Als hätte jemand den Stöpsel herausgezogen: Es wird gemordet in Deutschland, dass es eine wahre Pracht ist. Die Buchläden richten schon eigene Regale und Büchertische ein, auf denen sich die neuen Krimis aus deutschen Landen stapeln. Heißbegehrt und verschlungen von den Lesern. Sachsen macht keine Ausnahme. Hier liegt schon der fünfte Packen "Mords-Sachsen" vor.
21 Kurzgeschichten aus der Tastatur von Sachsen und Nicht-Sachsen, darunter mittlerweile eine ganze Mannschaft von Autorinnen und Autoren, die mit eigenen Kriminalromanen am Markt vertreten sind. Echte Professionelle eben, die mit der Langform genauso gut zurecht kommen wie mit der Kurzform. Die Geschichten handeln in Dresden, Leipzig, Eilenburg, im Vogtland und anderswo. Fast keine Region ist ausgelassen. Und man merkt, dass die Autorinnen und Autoren die Landschaft kennen. Nicht nur die Geographie, sondern auch die Sorgen und Nöte, die die Sachsen umtreiben – und zuweilen eben auch zu Mördern werden lassen. Oder zu anderer Art Übeltätern.Denn man muss ja nicht nur ab und zu ein paar lästige Mitmenschen beseitigen … wobei die Frage bleibt: Muss man das? Claudia Puhlfürst etwa tut es in fast Roald-Dahlscher Art. Das gehört dazu. Einige der hier ausgewählten Kurzgeschichten spielen mit den Standardformen des Genres, zeigen, dass die Autoren einfach auch Lust am Fabulieren und Kombinieren haben. Ob das in der Wirklichkeit auch so geschieht, weiß ja keiner. Selbst die realen Ermittler gehen ja davon aus, dass viele Mordfälle gar nicht entdeckt werden, weil die letztuntersuchenden Ärzte nicht genau hinschauen und auch keinen Verdacht hegen. Denn obduziert wird nur bei Verdacht.
Und wie ist es mit all den fahrenden Leuten, die auf eher unkonventionelle Art ihr Geld zum Leben “verdienen”, Teppichverkäufern etwa und Trickbetrügern? Sind sie nicht besonders gefährdet und der große Trick kann gewaltig in die Hose oder in den Teppich gehen, wie Mario Ulbrich in seiner Geschichte “Der Teppichlude” erzählt? Eine von den vielen Geschichten, die nicht so ausgehen, wie man erwartet hat. Auch Wolfgang Schülers “Sachsensumpf” tut’s nicht, eine Geschichte eher aus dem Reich der Politthriller, in der zwar rein körperlich diesmal niemand stirbt – aber so recht heil kommt der Journalist Henry Jäger trotzdem nicht aus der Geschichte.
Den Titel trägt die Story übrigens zu recht. Schüler spielt mit den möglichen Bausteinen einer großen Geschichte, die es so im friedlichen Sachsen natürlich nie und nimmer gegeben haben sollen dürfte. Oder so ähnlich. Sachsensumpf eben.
Während Uwe Schimunek wieder ganz seine soziale Ader ausspielt und einen cleveren Obdachlosen einmal im Leben cleverer sein lässt als die Polizei. Handlungsort: mitten in der Leipziger City. Man achte auf die dortigen Zeitungsverkäufer.Oder auf die gut getarnten Polizisten mit Einkaufsbeuteln. Ein ganz Teil Geschichten erzählen von später Rache oder Wiedergutmachung, weil die eigentlichen Täter so clever waren, andere für ihre Tat in den Knast oder in die Klapsmühle wandern zu lassen. Das sind die Geschichten zum Aufatmen zwischendurch. Denn eigentlich liest man ja Krimis, weil man gern möchte, dass die Bösen gefangen werden und die Guten Wiedergutmachung bekommen. Sie sind die modernen Märchen. Was auch nicht immer klappt. Manchmal sind die Bösen mit anderen Akteuren in bestem Einvernehmen und der noch zögerliche Held erfährt in bestürzend letzter Sekunde, dass er irgendetwas völlig außer Acht gelassen hat.
Es sieht ganz danach aus, als hätte der Gmeiner Verlag überhaupt keine Probleme, in Sachsen genug Autoren zu finden, die sich Jahr für Jahr für die kleine Form des Krimis begeistern, die sich beim Stricken cleverer Morde alle Mühe geben und dabei auch noch spannend und flüssig erzählen, so dass man nicht wirklich innehalten will zwischen den Geschichten. Bei einigen muss man es trotzdem, weil sie eben doch zu denken geben. Denn: ” So was kommt immer noch von So was”. Und auch wenn mancher Plott seinen Ursprung im Arsenal des guten alten englischen Krimis zu haben scheint, stammen die meisten geschilderten Lebenswelten aus dem gegenwärtigen Sachsen. Und die Gründe für Mord und Totschlag und andere Bosheiten, die Menschen einander antun können, sind plausibel erzählt. Man erkennt sein heutiges Sachsen wieder. Samt all seinen Grauzonen und Wahrnehmungshorizonten.
Mords-Sachsen 5
Katrin Ulbrich; Mario Ulbrich, Gmeiner Verlag, Meßkirch 2012, 9,90 Euro
Etwa wenn Steffen Mohr aus der Welt der Leipziger Jugendlichen erzählt, die nicht immer in guten Händen sind, wenn sie mit ihrer Freundesclique unterwegs sind. Aber Steffen Mohr hat – wie Schimunek – ein großer Herz für die Einsamen und Hilfreichen. Man lernt was – ohne dass eine Leiche obduziert werden muss. Und andere Herausgeber hätten vielleicht gar entschieden: Das ist doch gar keine Kriminalgeschichte! – Aber am Ende macht es die Mischung. Solche Ausflüge in eine Problemwelt, die in Leipzig immer wieder heftig diskutiert wird, verankern die Sammlung in einer durchaus dissonanten Gegenwart. Man erfährt etwas Wichtiges über das mögliche “So was kommt von So was”.
Und man weiß, nachdem man die 400 Seiten gelesen hat, dass es eigentlich keinen Grund gibt, jetzt nicht mit Zuversicht auf den sechsten Band der Reihe warten zu dürfen.
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