Für einen Verlag ist es gar nicht so einfach, ein ganzes Krimi-Programm aufzubauen. Die Konkurrenz auf dem Krimi-Markt ist groß. Und mehrere Verlage haben sich gleich auf mehrere regionale Krimi-Landschaften spezialisiert. Passt der Hainich-Kreis da noch hinein? Oder ist er eigentlich zu klein?
Seine Kommissarin Carola Henning hat der Mühlhäuser Autor Michael Fiegle schon im Band “Tod im Hainich” 2011 in einer Geschichte agieren lassen. Eine Geschichte in der Knobel-Tradition einer Agatha Christie. Sauber gebaut, auf den Punkt geschrieben – mit verblüffender Lösung. Und da der 1963 geborene Autor, der im Hauptberuf Geograph und Botaniker ist, seine Kommissarin so präsent in Szene setzte, war schon zu erwarten, das dem noch was folgen würde.
Das ist nun geschehen. Wenn auch erstaunlicherweise. Nicht nur auf den ersten Blick wirkt dieser Krimi schmal. Beim zweiten und dritten Blick wird er noch schmaler. Denn die Geschichte “Gefährliche Stille im Hainich” von 2011 ist mit drin. Als Zugabe, so dass aus einem 110-Seiten-Bändchen eines von 160 Seiten wird. Aber auch die Geschichte von der “Toten im Mühlhäuser Stadtwald” ist wesentlich schmaler als die 110 Seiten, die sie einnimmt. Tatsächlich ist sie schon nach 70 Seiten zu Ende – mit Knalleffekt. Sie handelt von einer ermordeten Prostituierten, die im Stadtwald gefunden wurde. Ein Fall, der über Jahre nicht aufgeklärt werden konnte, bis eine Serie von Banküberfällen die Polizei auf die heiße Spur führt und eine Augenzeugin sich zu Wort meldet.
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Dann geht alles sehr schnell, filmreif – aber vielleicht spielen auch die ganzen Tatort-Inszenierungen im deutschen Fernsehen eine Rolle und beeinflussen die Krimi-Landschaften stärker, als es selbst den Fernsehanstalten bewusst ist. Was kein Malheur sein muss, denn so bräsig wie noch in schwarz-weißen Krimi-Zeiten sind all diese Kriminalfälle ja nicht mehr, oft genug sind sie der keineswegs schönen und braven Wirklichkeit dicht auf den Fersen, auch wenn dann und wann die wilde Story übers Ziel hinausschießt. Es wird fleißiger geschossen, gesprengt, entführt und erdrosselt, die Kommissare meiden auch die verpönten Milieus nicht mehr.
Aber auch wenn sich einige Medien gar nicht einkriegen in der folgenden Tiefenanalyse jeder einzelnen Verfilmung am nächsten Tag – mehr als eine Kurzgeschichte steckt selten dahinter. Was nicht nur am Stoff liegt, eher an der Haltung des Mediums zum Thema Kriminalität und zu ihren Helden. Die sind zwar auch im TV in den letzten Jahren etwas plastischer und lebendiger geworden. Aber nach wie vor überwiegen die Stereotype. Wenn schon ein spannender Fall die Dramaturgie des Films bestimmt, bleibt für die komplexen menschlichen Beziehungen kaum Raum.Und ein wenig erinnert auch Fiegles neue Geschichte an diese Dramaturgie. Das drückt aufs Tempo. Und es liest sich weg. Ziemlich schnell ist klar, wie die Geschichte auf zwei Gleisen zum Zielpunkt führt. Da gibt es kein Stocken in den Ermittlungen, auch keine zusätzlichen Verwicklungen für die Zeugin, die etwas zu der Ermordeten im Mühlhäuser Stadtwald sagen könnte, auch wenn zwölf Jahre als Gefangene diverser Zuhälter durchaus eine lange Zeit sind. Erst recht, wenn dahinter ein Stück moderner Menschenhandel steht, was natürlich Schlaglichter wirft auf eine Gesellschaft, die damit nicht wirklich ehrlich und offen umgeht. Selbst so eine kurze Geschichte hat ihre Verzweigungen, an denen ein Leipziger Leser schnell skeptisch wird: Was sind das für dubiose Herren aus der thüringischen Landesregierung, die da so eifrig ins Rotlichtmilieu spazieren, aber nicht einmal geneigt sind, die fragwürdigen Verhältnisse zu ändern? Im Gegenteil – einer kauft sich eine der zur Prostitution gezwungenen Frauen auch noch als eine Art Lebensgefährtin.
Haben wir uns schon so sehr damit abgefunden, dass wir den Herrschaften in Regierungskreisen genau das zutrauen und nicht einmal stutzen? Oder ist es einfach so, und es ist nicht mehr der Rede wert? – Passstellen, an denen die Geschichte tatsächlich zum Roman werden könnte, gibt es also genug.
Aber Michael Fiegle erweist sich auch hier eher als ein Könner in der kurzen Form. Nach 70 Seiten ist wirklich alles erzählt, auch der Mörder ist in einer nächtlichen Aktion überwältigt worden.
Und dann? – Dann scheinen sich Lektorin und Autor nicht so recht einig gewesen zu sein: Was machen wir mit dem Rest? – Sie haben sich wohl für die seltenste aller wählbaren Varianten entschieden: Sie haben es an die Kurzgeschichte einfach drangehängt: die Lebensgeschichte der wichtigen Zeugin, den Gerichtsprozess und ein weiteres Ereignis im Stadtwald, bei dem Carola Henning sich auch mal von der moralischen Seite zeigen kann.
Carola Henning und die Tote
im Mühlhäuser Stadtwald
Michael Fiegle, fhl Verlag Leipzig 2013, 12,00 Euro
Eine Vorgehensweise, die zumindest zeigt: Die Stärken Fiegles liegen wohl wirklich eher in der Kurzerzählung. Manchmal ist es einfach so: Zum Romaneschreiben braucht man ein ganz eigenes Talent. Das in gewisser Weise ein logistisches ist: Wie geht man mit dem ganzen Material um, das aus einer spannenden Handlung eben mehr macht als das?
Vielleicht muss nicht jeder Krimi-Autor auch Romane schreiben. Manchmal liegt auch in der Kürze einfach die zwingende Notwendigkeit. Noch zwei solcher Geschichten aus dem Hainich-Kreis, und es wird ein eigener Band mit Kurzgeschichten. Flott erzählt und schnell gelöst. Auch dafür gibt es Liebhaber.
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