"Vielleicht bleibt im Sommer ein wenig Zeit für die hoffentlich spannende Lektüre", mit dem Satz schickte der Leipziger Autor und Verleger Tino Hemmann sein neuestes Buch in die Redaktion. Verglichen mit dem Sommer ist das Buch natürlich viel zu kurz. Denn unter den Leipziger Autoren ist Hemmann der Spannungs-König. Und da er seine Bücher auch selbst verlegt, bremst ihn auch kein Verlagsprogramm aus. Wenn sie fertig sind, kommen sie.
Nur das Lektorat darf ein bisschen bremsen, sonst hätte es zum Ferienauftakt “Auf Wiedersehen, Bastard!” im Doppelpack gegeben. Das Thema ist natürlich gewöhnungsbedürftig. Selbst staatliche Behörden scheuen vor unliebsamen Begegnungen mit russischen Geschäftsleuten, Geheimdiensten und Schwerkriminellen zurück. Obwohl diese natürlich auch längst in Deutschland aktiv sind. Während Politik und Bürger noch eifrig über weltweite Menschenrechte, Reise- und Informationsfreiheit und den schwierigen Schutz der Demokratie diskutieren, agieren die Geschäftsleute aus Ost und West längst auf Augenhöhe. Wo es um Geld und Geschäfte geht, gelten in der Regel keine Gesetze der Moral. Dass Hemmanns Story Richtung Russland weist, hat weniger mit der Einmaligkeit der russischen Oligarchen und ihrer engen Verstrickung mit Politik und Geheimdiensten zu tun. Ganz ähnliche Konstellationen könnte man in Ländern im fernen Asien oder im ebenso fernen Amerika finden. Wohl auch in anderen Ländern Europas.
Dass Hemmann sich Russland als Schablone aussuchte, hat ganz bestimmt auch mit seiner Liebe zu Russland und seinen Bewohnern zu tun. Zwei von ihnen hat es nach Deutschland verschlagen: Anatolij Sorokin und seinen blinden Sohn Fedor. In Leipzig haben die beiden eine neue Heimat und neue Freunde gefunden. Anatolij, der seine Berufskarriere einst im fernen Magnitogorsk bei der Einsatztruppe OMON begann, ist beim SEK gelandet, wo man seine Fähigkeiten sehr zu schätzen weiß.Doch als der Sohn seines russischen Freundes Sergej Smirnow und dessen 17-jährige Betreuerin erschossen werden, ruft das nicht nur den Leipziger Kripo-Kommissar Rattner und seine hübsche Assistentin Katie auf den Plan. Die Spuren scheinen – jedenfalls aus Anatolijs Sicht – direkt nach Russland zu führen. Und als auch auf ihn ein Anschlag passiert, kennt er kein Halten mehr. Mit Fedor, der eigentlich der liebenswerte Held dieser Geschichte ist, fliegt er nach Moskau und gerät dort augenscheinlich mitten hinein in eine hochgradig kriminelle Geschichte um ein gewaltiges Moskauer Bauvorhaben.
Nur dass hier endgültig nicht mehr so klar ist, wer eigentlich welche Rolle spielt. Sind es die Mitbewerber, die sich unliebsame Konkurrenz vom Hals schaffen wollen? Spielt der russische Geheimdienst FSB eine Rolle oder gar die Polizeisondereinheit OMON, in dessen heilige Hallen Anatolij eindringt, weil ihm die wichtigsten Informationen zu dieser ganzen Geschichte fehlen? Dass sein ehemaliger Schulfreund Alexander Komsomolzew irgendwie mit drin hängt, hat er schon herausgefunden. Aber wie? Wird hier eine alte Rechnung um Alexejs Frau Galina ausgetragen, die vor 13 Jahren in Magnitogorsk unter seltsamen Umständen ums Leben kam?
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Dass er das nur in Russland klären kann, dessen ist sich Anatolij sicher. Nur hat auch er wohl unterschätzt, in welche Gefahr er sich und seinen Sohn damit bringt. Sein Glück: Beide finden neue Freunde. Und Anatolij scheint eine Robustheit zu haben, die dem Leser den Atem nimmt. Hier wird nicht getrödelt, nicht gewartet und nicht gekleckert. Das kostet so manchen der Verfolger Gesundheit oder Leben. Und in Magnitogorsk, wohin sich die Handlung dann konsequenterweise verlagert, ist von vornherein klar, dass es nur – wie in spannenden Western – zu einem Showdown kommen kann, bei dem es ordentlich knallt und der rächende Vater am Ende dem eigentlichen Strippenzieher gegenüber steht.
Der dann noch ein paar andere Probleme hat. Eines zum Beispiel ist sein Sohn, den er mit gnadenloser Härte doch unbedingt zu genau so einem Tyrannen erziehen wollte, wie er selbst es ist. Das ist die stille, aber triste Wahrheit hinter dem Russland der heutigen Mogule: In ihnen lebt die stalinsche Grausamkeit fort, der rigide Anspruch, zu einem Funktionär ohne Gewissensbisse und menschliche Skrupel zu werden. Und dazu gehört dann auch – ganz Stalin – die konsequente Frage: Bist du auch bereit, deine Freunde zu verraten? – Biblisch waren die Dimensionen dieses nur scheinbar atheistischen Kults um Macht und Gewalt schon immer.
Auf Wiedersehen, Bastard!
Die Schlacht in Magnitogorsk
Tino Hemmann, Engelsdorfer Verlag 2013, 12,00 Euro
Schachweltmeister, die da versuchen, mit friedlichen Mitteln Änderungen herbeizudemonstrieren, haben da kaum eine Chance. Dass Alexeij ein anderes Kaliber ist, merken seine Gegenspieler schon. Auch wenn es meist zu spät ist. Denn wo die Gewalt regiert, kann sich ein Vater, der auch um seinen klugen, liebenswerten Sohn bangen muss, kein Pardon erlauben. Im fernen Magnitogorsk wird der Krimi endgültig zum Thriller. Es wird richtig viel Munition verbraucht. Auch der Tod von Galina wird endlich aufgeklärt. Während auch in Leipzig die Schrecknisse kein Ende nehmen wollen und Rattner und Katie durchaus eine wilde Fahrt der Gefühle mitmachen müssen, bis sie auch auf dieser Seite das Ende der Geschichte in die Hände bekommen.
Band 2 ist – wie Tino Hemmann verrät – gerade im Lektorat. “Die Stimmen von Moskau” soll er heißen. Und natürlich sind es wieder Anatolij und Fedor, die darin die Hauptrollen spielen.
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