Das Büchlein passt. In die Westentasche. In den Zwischenstopp in Leipzig. In die Zeit sowieso: Gerade hat sich Leipzig ja beworben um die Aufnahme in die UNESCO-Weltkulturerbeliste. Also Musikstadt mit ihren Musikerhäusern und der Notenspur. Es ist nicht der erste Stadtrundgang zum Thema, aber der kleinste. Wahlweise 23 Stationen lang oder 16.
Dass sich die Routen decken unter anderem mit großen Teilen der Notenspur, liegt in der Natur der Sache. Der Augustusplatz ist nun einmal der ideale Startpunkt. Da braucht man sich nur umzudrehen und sieht Gewandhaus, Opernhaus, den schwarzen Musikwürfel des MDR und das Paulinum, in dem bald wieder musiziert werden soll. Von hier kann man die kleine Schleife durch die Ostvorstadt beginnen mit Mendelssohn-Haus, Grieg-Gedenkstätte, Musikinstrumenten-Museum und altem Johannisfriedhof, Schumann-Haus und Hofmeister-Haus. Die Neubebauungen des 20 Jahrhunderts versperren zwar immer wieder die Sicht.
Aber Phantasie braucht man ja sowieso. Das alte Musik-Leipzig des 19. Jahrhunderts steht nur noch punktuell. Alles, was sich einst um das erste Gewandhaus abspielte, muss heute imaginiert werden. Bilder aus alten Zeiten zeigen dem Betrachter, wie es hier so ungefähr mal ausgesehen haben muss. Zu Zeiten von Mendelssohn, den Schumanns, Wagners. Hier das alte Messehaus der Tuchmacher, da das Konservatorium. Sie sehen? Nicken in der turnschuhbewehrten Truppe. Weiter geht’s. Zum Markt und zum alten Rathaus. Mit Stadtpfeiferstuhl und der Ratsstube, wo Bach einst seine Anstellungsurkunde unterschrieb. Das einzig erhaltene originale Bach-Porträt. Sie kennen Bach? – weiter geht’s. Zum Coffeebaum, wo einst Schumann saß und schrieb.
Wagner-Platz, Brühl und Wagner-Denkmal müssen außen vor bleiben. Es ist ein flotter Rundgang. Auch flott erzählt. Bei Hagen Kunze fliegt alles. Und fließt. Seine Musikstadt ist eine flotte. Wer nicht zum Kaffeetrinken irgendwo abweicht, schafft die Runde. Nächste Station: Thomaskirche, Neues Bachdenkmal, Bosehaus, Altes Bachdenkmal. Thomasschule bitte nur vorstellen. Vor 110 Jahren wurde sie abgebrochen. Der kleine Spaß im Buch: eine dieser wunderschönen Aquarellzeichnungen Felix Mendelssohn Bartholdys, die die Thomasmühle, die Thomasschule und die Thomaskirche im Jahr 1839 zeigt. Samt Thomaspförtchen. Dass Mendelssohn sie aus dem Fenster seiner Wohnung in Lurgensteins Garten malte, steht nicht drunter. Das muss der flotte Stadtbilderklärer seinen Anvertrauen erklären.
Denn als der berühmte junge Mann aus Berlin nach Leipzig kam 1835, da zog er erst mal in eine Wohnung in Lurgensteins Garten. Von wo er die Thomaskirche schön vor Augen hatte. Ins berühmte Mendelssohn-Haus (damals Königstraße 3) zog er erst 1845. Nur zwei Jahre lebte er dort bis zu seinem frühen Tod. Der Stadtrundgänger braucht Phantasie. Natürlich ist auch Lurgensteins Garten verschwunden. Genauso wie das zweite Gewandhaus im Musikviertel. Das ist die zweite Schleife, die Hagen Kunze anbietet, wenn auch eine kurze – mit Mendelssohnufer, zweitem Mendelsohn-Denkmal (das erste an der Thomaskirche ist ja eine Replik desjenigen, das bis 1936 vor dem Neuen Gewandhaus stand). Das Neue Gewandhaus wurde Opfer des Bombenhagels. Das Mendelssohn-Ufer erinnert an den Bau, der in den 1960er Jahren endgültig gesprengt wurde.
Ein Stück weiter wird die Hochschule für Musik und Theater besichtigt. Und wenn man dann gleich weiter läuft durch den Johannapark, schafft man auch noch das forum thomanum.
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Ein Musikalischer Stadtrundgang für alle, die das Wichtigste an der Musikstadt flott erlaufen wollen. Wahlweise in einem großen Rundgang über 7 Kilometer oder einem ganz kurzen, der sich auf die Innenstadt beschränkt, am Gewandhaus beginnt und am Alten Bachdenkmal endet. Aber das ist ja sowieso das Grundproblem aller Kurzbesuche in Leipzig, das sich an musikalischer Erinnerungskultur nur noch mit einer anderen Stadt in der Welt vergleichen muss – und das ist Wien. Nur ist das in Leipzig logischerweise alles wesentlich kompakter und Besucher, die das erste Mal so eine Entdeckertour machen, denen brummt danach sowieso der Schädel.
Und dabei ist Vieles auch in ausführlicheren Stadtführern zur Musikstadt nicht zu finden, weil’s wirklich einfach zu viel ist.
Dies Büchlein hat zumindest den Vorteil, man kann sich damit vor dem Leipzig-Besuch hinsetzen und kann das, was man als Grundwissen zur Musikstadt mitbringen sollte, schon mal absolvieren. Vorn ist eine kleine Karte drin, die einem beim Ablaufen eine Orientierung gibt. Und an den wirklich spannenden Stellen werden sich die Leipzig-Erkunder sowieso misstrauisch anschauen: Wie groß ist der Stadtführer der anderen? Sind die schon auf Level 2 oder gar 3? Oder haben die schon die kombinierte Musik-Kaffeehaus-Tour?
Musikalischer Stadtrundgang
durch Leipzig
Hagen Kunze, Buchverlag für die Frau 2012, 5,00 Euro
Dies hier ist Level 1. Und wer sich dran wagt, wird feststellen, dass es für das übliche Musikwissen in Deutschland schon ein sehr anspruchsvolles Level ist. Was ja auch Richard Wagner (“Richard ist ein Leipziger!”) merkte, als er versuchte, sich hier durchzusetzen. Das war schon seinerzeit schwer. Und hat sich bis heute nicht geändert.
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