondern unsere Kräuter- und Beerensammlung zu Rate ziehen. Wir würden uns wieder als Teil dieser Welt begreifen und nicht mehr als Funktionsrädchen in einer großen Abzocke, die uns für Alles Surrogate und Ersatzmittelchen verspricht. Samt dieser ganzen verlogenen Heilsversprechung in der Zwischenwerbepause. Denn die profitiert von unserem Unwissen. Denn die meisten von uns wissen auch nichts über sich selbst und ihren eigenen Körper, glauben, das könnten nur die “Götter in Weiß” wissen. Was nur zum Teil stimmt.

Denn die meisten Leiden, die uns plagen, sind Zivilisationsleiden. Sie kommen von falscher oder völlig fehlender Bewegung, falschem Essverhalten, falscher Freizeitgestaltung, fehlenden Weltkontakten, Suchtmittelmissbrauch, falscher Arbeitshaltung, falschem Umgang mit den eigenen Erwartungen, Wünschen und Zielsetzungen. Der moderne Mensch ist fremdbestimmt. Und denkt auch so.Muss das sein? – Nicht wirklich. Doch die Grundlage aller Selbstbestimmung ist: Wissen. Kant würde staunen, aber nicken, wenn er hier lesen würde: Auch das Wissen um die Heilkraft der Natur gehört zum aufgeklärten Menschen, der aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit heraustritt.

Sag da noch mal einer was. Es ist schlichtweg so. Wer nichts weiß, macht sich abhängig. Und läuft den Scharlatanen hinterher, die damit ein gutes Geschäft machen.

Und die Beeren?

Diesmal sind es herbe, wie Carola Ruff betont. Sozusagen Früchtchen, die derzeit ein erstaunliches Comeback feiern bei Leuten, die die Nase voll haben von all den künstlichen Aromen und Geschmacksverstärkern, die die modernen Fertigesswaren zu chemischen Keulen machen.

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Denn die wahren Abenteuer des Geschmacks wachsen in freier Natur. Süße und saure und herbe. Wenn sie noch wachsen und nicht die großen Industrieagrarier alle Feldraine niedergeflügt, alle Hecken beseitigt und den Rest mit Chemieduschen erledigt haben. Wir leben auch in einer Zeit des industriellen Naturvandalismus, der sich eben nicht nur gegen Hamster, Hasen, Bienen und Mäuse richtet.

Kommt die Wiederentdeckung unseres Reichtums an Natur zu spät? – Die Gefahr besteht. Gerade auch, weil viele Leute glauben, man könne all das Gewachsene dann einfach im Laden kaufen.

Wen empfiehlt Carola Ruff eigentlich zur Entdeckung? – Es handelt sich auch um ein paar gute alte Bekannte, die früher in jedem Bauerngarten standen und heute da und dort noch in den Gärten von Kleingärtnern, die wissen, was sie da für Schätze haben: Quitten, Schlehen, Schwarze Johannisbeeren zum Beispiel. Von Carola Ruff auch um ein paar Früchtchen erweitert, die man so landläufig nicht ernst nimmt: Zierquitten, Zieräpfel, Kornelkirschen. Dazu noch ein paar teils exotische Kandidaten wie Mahonie, Cranberry, Granatapfel. Und ein paar gute alte Bekannte wie die Preiselbeere und die Heidelbeere.

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Herbe Beeren
Carola Ruff, Buchverlag für die Frau 2013, 5,00 Euro

Carola Ruff erzählt ganz knapp, welche Geschmackserlebnisse man mit diesen besonderen Beeren hat und auch, welche gesunden Zutaten drin sind. Mit der gesundheitsfördernden Wirkung des Bitteren als wichtigem Achtungszeichen. Was dann auch wieder auf die Stimmung wirkt – sie hellt sich auf. Den einzelnen Früchten widmet sie sich etwas ausführlicher. Und die zweite Hälfte des Büchleins ist dann ganz den vielen möglichen Rezepten gewidmet, bei denen die herben Früchtchen zur Anwendung kommen können – vom herzhaften Cranberrybrot bis zum Likör. Pikante Muffins bieten sich genauso selbstverständlich an wie Omas Quittengelee, diverse Salate oder auch mal eine Kornelkirschsuppe.

Für alle, die ihre Küche wieder zum Abenteuerspielplatz gemacht haben, ein neues kleines Entdeckerbuch, das zum Kennenlernen und Ausprobieren einlädt.

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