Froschgrün sind die Bücher der Saison. Oder Rosa. Oder Orange. Leuchtfarben sind die Farben für die Bücher, die man auch mit Tequila im Kopf und Partymusik im Hintergrund lesen kann. Der Verlag verweist auf die Schnellverkäuflichen von Tommy Jaud - "Hummeldumm" ist einer seiner Titel. Und in dieser Ecke ist auch "Bananas" von Ingolf Kloss angesiedelt.
Ingolf Kloss ist Seiteneinsteiger, was das Metier der Bücher angeht. Im sonstigen Leben ist er Musikredakteur und fest angestellter Moderator bei Radio SAW. Über die Formulierung werden sich künftige Generationen den Kopf zerbrechen: Warum betont die Kurzbiographie im Buch das “fest angestellt”? Im Zeitkontext wird das klar: Radio-Leute sind heute nicht einmal mehr beim Öffentlich-Rechtlichen in der Mehrzahl fest angestellt. Sie gehören zum großen Heer der prekär Beschäftigten, kriegen hier mal ein Projekt, dort mal einen Auftrag, jobben gern auch mal für Nasse und leben so exemplarisch das Leben von tausenden jungen Leuten – nicht nur in Mitteldeutschland – die zwar studiert haben und von einer tollen Karriere im Bereich “irgendwas mit Medien” träumen, aber den Einstieg nicht finden ins ernsthafte und ernst genommene Berufsleben.
In einer Welt, in der es nur noch um Content geht, nicht mehr um Professionalität, ist der einzelne Träumer natürlich nicht allzu viel wert. Und so leben auch die Helden, die sich Ingolf Kloss ausgedacht hat, in einer Endlosschleife des nicht Erwachsenwerdens. Sascha und Manni sind beide längst über 30, studieren noch irgendwie an einer Fern-Uni, sind in eine Männer-WG in Leipzig zusammen gezogen und verdienen sich das Nötigste bei den verfügbaren Jugendmedien der Region – der eine (Manni) als Moderator bei einem Radiosender. Doch erstaunlicherweise ist das nicht die Rolle, in die Ingolf Kloss (39) geschlüpft ist. Sein Roman-Ich ist Sascha, der für ein schrilles Leipziger Stadtmagazin namens “Pool” arbeitet und am liebsten über all die bunten Pop-Sternchen und Stars schreibt, die bei Manni in Endlos-Schleife laufen.Eigentlich eine Konstellation, die gut wäre für eine echte Monty-Python-Story. Aber das klappt in Deutschland nicht, wenn die Liebe dazu kommt. Oder das, was vermehrungshungrige junge Männer so für Liebe halten. Da ist jedes flirtbereite Frauenzimmer sofort der große Traum, bringt die Hormone durcheinander und den Tagesablauf sowieso. Was bei Sascha nicht allzu schwer scheint, denn er hat sich irgendwie in der Dauererwartung eingerichtet, er würde mit seinen hingeluschten Interviews mit berühmten Sängerinnen und Sängern mal so richtig berühmt werden. Sein großer (innerer) Feind ist eigentlich der Chef, der von ihm so etwas wie Kontinuität und Termintreue erwartet.
Aber daran ist nicht mehr zu denken, als eine Agentur-Mieze namens Sarah in Saschas Welt auftaucht und ein ungeplanter Ausflug nach Amsterdam ein bisschen entgleitet und in einem seltsamen Theater endet, wo sich Sascha und Manni und der Sänger einer dubiosen finnischen Band auf der Bühne wiederfinden, was dann die Bananen ins Spiel bringt und eine aus der Not geborene Geschichte im “Pool”, die das Heft auf einmal zum Gesprächsthema macht.
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Zumindest in dieser Geschichte. Welches Stadtmagazin träumt nicht irgendwie davon, ein bisschen Ruhm zu ernten wie die Hochglanzmagazine der Unterhaltungsbranche? Und welches wendet nicht dieselben Methoden an, um das zu erreichen? Bläst Geschichten auf? Erfindet ein bisschen was dazu? Was nicht wirklich das Schlimmste ist: Das Schlimmste ist das Vorgaukeln einer falschen Welt, in der jeder glaubt, seine 5 Minuten Ruhm verdient zu haben und Autoren so tun, als seien sie mit den Größen des Musik-Business auf du und du – auch wenn das Ganze nur eine abgekartete Werbekampagne mit einer für die Tour beauftragten Agentur ist.
So nebenbei ist Kloss’ Geschichte ein recht unverstellter Blick in diese Welt der bunten Lügen. Und dass sein Held glaubt, mit diesen bunten Seifenblasen ein gefragter Mann in diesem Geschäft zu sein, gehört zu den vielen Illusionen, die sich der mittlerweile etwas kahl gewordene Sascha über sein Leben macht.
Dass er gleichzeitig erstaunliche Analysen über das abgibt, was sein Freund Manni beim Radio anstellt, macht nur noch deutlicher, wie sehr sich die beiden Medienwelten ähneln, in denen die beiden WG-Kumpel arbeiten, wie sehr es da nur noch um Dauerschleifen geht und die Suche nach einem “Zielpublikum”, das es so nur in den Statistiken gibt, getrimmt auf 45 Minuten täglichen Radiokonsum in der Konservenwiederholung.Das verschwindet alles ein wenig hinter der Tolpatsch-Geschichte um Sascha, der auf einmal mit drei Frauen zu tun hat und immer wieder an seltsamen Orten erwacht, weil der abendliche Alkoholkonsum doch etwas zu ausufernd war. Was die Mädchen tatsächlich an ihm finden, erfährt man dann nicht wirklich. Aber man spürt die Not, die Männer in gewissen Altern so umtreibt – wer will die Welt der Sex-Gelegenheiten denn verlassen, ohne mit einer dieser Traumfrauen mal angebändelt zu haben? Auch auf die Gefahr hin, dass sie nimmersatt sind wie Saschas Ex Maria.
Aber genau das scheint den prekär beschäftigten Magazin-Schreiber Sascha in diesem Buch umzutreiben. Zumindest dann, wenn er nicht wieder in einer dieser peinlichen Slapstick-Szenen landet, die auch bei all den Fail-Clips auf Youtube eher selten lustig sind. Aber ins Buch passen sie. Es ist ein Buch aus einer Lebenswelt, in der die Panik immer gegenwärtig ist – die Panik, im Job nicht zu genügen, die Panik, dass das Konto in die Miesen rutscht, die Panik, dass man für die schönen Frauen zu hässlich und unattraktiv ist, die Panik, das eigene Leben zu verpassen, – selbst die Panik, zu den dusseligen Vorschlägen von Manni einfach mal “Nein” zu sagen. So wird Sascha zum Getriebenen fremder Wünsche und Vorstellungen. Amüsant ist das nur, wenn man “hart im Nehmen” ist, wie das so schön heißt.
Bananas
Ingolf Kloss, Mitteldeutscher Verlag 2012, 12,95 Euro
Logisch, dass der erlösende Moment auch im berühmten letzten Akt ausbleibt. Auch wenn da eine “junge blonde Frau mit rosa T-Shirt” zu Sascha unter die Bettdecke kriecht. Dieser Moment, bei dem in guten Geschichten auch beim Leser die Beklemmung weicht und das Gefühl sich Bahn bricht: “Jetzt hat er’s geschafft! Jetzt ist er raus aus der Schleife.” – Das muss ja nicht mal ein Happyend sein. Das kann auch ausgehen wie “Die Truman-Show” mit Jim Carrey.
Das Beklemmende an einigen heutigen Medienwelten ist: Ihre Protagonisten ahnen nicht einmal, dass sie in einer Glaskugel leben.
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