Was kann einen an diesem 64.000-Einwohner-Städtchen eigentlich reizen? Vielleicht das Unfertige, das auch bayerische Kleinstädte heute ausmacht. Die Karawane ist weitergezogen, die Entwicklung hat sich beruhigt. Die großen Zeiten sind lange her. Immerhin war Landshut ja mal Residenzstadt des Herzogtums Landshut. Lang ist das her. Sogar einen Erbfolgekrieg hat das kleine Herzogtum erlebt, bevor es wieder Teil des großen Bayerns wurde.
Doch natürlich hat die Zeit der Eigenständigkeit die Stadt auch geprägt. Den Namen hat sie übrigens von der Burg, die Ludwig der Kelheimer 1204 gründete, nachdem er die Trutzburg des Bischofs von Regensburg, die Straßburg, die zehn Kilometer flussabwärts der Isar lag, zerstört hatte. Die Burg kontrollierte den so wichtigen Handelsweg samt Übergang über die Isar. Das ganze so gern verfinsterte Mittelalter war wesentlich moderner, als es heutzutage mancher Roman zu erzählen wagt. Und die Feudalherren, die sich scheinbar um Burgen, Herzogtümer und Landstriche balgten, dachten in der Regel ökonomisch. Wer die Handelswege kontrolliert, bekommt das Geld. Anders ist Leipzig auch nicht wichtig geworden.Seine Burg nannte Ludwig Landshut. Sie sollte ja das Land, die Handelsstraße und den Übergang über die Isar hüten. Die Siedlung gründete sich augenscheinlich erst später zu Füßen der Burg. Wer sich das Straßenbild anschaut, findet es fast hanseatisch – die Giebel zur Straße gekehrt. Unübersehbar die starke Rolle des Handelsbürgertums. Das baute sich solche Straßen und Plätze. Jedes Haus eine Visitenkarte: Hier wohnte das Geld.
Die Burg trägt heute den Namen Trausnitz, wurde auch mehrfach umgebaut, insbesondere, als sie zum Sitz der diversen Herzöge wurde. Einer wurde, weil er aus dem Geerbten das Beste machte, dann auch der Reiche genannt: Herzog der Reiche. Seine Hochzeit mit der polnischen Königstochter Hedwig gehört noch heute zum stolzen Erinnerungsbestand der Stadt. Vielleicht steckt es tief in den Menschen, diese Lust auf gute Unterhaltung und den Glanz des Reichtums. So entstehen Märchen. Auch wenn dahinter simple Geschäftspolitik steht.
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So ist Landshut heute immer noch beides – eine besichtigenswerte ehemalige Residenzstadt (auch mit einer sehenswerten Stadtresidenz, die das Flair Italiens aufgenommen hat) und eine alte Handelsstadt mit großen Speichergebäuden (wie dem Rottenkolberstadl, das heute ein Theater beherbergt, oder dem Salzstadl, das heute die Stadtbibliothek beinhaltet) und natürlich dem Quai an der Isar und dem eindrucksvollen Ländtor. Heute ist die einstige Schauseite an der Isar eine Promenade, an der man des Herzogs Badstube stehen sieht, einige Cafés findet und im alten Röcklturm eine Ausstellung.
Da ist man eigentlich fast herum mit dem Ein-Tages-Spaziergang, den Kristina Kogel für Landshut zusammengestellt hat. Wenn man herum ist. Es ist wie so oft: Natürlich kann man so ein Städtchen im Galopp an einem Tag in 29 Stationen abjagen. Aber es sind immer auch etliche darunter, wo sich der Eintritt lohnt – im Fall von Landshut (wir sind ja in Bayern) eben auch etliche Kirchen, Spitäler, Kapellen und Klöster. Aber unter Nummer 21 trifft man auch auf ein ordentliches Stück faszinierend rekonstruierter Stadtmauer. Das sieht man selbst in Städten eher selten, die ihre alten Mauerringe noch besitzen. Denn verschwunden sind dort in der Regel die hölzernen überdachten Wehrgänge und die Einbauten der Türme. Man steht dort für gewöhnlich vor nackten Mauern und fragt sich, wie die Leute da hoch kamen, wenn man die Feinde anrücken sah. In Landshut sieht man es. Aber die Landshuter haben das Stück Mauer auch gleich noch als Museum genutzt. Hier werden die Arbeiten des Bildhauers Fritz Koenig gezeigt.Der Landshut-Besucher steht also auch immer vor der Entscheidung, auch noch die ein oder andere interessante Ausstellung mitzunehmen. Da kann ein einziger Tag recht schnell recht ungemütlich werden. Aber so sollte man ja nicht reisen. Auch nicht im schönen Bayern. Ein Stück weiter kommt man in die Neustadt, etwas, was die erfolgreicheren deutschen Städte alle mal gehabt haben, weil die zur Stadt erhobenen Gründungen über die ersten Stadtmauern hinauswuchsen. Das ist übriges auch in Leipzig so passiert, nachdem die Gründung um den Nikolaikirchhof sehr schnell zu eng wurde. Da legte man dann eine Neustadt mit Neumarkt an. Den Neumarkt gibt es noch.
In Landshut kann man die Neustadt erlaufen – der dazugehörige Marktplatz, der heute gern für Wochenmärkte genutzt wird, heißt auch so. Auch hier stehen die stolzen Bürgerhäuser und Gasthöfe. Hier findet man eine kleine Erinnerung daran, dass Landshut auch mal Universitätsstadt war – bevor die Uni nach München umzog. Was übrigens auch dafür sorgte, dass hier ein paar berühmte Köpfe der deutschen Geistesgeschichte lebten – Ludwig Feuerbach zum Beispiel, der Philosoph, mit dem sich unter anderem die Herren Karl Marx, Friedrich Nietzsche und Max Stirner (siehe: Bayreuth) aber auch ein Bursche namens Richard Wagner intensiver beschäftigten.
In der Neustadt wohnte aber auch Karl Savigny, wohl der berühmteste Jurist des frühen 19. Jahrhunderts, der mit Kunigunde Brentano verheiratet war, der Schwester der berühmten Bettina aus Berlin. Manchmal ist die Welt ganz klein. Aber ein Erholungsstündchen an der Isar kann man natürlich nur empfehlen, denn danach geht die Tour hinauf zur Burg, die man jedoch nur in geführten Besichtigungen erkunden kann. In der sonnigeren Jahreszeit sollte man spätestens 17 Uhr oben auf dem Burgberg sein, sonst kommt man nicht mehr rein.
Landshut an einem Tag
Kristina Kogel, Lehmstedt Verlag 2013, 4,95 Euro
Dafür findet man im handlichen Stadtführer einen schönen Hinweis auf einen gewissen Gottfried (Götz) von Berlichingen, berühmt geworden durch Goethes beliebtes Drama mit dem noch beliebteren Spruch. Der Ritter verlor seine berühmte Hand just im Landshuter Erbfolgekrieg im Juni 1501, ließ sich dann eine Prothese fertigen und beteiligte sich auch noch die restlichen 57 Jahre fleißig an allerlei Fehden und Raufhändeln.
1568 bis 1579 residierte noch der spätere bayerische Herzog Wilhelm V. mit seiner Gemahlin Renata von Lothringen auf Burg Trausnitz. Er verwandelte die Burg in einen “Musenhof”. Nach dem Tod seines Vaters aber wechselte er nach München und wurde zum Parteigänger der Gegenreformation und der Jesuiten. Landshut verfiel seitdem in Dornröschenschlaf. Und darin ist es irgendwie heute noch gefangen.
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