Rüschen, Spitzen, Häkelmuster - das Kunststricken ist uralt. Wahrscheinlich beherrschten es schon die Frauen jener Stämme, die vor 1.500 bis 2.000 Jahren in Mitteldeutschland siedelten. Zwei Stricknadeln aus einem Thüringer Frauengrab um 300 deuten darauf hin. Vielleicht mussten die Frauen in diesen rauen Landen gar nicht bis zur Renaissance warten, bis die (Spitzen-)Strickkunst über Italien wieder importiert wurde.
Bodenfunde, die mehr verraten, werden aufgrund der verwendeten Materialien natürlich selten bleiben. Aber eigentlich darf man sicher sein: Frauen waren auch in den dunklen Vorzeiten (die nur uns so dunkel vorkommen) ganz bestimmt emsig dabei, aus den natürlichen Materialien ihrer Umgebung stets etwas Zauberhaftes zu gestalten. Und wenn die Männer schon nicht hinschauten, weil ihnen der Nerv dafür fehlt, dann konnten sie immer sicher sein: Frauen gucken immer hin. Frauen sind Profis, wenn es um das extravagante Extra geht, den kostbaren Saum, das filigrane Gespinst, das aus einem einfachen Kleid ein Festkleid macht, aus der Freude am Verkleiden auch noch die Freude am Bewundertwerden.Frauen wollen bewundert werden. Um das zu erfahren, muss man keinen Frauenroman lesen. Hingucken genügt schon. Nicht nur auf Auge und Mund. Auch mal auf Schal und Handschuh, Täschchen und Mütze. Frauen kommen da schneller auf die Idee zu fragen: Selbst gemacht? – Männer haben da natürlich die berechtigte Furcht, dass es dann ans Eingemachte geht und sie jetzt über Zwei-Links, Zwei-Rechts, die Wahl des richtigen Garns, den idealen Laden, wo man es bekommt, Umhäkeln, Randspitze, Maschen und Reihen reden müssten. Müssen sie wahrscheinlich nicht, weil Frauen ja wissen, dass Männer sich mit der geduldigen Kunst des Strickens nur im Ausnahmefall beschäftigen.
Aber die Gefahr besteht schon. Da druckst mann lieber und belässt es, wenn er sich traut, bei einem “Zauberhaft siehst du aus.”
Frauen wollen bewundert werden.
Und Frauen sind bewundernswert geduldig. Denn Stricken ist eine zeitraubende Angelegenheit. Wenn man das als zeitraubend bezeichnen kann, dieses geduldige Reihen einer Masche an die andere, nach lückenlos vorausgeplantem Ablauf. Rechts, links, man staunt nur, wie sie das hinbekommen, mal rund, mal eckig, mal mit dichten Maschen, mal mit weiten, dann die ganzen komplizierten Stellen am Hals, am Arm, an der Ferse, zwischen den Fingern, mit dünnem Garn, mit dicker Wolle, mit unterschiedlichen Farben.
Klar. Es gibt Strickmusterbögen. Und erstaunlicherweise war es ein Mann namens Herbert Niebling, der im letzten Jahrhundert die Strickschrift erfand – die kein Mann lesen kann, die aber Millionen aufmerksamen Frauen verrät, ob sie nun rechts, links oder um die Ecke stricken müssen. Wohl auch denen, die gerade anfangen, das Stricken als Hobby für sich zu entdecken. Vorn in diesem Buch gibt es eine kleine Einführung in das Strickalphabet. Und natürlich ein paar kurze Worte zur Geschichte des Strickens. Und dann legt die Autorin los, die sich selbst – wie sie verrät – von alten Mustern inspirieren ließ.Denn – siehe oben – Oma und Uroma waren auch mal junge Frauen, die bewundert werden wollten. Und wer glänzen wollte, konnte mit kleinen, selbstgestrickten Dingen die nötige Aufmerksamkeit (oder jede Menge Neid) erzeugen. Aber wer auf alten Fotografien sucht, sieht all diese selbstgestrickten Dinge auch in der guten Stube – als Kissenüberzug, als festliche Tischdeckchen, als Untersetzer, als Borte. Selbst das Gewürzregal hat ein selbstgestricktes Kleidchen, passend zum Zwiebelmuster.
Carmen Krüger hat im wesentlichen lauter recht einfache Strickbeispiele versammelt. Kleine Punkte am Seitenrand geben den Schwierigkeitsgrad an. Wobei das wohl der weibliche Schwierigkeitsgrad ist. Ein roter Stern (Weihnachten!), an dem man zehn Stunden lang bosselt – das übersteigt in der Regel die Geduld jedes Mannes. Auch wenn er sonst ohne Probleme zehn Stunden am Stück an einem Streichholzschiff bauen kann. Aber man begreift zumindest, dass auch in so einem kleinen Babydeckchen eine Menge Arbeit und ganz viel Liebe steckt. 40 Stunden. Das nennt man wohl beschäftigt sein.
Spitzenstricken
Carmen Krüger, Buchverlag für die Frau 2012, 9,90 Euro
Vielleicht sollte man den Schönen tatsächlich einfach solche schönen schmalen Bücher schenken, Nadeln dazu – dürfen ruhig die besten sein – und jede Menge Wolle in allen Farben, Garn in verschiedenen Stärken. Und schon kommt die Schöne gar nicht mehr dazu, das sauer verdiente Geld bei Shopping-Ausflügen auszugeben. Sie kommt gar nicht mehr zum Shopping. Sie bleibt hübsch da, wo man sie so schön bewundern kann – und die Wohnung füllt sich mit lauter bezaubernden Dingen.
Wäre ja zu überlegen. Und wenn man die Schöne dann mitnimmt zum Schwoof, kann man sicher sein, dass nicht nur ihre schönen Augen bewundert werden, sondern auch allerlei Dinge, in denen ihre Meisterschaft unübersehbar ist. Zumindest für Frauenaugen.
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