Auch der zweite Teil von Stephan Sareks Truthuhnparadies ist jetzt als Taschenbuch im Leipziger fhl Verlag erschienen. Ein Truthuhn schaut den Betrachter skeptisch vom Cover an. Es kommt zumindest kurz drin vor - dann kommt's abhanden. Denn nachdem Björn und Maria schon im ersten Teil arg in die Klemme geraten waren, geht's nach ihrer Rückkehr in den Prenzlauer Berg munter weiter. Comedy nonstop.

Man wundert sich eigentlich, dass es dieses Extra-Regal in den Buchhandlungen nicht gibt, sauber aufgestellt zwischen Satire und Belletristik. Gesponsert vom Öffentlich-Rechtlichen, denn wer mit den Familienfilmen von ZDF, ORF und ARD aufgewachsen ist (und darin zu diesem Weihnachtsfest wieder regelrecht ersäuft), der wird sich hier in heimatlichen Gefilden wiederfinden, in jenem Land, das es eigentlich nur in verfilmter Version gibt – dem Land der verkleideten Prinzen, der taffen Aschenbrödel, der freundlichen Polizisten, emanzipierten Mütter und Filmdrehs in schmucken Villen.Eigentlich kann man Sareks Romane als Persiflage auf all diese Heile-Welt-Filme lesen. Immerhin glaubt Björn felsenfest daran, dass Truthühner Außerirdische sind, die von der Regierung gejagt werden. Im ersten Teil der Geschichte war er verstrickt in eine große Truthuhn-Befreiungsaktion. Vorher hat er mit seiner Nachbarin Maria zusammen versucht, eine Bank auszurauben. Nur waren ein paar andere Ganoven schneller. Und trotzdem landet die junge nicht-schwangere Dame auf einem Fahndungsplakat der Polizei, die nun im zweiten Teil gleich mehrfach an der Tür klingelt, jedes Mal aus einem anderen Grund. Wenn die Berliner Polizei tatsächlich so viel Personal hat, dürfte die Verbrechensrate dort mittlerweile im Negativen sein.

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Aber man kennt das ja aus all diesen auf Speed und Fröhlichkeit getrimmten Fernsehfilmen, die man mit leicht abgewandelten Texten auch gleich als Comedy-Clip verarbeiten könnte – es ist die Welt der Lustspiele, die sich mit den wirklichen Abenteuern, Sorgen und Verwirrungen der Menschen im Lande gar nicht erst aufhalten. So wenig wie sich Björn und Maria mit derlei Dingen aufhalten. Von jener Panik getrieben, die im TV die beiden Achjemine-Verliebten für die nächsten zwei Stunden heillos in die Irre jagen lässt ergreifen die beiden jungen Leute die Flucht, lassen sich auf die Zuflucht in einer protzigen Villa in Zehlendorf ein, versuchen Björns Truthuhn wiederzubekommen und begegnen einer schrägen Type, die jenes seltsame Buch verzapft hat, aus dem Björn seine Lebensweisheiten bezieht.

Der Bursche ist selbst eine verkrachte Gestalt, versucht sich an einem Selbstmord, der sich noch im Nachhall in eine glitzernde Kurz-Karriere als schräger Vogel im Privat-TV verwandelt. Man merkt schon, dass Sarek so einige Dinge auf dem Kieker hat, die irgendwie zur Normalausstattung dieses Landes gehören. Jedenfalls dann, wenn man brav seine Fernseh-Steuer entrichtet und sich Abend für Abend auf das einlässt, was Regisseure, Programmgestalter und Filmförderer in diesem Land für normal halten.Natürlich schreibt Sarek so, dass seine Story ohne Probleme genau nach diesem Schema verfilmt werden könnte. Eine närrische Szene jagt die andere. Selbst die Polizisten, die zur Überwachung in einem Busch hocken, fehlen nicht. Genauso wenig wie eine wilde Jagd zum Flughafen, um eine zur Abschiebung eskortierte Afrikanerin noch im letzten Moment zu retten. Ob dabei ein lautes “Asyl!”-Rufen reicht, die Abschiebe-Eskorte zum Einhalten zu bringen, das kann man wohl bezweifeln.

Aber wie gesagt: deutsches Familien-TV gehorcht anderen Regeln. Da gelten Gesetze, nach denen man sich in der nichtverfilmten Wirklichkeit wohl besser nicht richtet. Fragt man sich natürlich: Wie kommt einer wie Stephan Sarek dazu, diesen Klamauk so ernsthaft in eine Comedy-Jugend-Buchserie zu verwandeln? Haben ihn die Leute von der GEZ zu sehr geplagt? Oder wurde er in einem geheimen Experiment zum Dauer-Fernsehgucken verdammt und durfte den Sender nicht wechseln?

Wikipedia verrät: “Nach seiner kaufmännischen Lehre arbeitete Stephan Sarek als Feuerwehrmann, Landschaftsgärtner, Sanitäter, Seefunker und Komparse in 250 Filmen und Fernsehserien …” Da weiß man’s dann. Und hat so eine Ahnung, dass sich der Autor nicht im zölibatären Björn porträtiert hat, sondern in jenem skurrilen Hans-Ullrich Brandtner, dem Maria und Björn in diesem Buch über den Weg laufen und der sich – vor seinem ganz großen Auftritt als Außerirdischer – ein paar Kröten beim TV als Stativverdecker verdient hat. Und er hat unter dem Pseudonym Klostermann jene Schwarte verfasst, die anderen Leuten Tipps fürs Leben gibt.

Stephan Sarek wird wohl auch mit dieser Art Lebenshilfe aus deutschen Buchhandlungen seine Erfahrungen gemacht haben.

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African Tango
Stephan Sarek, fhl Verlag Leipzig 2012, 11,95 Euro

Wer nun freilich dummerweise so ein Lebenshilfe-Buch als Weihnachtsgeschenk gekauft haben sollte, könnte jetzt ein paar Selbstzweifel bekommen. War das tatsächlich ein guter Gedanke? – Misstraut den Ratgebern, kann man eigentlich nur sagen.

Und den Erzählungen der Erwachsenen, wie sie zu ihren Kindern gekommen sind, sowieso. Es könnte sein, dahinter steckt ein genauso großer Schwindel. Am Ende erfährt man natürlich auch, woher das Mischlingsbaby kommt und warum es Tango heißt und wie man beim Tanzen zum Vater werden kann.

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