Wer schon dicke Postkarten-Bücher über Leipzig macht, der kann sich auch mal mit dem anderen postalischen Druckgut beschäftigen: den Briefmarken. Auch auf diesen Winzig-Formaten wurde Leipzig in den letzten 150 Jahren, seit es postalische Wertzeichen gibt, bedacht. Öfter als andere. 375 Motive hat Thomas Nabert in diesem Büchlein versammelt.
Und das sind noch längst nicht alle Leipzig-Motive auf Briefmarken. Es sind nicht einmal alle, die in deutschen Landen gedruckt wurden. Leipzig-Motive aus anderen Ländern wurden gar nicht erst berücksichtigt. Die gibt es bestimmt, spätestens wenn die Leipziger Messe oder berühmte Leipziger wie Thomaskantor Johann Sebastian Bach ins Spiel kommen. Das Büchlein ist in Teamwork von Thomas und Andrea Nabert entstanden. Es werden nicht nur alle wichtigen Motive abgebildet und erläutert. Es gibt natürlich auch ein bisschen historischen Hintergrund.
Zum Beispiel zur Rolle der Verlagsstadt Leipzig bei der deutschen Briefmarkenproduktion. Auch wenn der Ruhm der ersten Briefmarke nach England geht, wo 1840 die “One Penny Black” gedruckt wurde, und die erste Briefmarke im deutschsprachigen Raum 1849 in Bayern erschien – der “Schwarze Einser”.Sachsen war schon im nächsten Jahr mit dabei mit dem mittlerweile legendären “Sachsendreier”. Und schon da spürt man den stillen Jubel von Thomas Nabert: Der wurde natürlich in Leipzig gedruckt – bei J. B. Hirschfeld am Neumarkt 29.
Auch wenn viele (staatliche) Druckaufträge später an andere Druckereien gingen, spielte eine Druckerei in der deutschen Briefmarkengeschichte immer wieder eine wichtige Rolle: das 1852 gegründete Typographische Kunst-Institut Giesecke & Devrient, das auch heute noch – nach etlichen Umbrüchen und Umbenennungen – in Leipzig zu Hause ist und neben anderen Wertpapieren auch weiter einen Großteil der Postbriefmarken druckt.
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Geändert haben sich im Lauf auch die Druckverfahren, wie Andrea Nabert in ihrem Beitrag zu diesem Thema erläutert. Sie ist für die zeithistorischen Ausflüge in diesem Büchlein verantwortlich und kümmert sich auch um wichtige Leipziger Briefmarkengestalter wie Erich Gruner (“Der Erfinder der Leipziger Messemarken”, Karl Wolf (“Der Mann, der Walter Ulbricht stach”) und Grit Fiedler, die derzeit erfolgreichste “Leipziger Briefmarkendesignerin”.
Der Leser erfährt Etliches zu den vielen, vielen Messemotiven. Natürlich war die Briefmarke immer auch ein gutes Werbemedium – für Leipziger Frühjahrs- und Herbstmessen oder auch für DDR-Produkte, die man auf diesen Messen gern verkaufen wollte. Wenn die Sache politisch nicht anecken sollte, wurde man bei der Motivauswahl ganz historisch und erzählte die ganze 500- oder 800-jährige Messegeschichte im Stil mittelalterlicher Kupferstiche. Aber auch die Massen-Sportveranstaltungen der DDR-Zeit wurden geradezu mit Motiven geschwemmt. Auch mit solchen kleinen Bildchen kann man den Mythos einer Sportstadt schaffen, auch wenn natürlich entsprechende Bauten bis heute zu den Marzipanstückchen der Leipziger Seelenlandschaft gehören – Zentralstadion, Radrennbahn, Schwimmhalle Mainzer Straße. Das Schwimmstadion ist ja verschwunden, die DHfK hat gründlich ihre Inhalte geändert.Das Durchblättern zeigt: Kritisches findet selten bis nie den Weg auf diese kleinen Marken. Man zeigt lieber die schönen und harmonischen Seiten, die die Kunst der Bildergestalter zumeist noch ein bisschen schöner gemacht. Jubiläen werden gewürdigt – wurden es in DDR-Zeiten (wie das Jubiläum der ersten Ferneisenbahn) genauso wie in neulichen Zeiten, als der 600. Geburtstag der Uni Leipzig genauso gewürdigt wurde wie das 500 Jahre alte Messeprivileg oder 100 Jahre Deutsche Bücherei.
Nur Staatsmänner aus Leipzig gibt es keine mehr. Walter Ulbricht, für den es augenscheinlich auch eine Trauer-Briefmarke gab, war tatsächlich der letzte.
Wenn mal wieder ein Leipzig-Motiv auf eine Marke kommt, gibt es ja in jüngerer Zeit immer wieder schöne Pressetermine – wie zum 200. Geburtstag Felix Mendelssohn Bartholdys oder den 20 Jahren “Friedliche Revolution”. Aber die Presse ist seit 1998, seit das Briefmonopol der Deutschen Post gefällt wurde, auch unter die Briefzusteller gegangen und gibt auch eigene Briefmarken heraus. So dass es nicht verblüfft, dass die Markenmotive der LVZ-Post in diesem Bändchen ebenfalls auftauchen und der Postzusteller der LVZ auch als freundlicher Unterstützer des Büchleins genannt wird. Was natürlich auch einen Kreis schließt, denn vor Einführung des Postmonopols für die Deutsche Reichspost im Jahr 1900 gab es auch in Leipzig mehrere private Zustelldienste, die auch eigene Wertzeichen herausgaben. Eine Briefmarke der “Lipsia-Post” eröffnet den Band – schön auf schwarzen Grund gesetzt wie alle Briefmarkenabbildungen, damit man die kleinen, schönen Motive auch genießen kann. Was man ja im Alltag eher nicht tut.
Leipzig zwischen Zähnen
Thomas Nabert, Pro Leipzig 2013, 13,00 Euro
Da reißt man sie vom Block, leckt ihnen die Rückseite, patscht sie auf den Brief und schmeißt den in den Kasten. Da geht es schlicht um Geschwindigkeit. Es gab mal Zeiten, da war die Post ein Synonym für Geschwindigkeit. Aber seit der Erfindung des Internets haben sich die Maßstäbe ein klein wenig verschoben.
Eher schreibt man heute einen Brief, wenn man das rasende Chaos im Kopf mal ein bisschen ausbremsen will. Dann braucht es natürlich eine besonders schöne Briefmarke, um das zu Papier Gebrachte mit Stil auf die Reise zu schicken.
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