Eine echte Leipziger Premiere findet am heutigen Montag, 13. Mai, in Köln statt. Der Leipziger Dichter Ralph Grüneberger, Vorsitzender der Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik, stellt dort die besten Film-Clips aus dem Gedichtfilm-Wettbewerb "Worte sind Boote" vor. Für die Rheinländer, die die L-IZ lesen, ist es natürlich ein kurzer Weg: Die Veranstaltung beginnt um 17 Uhr im Domforum Köln.
25 Filmemacher und Videokünstler aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Polen haben sich am ersten Gedichtfilm-Wettbewerb der Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik beteiligt. Die besten Filme werden in Anwesenheit einiger Preisträger, die mehrheitlich aus der Medienstadt Köln kommen, vorgestellt. Anschließend stellen sich Filmemacher und Initiator den Fragen des Publikums.
Die Idee zu dem Projekt war – wie eigentlich alle guten Ideen – ganz einfach. Man nehme eine CD mit Gedichten, die es schon gibt und die ein begabter Sprecher mit rollendem “R” eingesprochen hat, und lade Filmemacherinnen und Filmemacher ein, aus den Gedichten Videoclips zu machen. Der Sprecher ist kein anderer als Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, der die Gedichte von Franz Fühmann, Rose Ausländer, Erich Fried und so weiter 2011 für ein Benefiz-Hörbuch eingelesen hat. Die Musik dazu hat der Gitarrist Martin Hoepfner gemacht.
Und natürlich hat Burkhard Jung Stimme. Man merkt sofort, dass er wirklich ein ausgebildeter Pädagoge und Theologe ist. Die Leipziger haben es ja auch im Wahlkampf gemerkt. Der OBM spricht auch dann noch ruhig und mit wohligem Timbre zu seiner Gemeinde, wenn die Konkurrenz sich vor lauter Aufregung nicht mehr einkriegt. Das ist in der Politik ein ungemeines Plus und man wundert sich nur, warum so wenige Politiker sich wirklich Mühe geben, an ihrer Stimme und ihrem rhetorischen Auftreten zu arbeiten. Vielleicht haben sie alle die falschen Vorbilder. Und schauen zu viel in die Fernsehröhre.Statt sich ein Buch zu nehmen, drei Kieselsteine auf die Zunge zu legen wie der berühmte Demosthenes, und zu lesen. Laut und deutlich. Das können die Reden des Cicero sein oder Grimms Märchen. Oder Gedichte. Die zwingen zum langsamen Lesen. Denn dann entfalten sie sich erst. Dann und wann im bunten Getümmel der Fernsehsendungen tauchen auch noch solche lyrischen Momente auf. Dann werden die Stimmen der Sprecherinnen und Sprecher getragen, lassen sie Worte wirken. Als wäre auf einmal ein Schalter umgestellt zwischen den Welten – den Schnatterwelten und den Welten der nachdenklichen Erdung.
Aus dem Erlös des Hörbuchs konnten schon 3.000 Euro an Spenden für Kinder in Not aufgebracht werden. Einen ähnlichen Erfolg wünscht sich Ralph Grüneberger auch für die DVD, die die besten zwölf Clips aus dem Gedichtfilm-Wettbewerb enthält. Wobei es der Jury in diesem Fall keineswegs leicht gefallen sein dürfte, überhaupt eine Reihenfolge zu finden, denn die Filmsprachen der Teilnehmer sind so unterschiedlich, dass man sie nicht wirklich vergleichen kann. Manche haben die Gedichte auf ihre Weise neu eingelesen. Hauchzart zuweilen. Mädchen können das ja. Manchmal werden Animationen zum Träger der Geschichte, manchmal geraten die Clips zu regelrechten kleinen schauspielerischen Inszenierungen.
Denn wenn man Gedichte wirken lässt, tun sich natürlich Bildwelten auf. Die bei guten Gedichten nie wirklich festzunageln sind, auch wenn Lehrpläne in deutschen Schulen oft etwas anderes vermitteln. Gedichte sind Klang- und Bildräume. Und was da alles hineinpasst, das zeigen die Filmemacher auf dieser DVD. Wobei Filmemacher auch wieder das falsche Wort ist, denn mit dem üblichen Film-Business haben die Meisten gar nichts zu tun. Manche – wie Nina Jäckle – beschäftigen sich aber schon seit Jahren mit der filmischen Umsetzung von Gedichten. Und nicht nur der Münchnerin geht es so, dass sie ihre Liebe zu Gedichten mit richtiger Begeisterung in Bilder umsetzt.Im Bonusmaterial auf der DVD sieht man Nina Jäckle in München stehen und beinah launig über Gedichte und ihre Verfilmung erzählen, ihre Motivation und die vielleicht nicht ganz haltbare Behauptung, jeder Mensch kenne wenigstens ein Gedicht – aber bitte keins von Weihnachten. Dabei spricht sie ohne Scheu auch mal die Passanten an. Doch die reagieren wie die Leipziger Passanten. Mittlerweile lauern halt zu viele nervige Film-Teams auf den Straßen und wollen auf allerlei blöde Ereignisse ein Statement bekommen. Da zieht man lieber die Schultern hoch und eilt vorbei.
Wer kann denn ahnen, dass es diesmal um Gedichte geht?
Dabei kann selbst dieses Volk der abgefragten Passanten selbst zum Clip-Material werden – wie in Franziska Schmidts Clip zu “Die Nachbarin”. Da gerinnt das sowieso schon verstörende Ereignis der verschwundenen Nachbarin auf einmal zur Nachricht, die wiederum die Befragten auf der Straße in ihrer Verstörung zeigt. Ein alltäglicher Vorgang wird auf einmal zum verstörenden Wahrnehmen, wie schnell ein Teil unseres Alltags verschwinden kann – und erst wenn wir die Leere bemerken, stutzen wir. War da was?
Im Grunde bekommt man zwölf völlig verschiedene Handschriften zu sehen. Und da zwei Gedichte – “Die Nachbarin” und “Was alles in den Dingen steckt” – zwei Mal verfilmt wurden, kann man auch vergleichen, wie sich Gedichte verändern, wenn die Bildsprache sich ändert.
Einige Filmemacher spielen mit den unterschiedlichen Formen moderner Musikclips. Wobei die Musik immer nur Untermalung ist, Trägermedium für die Worte. Auch auf hektische Schnitte wird verzichtet. Was schon verblüfft in einer Welt, in der gerade die hektischen Schnitte und der drängende Sound dominieren. Fast hatte man ja schon das Gefühl, das müsse so sein – unsere Welt gerate immer mehr ins Rasen.
Tut sie aber nicht wirklich. Immer mehr klafft das auseinander. Dort diese von Quotenjägern umstellte Schar der Zugedröhnten.
Ein Poesiealbum und eine Lesetour: Gegen den Krieg
Die Buchmesse steht vor der Tür …
Lyrikgesellschaft im 20. Jahr: Ralph Grüneberger als Vorsitzender wiedergewählt
Unter dem Motto “Geschenke vor Weihnachten” …
Ohne Gepäck: Wenn Dichter reisen oder die kleinen Unschärferelationen in jedem Gedicht
Derzeit zerfetzen sich ja die selbsternannten …
Und draußen die eher Verwirrten, die nicht mehr gemeint sind, weil sie vom Mainstream nicht mehr erfasst werden. Leute, die Gedichte lesen, Filme produzieren, sich über das Sein und das Wahrnehmen Gedanken machen. Mit der DVD bekommt man im Grunde so eine Art sinnliches, kompaktes Film-Clip-Programm, das man einlegen kann, wenn man von den überschnappenden Darstellern des Tages die Nase mal wieder voll hat. Und dass man dabei selbst wieder Lust bekommt, irgendeinen Gedichtband aus dem Regal zu ziehen und einzutauchen in Sprache, die noch Ruhe und Schwere kennt, kann durchaus passieren. Gut dargebotene Lyrik regt an. Und fordert natürlich heraus.
Die DVD “Worte sind Boote. Die Top 12” ist in einer Auflage von 100 Exemplaren limitiert und kann für 20 Euro bei der Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik bestellt werden. 5 Euro davon gehen wieder in einen Spendentopf für gute Zwecke, 10 Euro sollen für den 2. Gedichtfilm-Wettbewerb der Lyrikgesellschaft angespart werden.
Bestellen kann man die DVD hier: www.lyrikgesellschaft.de
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