Es wird wieder Zeit. Einfach den Rucksack zu schnappen, den Korb oder die Kiepe. Im Frühjahr geht's los mit Keimlingen, zarten Blättern und Knospen. Im Sommer und Herbst ist ganz große Erntezeit für Früchte aller Art. Und zum Wiederentdecken der Welt, die uns umgibt da draußen - vor den Mauern der Stadt.
Es ist die Welt, in der unsere Vorfahren im Grunde bis vor 100 Jahren lebten – eine Welt der Sträucher und Bäume in Garten, Wald und Wiesenflur. Manches steht noch, wächst einfach so wild vor sich hin. Manches davon der ferne Verwandte von Kulturfrüchten, die heute industriell angebaut werden. Manches aber auch einfach vergessen, weil eine überbordende Werbung das Heil aus dem Supermarktregal versprach. Die Arzneimittelkonzerne waren die zweiten, die begriffen, welche Reichtum an Gesundem und Heilendem da wild wuchs. Pflanze um Pflanze wird heute in den Laboren untersucht auf ihre Inhaltsstoffe hin.
Dabei steht dieser Reichtum (noch) jedem offen, der sich wieder beschäftigt mit den Früchten von Eiche, Birke und Eberesche, Vogelkirsche, Linde und Wacholder, dem Saft der Birke der Frucht der Berberitze.
Carola Ruff, die sich mit den essbaren Dingen da draußen in unserer heimischen Natur schon mehrfach beschäftigt hat, hat in diesem Buch die Gaben von Baum und Strauch versammelt – zumindest von zehn solcher Gewächse, die noch vor gar nicht so langer Zeit auch oft im eigenen (Bauern-)Garten standen, aber noch zu finden sind, wo die Landschaft nicht zu Monokulturen planiert wurde. Sie porträtiert die Bäume, Sträucher und ihre Früchte und erzählt natürlich, wann was davon zu sammeln ist. Wer sich allein daran hält, kommt auf eine Menge spannender Ausflüge in die grüne Natur in diesem Jahr. Außerdem kann sie auch erzählen, was unsere Vorfahren nur ahnten, die Chemiker aber mittlerweile alle nachgewiesen haben an Inhaltsstoffen.
Und mancher wir dabei merken, dass er auf die teuren Vitamin-Versprechungen aus dem Supermarkt sogar verzichten kann: Das da draußen ist oft wesentlich inhaltsreicher, gesünder sowieso. Und man kann eine Menge damit anstellen, es in Tees und Essig verwandeln, in Dipps und Konfitüren – sogar backen kann man damit, Öl draus bereiten. Man lernt Hägenmark und Latwerge (wieder) kennen, lernt es in Suppen, Soßen und Konfekt zu verwandeln. Der größere Teil des Büchleins ist wieder mit solchen Rezepten gefüllt. Und man stolpert auch nur kurz über den Punkt, an dem die Autorin erwähnt, dass Mancher vielleicht noch ungute Erinnerungen dabei haben könnte an den letzten Krieg, als wieder Eichelkaffee gekocht werden musste, zum Beispiel.
Kleiner Einblick in einstige Küchenkultur: Essen wie im Mittelalter
Keine Kartoffeln, kein Mais, keine Tomaten …
Vitaminbomben zum Selbersammeln: Essen von der Wiese
Es grünt wieder. Es blüht wieder …
Gesunde Frucht, klein und kompakt: Apfelbüchlein
Iss täglich einen Apfel …
Aber die andere Facette dabei ist: Hätten unsere Groß- und Urgroßeltern die Hungerzeiten der beiden dämlichsten aller Kriege überhaupt überlebt, wenn das Wissen um die reichhaltigen Gaben der Natur schon ausgestorben gewesen wäre? Würden wir heute eine Notzeit überhaupt noch überstehen können, wo wir so derart wenig wissen über den essbaren Reichtum unserer Fluren? – Wir würden wohl elendiglich zugrunde gehen. Vielleicht nicht an Hunger. Wir sind ja an allerlei gewöhnt, was wir in uns hineinstopfen, kilotütenweise.
Aber wir wissen nicht mehr, wo wir die einzelnen Vitamine und Mineralien finden, die unser Körper braucht. Wir würden dumm vorm Strauch stehen und trotzdem krank werden.
Es sind Lernbüchlein im besten Sinn, die der Buchverlag für die Frau mittlerweile in Serie produziert. Und jedes Neue trägt den Keim fürs nächste in sich. Denn tatsächlich ist der Reichtum unserer Landschaft (fast) unerschöpflich – nur dass wir diese Landschaft mittlerweile planieren, als gelte es eine Wüste draus zu machen. Und wo einer innehält und mahnt, man müsse doch Bachraine, Auwälder, Waldinseln, Feldraine und Obstalleen und Bauerngärten und Fallobstwiesen bewahren, da ist seine Mahnung so schnell vergessen wie der letzte Vorsatz fürs neue Jahr. Wir bezahlen aber längst dafür – nicht nur mit dem Aussterben von Vögeln und Säugetieren – auch mit dem Verschwinden wertvoller Pflanzen, über deren unbezahlbare Nützlichkeit einige unserer klugen Vorfahren noch vieles wussten.
Essbares von Bäumen & Sträuchern
Carola Ruff, Buchverlag für die Frau 2012, 5,00 Euro
Das gilt es wiederzuentdecken. Und mancher wird dabei merken, dass das Eckchen Erde, auf dem er lebt, ein reiches und abenteuerliches ist. Das man dazu nicht zum Trekking in den Himalaya muss. Die wirklichen Abenteuer, die auch ein Innehalten erlauben, liegen gleich nebenan. Und wenn man im Frühjahr Leute mit Körben und einem Sack voller kleiner Bücher ins Grüne wandern sieht, dann kann man sicher sein, das eine gute Idee ihre Freunde gefunden hat.
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