Es ist eine Art Geburtstagsgeschenk zum 200jährigen Teubner-Jubiläum, das 2011 gefeiert wurde. Am 21. Februar 1811 kaufte Benedictus Gotthelf Teubner (26) ganz offiziell die Offizin seines Schwagers Weinedel und wurde in den nächsten Jahren der größte Druckherr Leipzigs. Doch die Geburt des Teubner-Verlages selbst fand erst 1823 statt. In einer Kutsche.

Dokumentiert ist das in einem kurzen Brief Teubners an den Philologen Wilhelm Dindorf. Der Einladungsbrief vom 7. August 1823 zu einer Kutschfahrt, an der auch die Herren Mangelsdorf und Tauchnitz teilnahmen, dokumentiert den Beginn einer anspruchsvollen Edition, die Teubner binnen weniger Jahre zum anerkannt führenden Verlag für philologische Werkausgaben machte. Aber auch zu einem der bedeutendsten Schulbuchverlage Deutschlands, denn aus Teubners Druckerpressen kamen die Ausgaben griechischer und römischer Klassiker, die in den humanistischen Gymnasien zur Ausbildungsgrundlage wurden.

Ein Punkt, den Heinrich Krämer, Autor des Buches, besonders betont. Denn im klassischen humanistischen Denken gehörte der Umgang mit originalen klassischen Texten als wesentliches Pendant zu einer Ausbildung des Geistes – gepaart mit der strengen logischen Ausbildung in der Mathematik. Für Krämer, von 1969 bis 1999 Geschäftsführer der B. G. Teubner GmbH und ab 1991 auch des Leipziger Teubner-Verlages, ist das Eliminieren der klassischen humanistischen Ausbildung an deutschen Schulen einer der Gründe für bildungspolitische Misserfolge.Auch Benedikt Gotthelf Teubner dachte so: Er verstand den Aufbau einer möglichst kompletten Bibliothek klassischer Literatur nach wissenschaftlichen Standards als Grundlage moderner Bildung. Er dachte Schule nicht vom Fakten-Bimsen her, wie Schule heute in Deutschland verstanden wird. Kluge Köpfe entstehen nicht dadurch, dass man sie mit Fakten, Formeln und überflüssigem Spezialwissen zuschüttet.

Krämer schildert recht prägnant, wie Teubner mit seiner Verlagsidee zum führenden wissenschaftlichen Verlag seiner Zeit wurde. Mit seinen Nachfolgern in der Familien- und Verlagsführung, Alfred Ackermann und Alfred Giesecke, porträtiert Krämer die beiden Akteure, die das Profil des Verlages nach Teubners Tod 1856 deutlich ausbauten und mit wissenschaftlich hochkarätigen Editionen aus der Mathematik und den Naturwissenschaften den Teubner-Verlag zum Maßstab dessen machten, was wissenschaftliche Veröffentlichungsqualität sein kann. Anfang des 20. Jahrhunderts hatte der Verlag kein Problem, die Spitze der deutschen Wissenschaftler-Elite und zahlreiche ausländische Koryphäen als Autoren zu gewinnen.

Das hätte so weiter gehen können. Doch 1933 verhalf ein völlig debiler Reichspräsident einer Partei an die Macht, die nichts weniger wollte, als dass es so weiterging. Zahlreiche Teubner-Autoren bekamen Berufs- und Schreibverbot, viele anspruchsvolle Projekte stockten. 1935 kam es zum großen Bruch zwischen der Roßbach-Linie der Verlagsmitinhaber (Alfred Giesecke und Martin Giesecke) und der Ackermann-Linie, weil man befürchtete, durch die Ehe Alfred Ackermanns mit einer “nichtarischen” Ehefrau könnten sich negative Eingriffsmöglichkeiten der NS-Zensoren ergeben. Der Streit zog sich bis in den 2. Weltkrieg hinein und endete damit, dass der wertvolle Teubner-Besitz im Leipziger Grafischen Viertel Opfer der Bomben wurde.

Dass es danach zwei Teubner-Verlage gab und 1991 eine durchaus fruchtbare Wiedervereinigung, gehört mittlerweile auch zum Bestand der Geschichte. Am Ende ging es auch dem Teubner-Verlag wie so vielen berühmten deutschen Unternehmen in Zeiten modernen Managements: Die wertvollen Teile wurden verkauft und 2008 in den neu gegründeten Verlag Vieweg+Teubner integriert. Der Verlag sitzt in Wiesbaden und gehört zum einstigen wichtigsten Konkurrenten von Teubner, dem Springer Fachbuch Verlag.

Seit 2004 versucht die Edition am Gutenbergplatz Leipzig (EAGLE), die Teubner-Tradition in Sachen wissenschaftlicher Veröffentlichungen am Standort Leipzig aufrecht zu erhalten.Dass Krämer sich in seinem 40-Seiten-Buch auf die drei prägenden Verleger der ersten 100 Jahre beschränkt, ist wohl nicht ganz zufällig. Denn damit zeichnet er auch das Bild eines bewusst inhabergeführten Verlages, in dem die Verantwortlichen großen Wert darauf legten, neben ihrer kaufmännischen Befähigung auch selbst eine hohe wissenschaftliche Vorbildung mitzubringen. Ausnahme natürlich Benedikt Teubner, der als elftes von zwölf Pastorenkindern nicht die Chance hatte zu studieren, der sich seine Grundbildung aber bei seiner Ausbildung zum Drucker erwarb (unter anderem in Ungarn, wo der Fremdsprachendruck in seiner Blüte stand). Und selbst der kleine Einladungsbrief von 1823 erzählt von einem Mann, der Visionen mit hoher Bildung verband und seinen künftigen Mitstreitern ein Projekt vorschlug, das erst mittelfristig auf Rendite abzielte, kurzfristig aber auf einen hohen Standard in der Bildungs-Edition.

Alfred Ackermann hatte Physik, Nationalökonomie und Kunstgeschichte studiert, bevor er bei Teubner den Verlagsbuchhandel lernte. Man liest das so beiläufig. Aber das versuche heute mal ein junger Student, drei solcher keineswegs in Bachelor- und Masterstudiengängen kombinierbarer Fächer zu studieren. Womit man beim Thema der vielseitigen Bildung ist, die bei heutigen Wissenschaftsministern völlig in Misskredit gefallen zu sein scheint, weil sich so etwas im auf Schnelldurchlauf getrimmten Studienbetrieb “nicht rechnet”.

Alfred Giesecke hat klassische Philologie studiert, bevor er bei Teubner die Altertumswissenschaften, die historischen, philosophischen, neusprachlichen und pädagogischen Editionen betreute.

Kurz schildert Krämer noch die wichtige Rolle, die Erich Ackermann und Martin Giesecke vor allem für den Stuttgarter Teubner-Verlag spielten, bevor Krämer 1969 die Geschäfte übernahm. Krämer selbst übrigens auch so ein Mann aus den Urzeiten des deutschen Bildungswesens: Er hat evangelische Theologie, deutsche Philologie und Philosophie studiert, bevor er ins Verlagswesen einstieg.

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In der sächsischen Kutsche
Heinrich Krämer, Edition am Gutenbergplatz Leipzig 2012, 19,50 Euro

Ein Verlagswesen, das es so nicht mehr gibt nach all den Fusionen, Auf- und Verkäufen, die die berühmtesten Verlagsnamen zu Imprints teilweise international agierender Medienkonzerne gemacht haben. Die drei doch recht kurzen Porträts lassen zumindest ahnen, dass zumindest der ein oder andere – und Benedikt Teubner vorneweg – durchaus auch einmal Arbeitsprojekt für eine lebendige und vielleicht sogar populär aufbereitete Verlegerbiografie wäre. Denn der Mann gehört unverkennbar zu den prägenden Köpfen des Leipziger Gründergeistes in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Und man ahnt, wenn man seine verlegerischen Erfolge sieht, nur, wes Geistes Kind er war, mit wem er Freundschaften pflegte, wie er in Leipzig agierte.

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