Die Wahl Udo Voigts zum NPD-Bundesvorsitzenden 1996 stellt eine Zäsur dar, wie sie die Splitterpartei bis dato nicht erlebt hatte. Voigt trieb den Wandel von einer nationalkonservativen Splitterpartei hin zu einer sozialrevolutionären Wahlalternative massiv voran. Gleichsam gelang dem heute 60-Jährigen das Kunststück, manche der radikalen Kameradschaftsgänger unter dem Dach der Partei zu vereinen. Der Politikwissenschaftler Marc Brandstetter hat das Wirken Voigts erforscht.
Seine Dissertation aus dem Jahr 2010, die im Spätwinter in leicht aktualisierter Fassung endlich den Weg in die Bücherregale gefunden hat, zeichnet das Bild einer demokratiefeindlichen Rechtsaußenpartei. Brandstetters These: Die Voigt-NPD hat, im Gegensatz zur nationalkonservativen Partei der 60er-Jahre, nicht den Hauch einer Chance, über das rechtsextreme Lager hinaus Anschluss zu finden. Dies manifestiere sich in der breiten gesellschaftlichen Ächtung der Neonazis. So würden in Parlamenten etwa sämtliche Initiativen der Antidemokraten abschlägig beschieden.
Mit beeindruckender Präzision analysiert Brandstetter Historie, Ideologie und Strategie der NPD. Seine Untersuchungen dürften in den Folgejahren Journalisten, Wissenschaftler und anderen Interessierten als Basis für eigene Arbeiten dienen. Eindrucksvoll legt der Verfasser dar, warum von der Partei aus seiner Perspektive keine reale Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgeht. Über dieses Fazit ließe sich gewiss streiten. So fokussiert sich Brandstetter in seinem Fazit zu sehr auf die (realistisch nicht vorhandene) Gefahr einer Machtübernahme.
Die NPD unter Udo Voigt
Marc Brandstetter, Nomos Verlag 2013, 59,00 Euro
Er ignoriert aber weitestgehend, dass das Grundgesetz allen Bürgern das Recht auf körperliche Unversehrtheit zuspricht. Die NPD-Funktionäre mögen sich zwar gebetsmühlenartig von Gewalt distanzieren. Dies ändert nichts an dem Umstand, dass viele von ihnen wegen Gewaltdelikten vorbestraft sind. Weiterhin gilt zu berücksichtigen, dass die Partei als Ideologie-Fabrik Stichwortergeber für braune Schlägertrupps sein kann. Linken Lesern dürfte obendrein unangenehm aufstoßen, dass der Autor bedingungslos der Extremismus-Doktrin seines Doktorvaters Eckhard Jesse (TU Chemnitz) folgt.
Dennoch gilt: In Diskursen über die Ausrichtung der Neonazi-Partei führt an Brandstetter künftig kein Weg mehr vorbei. Denn seine Arbeit eignet sich vortrefflich als kleines NPD-Lexikon. Abschreckend auf den ersten Blick ist der Kaufpreis: Stolze 59 Euro sind gewiss kein Pappenstiel. Allerdings ist das Geld gut angelegt. Eine vergleichbare Studie suchte man bislang vergebens.
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