Bayreuth? - Nur ja nicht nach Bayreuth! - Die Stadt ist doch nur Wagner und Festspiele und Aufgalopp der deutschen Schickeria! - Nein! - Oder doch? - Manchmal braucht es doch wieder einen handlichen Stadtführer, der zwar ohne Wagnerei nicht auskommt. Aber man kann auch wegen anderer Leute hinfahren. Wegen Jean Paul zum Beispiel oder Max Stirner.

Die Bayreuther sind nicht ganz unschuldig an ihrem Ruf. Festspiel- und Universitätsstadt nennen sie sich. Das wäre, als würde sich Leipzig Bachfest- und Universitätsstadt nennen. Das ist wie ein Absacker, als schrumpfe die Stadt schon beim Aussprechen um zwei Konfektionsgrößen. Den Hamburgern ginge es wohl ähnlich: Musical- und Universitätsstadt.

In Deutschland gibt es mittlerweile 105 Universitäten. Wir leben in einer Zeit, in der eine Universität zur Standardausstattung einer Groß- oder Mittelstadt gehört. In Sachsen sah man das vor einer Weile auch so. Aber die neulich gewählte Regierung hat da etwas andere Ansichten und hält Bildung eher für einen überflüssigen Kostenblock.

Die Bayreuther Universität stammt aus dem Jahr 1975. Und ist eigentlich schon die zweite. Die erste gründete 1742 Markgraf Friedrich. Der wird in diesem kleinen Stadtführer nicht am Rande erwähnt. Michael Schulze, der Autor des Heftes, fand dessen Frau wichtiger, Friederike Sophie Wilhelmine von Preußen, Tochter des preußischen Soldatenkönigs, die 1731 den künftigen Bayreuther Markgrafen heiratete. In kleinen Kolumnen – auffällig am Rand – werden auch in diesem Heft einige der berühmten Bayreuther gewürdigt. Und vielleicht wäre Friedrich auch gar nicht auf die Idee gekommen, eine Universität zu gründen ohne die forsche Preußin – sie installierte im verschlafenen Bayreuth einen Musenhof, der europaweit ausstrahlte. Sie machte aus dem Nest erst mal eine Residenzstadt – mit Eremitage, neuem Schloss und Opernhaus. Das Opernhaus soll in diesem Jahr noch in die UNESCO-Weltkulturerbeliste aufgenommen werden. Das wird dem Leipziger Opernhaus vielleicht auch mal passieren – in 200 Jahren. Denn Wilhelmines Opernhaus ist heute eines der letzten original erhaltenen barocken Opernhäuser. Augenblicklich wird es saniert.

Ein Grund für den guten Erhalt wohl auch: Nach Wilhelmines Tod 1758 erlosch der Spielbetrieb. Sowas schützt die Substanz. Später beschaute sich Richard Wagner das faszinierende Kleinod – und fand es für seine Zwecke nicht geeignet. Weswegen er sich von einem Leipziger extra ein Festspielhaus bauen ließ. So schnell ist man bei Wagner. Besagter Leipziger Architekt war Otto Brückwald. Er hatte kurz zuvor (von 1864 bis 1868) auch in Leipzig ein großes Theater gebaut – das Neue Theater am Augustusplatz, das im 2. Weltkrieg zerbombt wurde. Heute steht da das Opernhaus, das in 200 Jahren in die UNESCO-Weltkulturerbeliste aufgenommen wird.Wilhelmine hat Bayreuth auch die präsentable Friedrichstraße verschafft, wo seinerzeit alles wohnte, was Rang und Namen hatte. Später siedelte sich hier mit “Steingräber & Söhne” eine der berühmtesten Klavierfabrikationen Deutschlands an. Und ein paar nicht ganz so gut Betuchte wohnten auch zeitweilig hier – Jean Paul natürlich, der in Bayreuth ein Denkmal hat und der in Leipzig studiert hat. Bayreuth ist eigentlich eine Stadt der Schriftsteller. Malwida von Meysenburg lebte ebenfalls in der Friedrichstraße – war Trauzeugin bei der Hochzeit von Richard Wagner mit der Liszt-Tochter Cosima. Weswegen auch Liszt ein Museum in Bayreuth hat. Genauso wie Jean Paul und Richard Wagner.

Von den Schriftstellern noch zu erwähnen: Oskar Panizza und Max von der Grün. Und als kleine Entdeckung für Mozart-Freunde: Marianne Thekla Mozart, die Cousine von Wolfgang Amadeus, die er liebevoll das “Bäsle-Häsle” nannte. Sie lebte in der “Postei”, in der auch ein Jahr lang Friedrichs Universität untergebracht war, bevor sie nach Erlangen verlegt wurde, wo sie heute als Friedrich-Alexander-Universität existiert.

Noch öfter als auf Wagner und alles, was man in Bayreuth als Gedächtnisstätten für ihn bewundern kann, trifft man bei diesem Ein-Tag-Rundgang auf die Zeugnisse der alten markgräflichen Residenz. Mit Schlossterrassen, Harmoniehof, Altem und Neuem Schloss, Markgrafenbrunnen, Hofgarten, Opernhaus und Eremitage. Dazwischen immer wieder das barocke und das noch ältere Bayreuth.

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Bayreuth an einem Tag
Michael Schulze, Lehmstedt Verlag 2012, 4,95 Euro

Und das neue – etwa mit dem Rathaus, von dessen Dachterrasse man sich die Bayreuther Innenstadt von oben beschauen kann. Samt Spitalkirche, Villa Wahnfried, Bürgerspital und alter Lateinschule. Freisitze gibt’s auch – die Maximilianstraße ist dafür wie gebaut. Das Alte Rathaus findet man in der Nr. 33. Heute ist ein Kunstmuseum drin. Und nebenan ist gleich das Haus Nr. 31, in dessen Vorgängerbau Max Stirner geboren wurde.

Womit man wohl etwas fußmüde ist, noch etwas Zeit hat, bevor man zum Bahnhof zurück muss, und sich die Wohltaten der fränkischen Küche und ein Bier aus einer der 1.000 fränkischen Brauereien mehr als verdient hat.

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