Die Frau als unvollkommenes, leidgeplagtes und zu therapierendes Wesen - dahinter steckt eine rein männliche Sicht. Oh, die Sache wird richtig groß, wo Sabine Hamm und Ursula Meiners in ihrem Buch "Wechseljahre" darauf zu sprechen kommen. Denn dahinter steckt die tradierte (westliche) Sicht auf den weiblichen Körper. Und das ist seit mehr als 2.000 Jahren eine patriarchalische Sicht: Frauen galten über Jahrhunderte nicht als selbstständige Wesen, hatten bestenfalls den Haushalt zu führen und waren ansonsten dazu da, den Nachwuchs zu gebären.
Liebe und Vertrauen spielten keine Rolle. Es ging ums Gehorchen und Funktionieren. Frauen, die aus dem Raster von Macht und Unterordnung fielen, gerieten in die Fänge von Moral und Justiz. Selbst die Kirche redete in Ehe und Partnerschaft hinein.
Und das Erschreckende ist: Trotz aller proklamierten Emanzipation hat sich daran nicht viel geändert. In vielen Familien werden die alten Muster von Anstand, Sitte, Unterordnung immer noch weitergegeben. Und nicht nur dort. Man muss nur den Fernseher anschalten, die Plakate auf den Straßen sehen oder die diversen Frauen-Zeitschriften aufschlagen – es schlägt einem ein Frauenbild entgegen, das sich rein funktional vom Mann her definiert: Frauen müssen schön sein, sexy, gesund, flirtbereit, jederzeit dem männlichen Auge wohlgefällig.
Eine ganze Schönheitsindustrie lebt von diesem künstlich erzeugten Wunsch der Frauen, den propagierten männlichen Schönheitsidealen zu genügen – von der Hautstraffung über die Busenvergrößerung, die Lippen-, Nasen- und Wangenkorrektur bis zum Fettabsaugen und natürlich der heilversprechenden Hormontherapie. Das alles ergänzt um einen auch von scheinbar seriösen Medien befeuerten Hype um Diäten, den “idealen Körper” und die “richtige Ernährung”.
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Natürlich sind Frauen dafür empfänglich. Jahrhunderte von gesellschaftlicher Normsetzung lösen sich ja nicht einfach auf, weil Alice Schwarzer die Emanzipation verkündet. Spätestens beim Eintritt von Frauen ins Berufsleben bekommen es Frauen in vielen Unternehmen mit den Borniertheiten der Männerwelt zu tun. Dazu braucht es nicht einmal Studien – aber die gibt es natürlich auch: Frauen, die jung, schön und sexy aussehen, bekommen den Job im Vorzimmer schneller als andere.
Natürlich sind immer mehr Frauen zum Arbeiten gezwungen. Das Ideal der schönen sorgenden Hausfrau daheim ist längst Geschichte. Es sind ja auch Männer, die gerade Frauen als “Bollwerk” zur Durchsetzung von Niedriglöhnen in immer mehr Branchen benutzt haben. Familiengründungen sind für die meisten jungen Leute gar nicht mehr möglich, wenn nicht beide Partner arbeiten. Und das heißt für Frauen nicht nur, das männliche Schönheitsideal zu bedienen, wenn sie auf der “Karriereleiter” voran kommen wollen – es heißt auch, die männlich geprägten Leistungsparameter zu erfüllen. Was eben auch bedeutet: jederzeit flexibel und einsatzbereit zu sein.
Auch da “stören” die weiblichen “Störungen” – vom Kinderkriegen bis hin zu den Unpässlichkeiten in den Wechseljahren. Viele Frauen, so wissen es Hamm und Meiners auch aus ihrer eigenen Arbeit, sind auch deshalb zur Hormontherapie bereit, weil die Spritze eine schnelle Linderung ihrer Leiden verspricht. Das ist oft sogar tatsächlich der Fall. Freilich – siehe oben – mit den langfristigen negativen Folgen.Und die “schnelle Spritze” verhindert auch, dass sich Frau wie Mann mit der Verwandlung des weiblichen Körpers in den Wechseljahren beschäftigen muss. Die Leiden sind ja gelindert. Aber Frauen sind dadurch auch wieder fremdbestimmt. Die Symptome der Wechseljahre erzählen ja nicht von einer Krankheit. Sie signalisieren, dass ein ganz natürlicher Wechsel ansteht, den es zu leben und zu begleiten gilt. Der weibliche Körper nimmt ganz physisch Abschied von der Möglichkeit, Kinder zu kriegen.
Und wo eine Hormonspritze “alles klärt”, müssen auch weder Arzt noch Patientin groß darüber nachdenken, ob es nicht das konkrete Stresserleben selbst ist, das die Symptome verschärft. Denn wenn eine Frau keine Zeit hat, in so einer Umstellungsphase auch mal Auszeiten zu nehmen, sich zu erholen, auch mal im Beruf kürzer zu treten, was ja in der schönen neuen Arbeitswelt fast schon das “Aus” bedeutet, dann spricht sich in vielen Symptomen auch das aus. Dann wird der fehlende Schlaf zum Problem und das Selbstwertgefühl gerät in Bedrängnis.
Steht alles in dem Buch. Viele Frauen werden sich darin wiederfinden. Und werden auch die Botschaft verstehen: Es ist ihr Körper und ihr Leben, um die es geht. Und sie haben das Recht, auf ihren Körper zu hören und den Prozess der Wechseljahre selbstbewusst und selbstbestimmt zu gestalten. Dass es viele nicht tun, rechnen die beiden Autorinnen auch der abgebrochenen Kommunikation zwischen den Generationen zu. Ältere Frauen vermitteln ihr Wissen und ihre Erfahrungen nicht mehr selbstverständlich an die Jüngeren. Den Platz nehmen die “Götter in Weiß” ein – die Hoffnung, dass die Ärztin oder der Arzt die “schnelle Lösung” für das Problem wissen und parat haben, treibt augenscheinlich viele Frauen in die Praxen. Und sie lassen sich dort, um ja weiter gut zu funktionieren, widerspruchslos medikamentisieren.
Wechseljahre: Abschied und Neubeginn
Sabine Hamm; Ulrike Meiners, Buchverlag für die Frau 2013, 14,90 Euro
Dabei liegt auch im Fall der Wechseljahre Vieles in ihrer Hand – die Autorinnen geben viele nützliche Tipps, was frau da tun kann. Und die Tipps kommen einem doch sehr vertraut vor. Das reicht von der gesünderen Ernährung über das Thema mehr Bewegung bis hin zum Erlernen von mehr Gelassenheit. Denn wirklich Stress machen nur die männlich geprägten Erwartungen vom Funktionierenmüssen und vom Schönseinmüssen der Frau. Man sieht recht schnell: Hinter dem Thema steckt die ganze noch nicht wirklich vollzogene Emanzipation.
Übrigens die Emanzipation beider Geschlechter. Die Frauen haben nur den Vorteil, dass sie eigentlich wissen, dass ihr Weg bis zur völligen Emanzipation noch lang ist. Die Männer haben noch nicht einmal damit begonnen.
Und deswegen nehmen wir ein Thema aus diesem Buch sogar extra heraus: das Liebesleben. Das behandeln wir in Kürze an dieser Stelle ganz für sich.
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