Am Anfang stand die pfiffige Idee eines Berliner Verlages: Der Jaron Verlag startete mit namhaften Berliner Krimi-Autoren einen Kettenroman mit der Hauptfigur Hermann Kappe. Das Besondere: Jedem Fall ist ein Jahr zugeordnet, man reist also mit dem älter werdenden Kappe durch die Zeit. 18 Titel sind bis jetzt erschienen. Dagegen ist die Sachsen-Serie noch jung.

Und auch der Held der sächsischen Serie ist noch jung: Konrad Katzmann heißt der, ist Redakteur bei der Leipziger Volkszeitung, was in den 1920-er Jahren, die manche gern die “Goldenen” nennen, noch etwas anderes war als im frühen 21. Jahrhundert. Würde die heutige LVZ so schreiben, wie es die sozialdemokratische LVZ 1926 tat, sie wäre ein Beobachtungsfall für den Verfassungsschutz. Und die SPD, wenn sie so agierte wie die Genossen in der damaligen Tauchaer Straße, wäre es vielleicht auch. Die eigentlich kleine, für ein Menschenleben natürlich große zeitliche Entfernung zeigt erst, wie viel sich tatsächlich verändert hat in 90 Jahren.

Für die Autoren, die an “Es geschah in Sachsen” mitschreiben, müssen sich natürlich einarbeiten in ihr Metier, sie müssen sich mit den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bedingungen der Zeit beschäftigen. Sie müssen auch alte Stadtpläne und Bücher über Architektur, Geschichte, Technik abarbeiten. Manchmal müssen sie sich den Hintern plattsitzen in der Nationalbibliothek, im Stadtarchiv oder der Uni-Bibliothek. Denn echte Schnitzer können sie sich nicht erlauben. Die Serie lebt auch von der Stimmigkeit des Kolorits.”Mord auf der Messe” ist der zweite Titel, den Uwe Schimunek für die Katzmann-Serie geschrieben hat. Der erste handelte im Leipzig des Jahres 1920 und Katzmann war nur zur Unterstützung der Leipziger Genossen aus Dresden gekommen, hat bei der Gelegenheit den Lehrling Heinz Eggebrecht kennen gelernt. Sechs Jahre später ist Katzmann Chefreporter der LVZ und Eggebrecht kommt zu Besuch aus Berlin. Der Anlass: die Frühjahrsmesse, über die Katzmann eigentlich gar nicht berichten soll, weil es ja nichts ist als eine Werbeveranstaltung des Kapitalismus.

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Aber man kann ja eine Zeitung nicht nur mit Propaganda füllen. Dabei haben die Streitgespräche Katzmanns mit Chefredakteur Leistner durchaus ihren Reiz. Denn irgendwie schlagen sich die Leipziger des Jahres 1926 mit denselben Problemen herum wie die des Jahres 2012. Das große Kapital tanzt seine Fieberkurven, die Geschäfte berappeln sich, doch über allem liegt eine anschwellende Krisenstimmung, während die Löhne der meisten Angestellten und Arbeiter im Keller sind.

Die Messe könnte so etwas wie ein Aufatmen sein. Würde nicht eine geheimnisvolle Bande während der Messezeit ihr Unwesen treiben. Der Kopf der Bande, ein geheimnisvoller Dr. Blei, kennt keine Skrupel. Wer sein Soll nicht erfüllt, hat schon verloren. Die Geschichte beginnt also mit einem toten Ober vor der LVZ-Redaktion, über den Katzmann und Eggebrecht nur noch zu stolpern brauchen, um mittendrin zu sein in einer Ermittlungsgeschichte, in der sie auch dem bestens bekannten Kommissar Bölke wieder begegnen. Als dann der nächste Tote auch noch im Untergrundmessehaus gefunden wird, ist man endgültig auf der Messe angekommen. Was ja 1926 etwas völlig anderes hieß als heute: Messeschauplatz war ja die Innenstadt selbst mit ihren gewaltigen Messehäusern.Wenn Katzmann und Eggebrecht hier unterwegs sind, drängen sie sich mit zehntausenden Messebesuchern durch die Stadt. Auch wenn sich unverhoffterweise ein ganz anderes Etablissement immer mehr in den Mittelpunkt der Handlung schiebt: der Krystallpalast mit seinen gewaltigen Sälen und Gastronomien und den mehr oder weniger berühmten Stars. Die augenscheinlich faszinierende Sängerin Bernadette La Belle will Eggebrecht, der jetzt als freier Fotograf seine täglichen Brötchen verdient, auf Film bannen. Und da auch Katzmann kein Kind von Traurigkeit ist, bekommt die Handlung diesmal eine schöne große Kelle erotisches Knistern ab. Und da sich parallel die Geschehnisse um die Blei-Bande immer mehr zuspitzen, ist Katzmanns NSU wohl das richtige Gefährt, um durch Leipzig zu knattern. Ab und zu darf es auch eine Kraftdroschke sein.

Es geht also flott zu in “Mord auf der Messe”, fast filmisch zugeschnitten. Die Akteure sind ständig in Bewegung. Und als dann gar ein Franzose tot im Zug von Leipzig nach Berlin gefunden wird, darf sich auch Kommissar Kappe telefonisch bei den Leipziger Akteuren melden.

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Mord auf der Messe
Uwe Schimunek, Jaron Verlag 2012, 7,95 Euro

Doch während die Berliner Serie mittlerweile auf 18 Titel angewachsen ist, die den Zeitraum von 1910 bis 1944 umfassen, sind es in der sächsischen Katzmann-Serie erst sechs. Man darf also auf so Manches gespannt sein, was sich die Autoren des Kettenkrimis noch einfallen lassen. Erst recht, wenn es Richtung 1933 geht, dem Jahr, in dem alle sozialdemokratischen Zeitungen verboten wurden.

Bis dahin ist es noch ein paar Krimis hin.

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