Es gibt Gärten, da braucht man weder Hacke noch Spaten, nicht einmal eine Vogelscheuche oder einen Rasenmäher - nur jede Menge Heu und stabile Regale. Heu im Sinn von Geld. Denn solche Gärten sind etwas Besonderes. Und zu Zeiten von Rudolph Benno von Römer waren sie wirklich nicht billig. Was auch an ihrer Pracht und Farbenfreude lag.
Rudolph Benno von Römer ist der stille Star einer Ausstellung, die aktuell (vom 15. November 2013 bis zum 30. März 2014) in der Universitätsbibliothek Albertina zu sehen ist. Die UBL hat wieder einmal Schätze aus ihrem Fundes ans Licht geholt. Diesmal sind es die botanischen Bücher, die Römer gesammelt hat, der sich 1821 als Student der Rechtswissenschaften an der Uni Leipzig einschrieb, aber wie so mancher neugierige Student auch gern seiner Neugier folgte und in anderen Fakultäten die Vorlesungen besuchte, die ihn interessierten.
In seinem Fall waren es botanische Vorlesungen bei Prof. Gustav Kunze, aus denen sich in seinem Nachlass Mitschriften erhalten haben. Den Jura-Abschluss brauchte er eher als Gutsbesitzer und späterer Landtagsabgeordneter. Seine Familie besaß Güter bei Meißen und im Vogtland. Und als Landbesitzer wurde von Römer ab 1839 erst Mitglied der Zweiten Kammer der Sächsischen Landtags, ab 1848 in der Ersten Kammer. Und das, obwohl er im Revolutionsjahr zu den vorausschauenden Leuten gehörte, die das alte (ständische) Zweikammersystem für veraltet hielten.
Seine Liebe zur Botanik pflegte er ein Leben lang und tat etwas, was auch damals die Leipziger Uni-Bibliothek nicht leisten konnte: Er kaufte alle namhaften Botanikwerke, derer er habhaft werden konnte. Und zwar systematisch. Ein teures Hobby. 2.600 Bände zählte seine Bibliothek zum Schluss, als er die botanische Sammlung seiner Heimatuniversität Leipzig vermachte. Es gab zwar seit dem 15., 16. Jahrhundert, seit auch die großen Expeditionen in die ferne noch unbekannte Welt starteten, erste Ausgaben von botanischen Überblickswerken. Aber selbst im 18. und 19. Jahrhundert blieben die Auflagen klein.
Nicht nur des aufwändigen Druckes wegen, sondern auch der nach wie vor begrenzten Möglichkeiten wegen, die Bücher zu kolorieren. Etliche dieser Bücher erschienen in reiner Schwarz-weiß-Darstellung, nur wenige wurden in der Regel von Hand koloriert und konnten dem Leser tatsächlich einen visuellen Eindruck von exotischer Pflanzenpracht geben. Aber auch die frühen Mehrfarbdrucke im 19. Jahrhundert waren technisch so aufwändig, dass die Bände nur in geringer Stückzahl und zu hohen Preisen hergestellt werden konnten.Was viele dieser Bücher von den Koryphäen der botanischen Forschung bis heute zu seltenen und kostbaren Ausgaben gemacht hat. Die handkolorierten Werke sind sogar echte Unikate.
In der UB Leipzig weiß man sehr wohl, was für einen Schatz Römer da der Uni- Bibliothek vermacht hat. Und da es eben nicht nur ein Dutzend Bücher sind, bieten die Bücher auch Forschungsmaterial für ganze Wissenschaftssparten – angefangen bei den Botanikern. Denn die Werke zeigen nicht nur die frühe Forschungsgeschichte zur Pflanzenvielfalt in aller Welt, sie zeigen auch das botanische und biologische Wissen ihrer Zeit. Bis hin zur Nomenklatur, die bis ins 18. Jahrhundert durchaus teilweise phantastisch, aber auch uneinheitlich und recht unsystematisch war. Es war erst der schwedische Forscher Carl von Linné, der mit seinem Pflanzenbuch “Species Plantarum” 1753 eine systematische Benennung der Pflanzenarten schuf, die bis heute Bestand hat und wohl auch in der Zukunft. Martin Freiberg berichtet im Begleitbuch zur Ausstellung über dieses Buch und seine Folgen, deren erste war, dass es “unter der Ladentheke” verkauft wurde. Denn Linné hatte den Sex in die Botanik gebracht. Die Zuordnung zu Geschlechtern und die Schilderung und Systematisierung pflanzlicher Geschlechtsorgane sind ein wesentlicher Teil seiner Pflanzensystematik.
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Es dauerte trotzdem nicht lange, bis die Botanikwelt das neue System akzeptierte. Vor allem deshalb, weil es auch für alle möglichen neu zu entdeckenden Pflanzen eine Benennungs- und Einordnungssystematik vorgab. Ordnung ist ein ganz wesentlicher Teil der Wissenschaft. Bibliothekare wissen das noch viel besser als die Forscher selbst. Forschungen, die nicht ordentlich systematisiert und katalogisiert werden, verschwinden im Chaos. Aber auch die Schwierigkeiten, Pflanzenbilder zu rekonstruieren, werden in diesem Ausstellungsbuch benannt, denn Pflanzen aus den Tropen konnten in der Regel nur konserviert nach Europa verfrachtet werden. Wie aber malt man nach der entfärbten und zumeist gepressten Pflanze das Original? Wie war die Blütenstellung wirklich, wie war die Farbe, wie der Blätterstand?
Denn stimmen sollten die Bilder ja, denn in der Regel waren die Käufer und Leser dieser Bücher ja selbst Fachleute. Falsche Darstellungen konnten peinlich sein. Da aber eben Experten die Hauptzielgruppe waren, kam es auch auf Details an – Früchte, Blüten, Knospen. Manchmal auch die Frage nach unterschiedlichen Entwicklungsstadien der Pflanze. Es brauchte also auch hochkarätige Zeichner, die die Vorlagen für die Bücher anfertigten. Darüber berichtet sehr ausführlich Claus Nissen in einem Beitrag. Manchmal nahmen die Forscher diese Zeichner gleich mit auf die oft jahrelange Expedition, damit die Pflanzen gleich vor Ort von einem Profi gezeichnet werden konnten und vor allem auch die Originalfarben nach einer Farbdeklination festgehalten werden konnten.
Wer also den Weg in die Albertina findet, begegnet einer kleinen Expedition in die botanische Forschungsgeschichte, erfährt nicht nur die Titel der Bücher und ihre Themen, sondern auch Wissenswertes über die für ihre Zeit meist berühmten Autoren und ihr Wirkungsfeld, über die Verlage und (wenn das nicht einfach weggelassen wurde) auch über die Künstler, die diese begehrten Pflanzenbilder angefertigt haben. Es gibt auch einen kleinen Ausflug in die Gerichtsstreitigkeiten des 16. Jahrhunderts, als die Sache mit dem Copyright noch längst nicht so klar war wie heute und mancher Verleger sich mit den Arbeiten anderer Verlage eine goldene Nase verdiente.
Römers Garten
Ulrich Johannes Schneider; Astrid Vieler, Leipziger Universitätsverlag 2013, 19,00 Euro
Der Hauptteil des Buches aber widmet sich den botanischen Büchern selbst, versammelt in Kapiteln wie “Fremde Schönheiten”, “Europäische Gewächse”, Nutz- und Heilpflanzen”, “Natürliche Ordnung” und “Frühlingsboten”, die ein wenig die Systematik der Botanik-Bücher deutlich machen. Auch die einzelnen abgebildeten Pflanzen werden erklärt, einige heimische Bekannte darunter genauso wie bezaubernde Exoten, teilweise mit einer Domestizierungsgeschichte dabei, die bis in die Neuzeit reicht. Denn Manches, was seinerzeit als Exot aus fernen Ländern kam, blüht heute in europäischen Gärten oder Fenstern. Aber auch über die heimischen Schönheiten lernt man was – ihre Anwendung und das zum Teil atemberaubende Zuchtergebnis europäischer Gärtner, wenn sie aus wilden Wuchsformen domestizierte Prachtexemplare gezüchtet haben. Die dann wieder – die Rosenzüchtungen seien erwähnt – unfähig sind zu natürlichem Sex. Womit man dann wieder bei Linné wäre.
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