Was Politiker können, können Pfarrer schon lange. Und einige sind echte Urtalente, wenn es darum geht, den schwarzen Schafen in der Gemeinde von der Kanzel aus die Leviten zu lesen. Die dürfen das, warum wir nicht, fragten sich irgendwann einmal die Vorsitzenden diverser Karnevalsvereine - und erfanden die Büttenpredigt.
Das ist der Teil im Sendeprogramm der deutschen Fernsehanstalten, in denen die Kameras noch häufiger als während der Sendeteile mit den Funkenmariechen und den regionalen Originalen in die große Turnhalle schwenken, wo die anständigen Bürger alle mit Pappnase und Prinzenhaube sitzen, wo der Kameramann aus lauter Verzweiflung nach hübschen Gesichtern und großen Dekolletés Aussicht hält. Und nach Gesten der Begeisterung, wenn die geplanten Witze in der Büttenpredigt mit Tätätätä untermalt werden. Denn meistens funktionieren sie nicht.
Umso erstaunlicher ist es, dass sich auch einige jüngere Pfarrer die Büttenpredigt der Spaßmacher zum Vorbild genommen haben und selbst Büttenpredigten halten. Das soll in einigen Gemeinden sogar funktionieren und als Auflockerung des Kirchenbesuches verstanden werden. Das Problem an einem Buch, das solche Büttenpredigten vereint, ist immer: Es fehlt der Pfarrer dazu.Denn auch das kann man im Fernsehen ja so gut studieren: Manchmal funktionieren auch die witzlosesten Büttenpredigten. Dann nämlich, wenn der Prediger ein Könner ist, wenn er weiß, wo er Pausen lassen und draufhauen muss, wo er die Register der Rhetorik zu ziehen hat. So einer braucht kein Tätätätä-Orchester. Der kann auch auf Sendung gehen, wenn der ganze Saal wieder daheim ist und seinen Rausch ausschläft.
Aber wer schneidet schon Predigten in der Kirche mit? Wer begreift das als hohe Kunst? – Immerhin hat es, wenn der Prediger wirklich gut ist, auch nichts mit dem Geschwafel auf den diversen religiösen Kanälen zu tun, wo die Dauerschwätzer versuchen, den Zuschauern ein schlechtes Gewissen zu machen. Das machen auch gute Pfarrer nicht. Auch dann nicht, wenn sie über Gott und seine Gebote predigen.
“Christen kennen nicht das Zittern / vor dem Untergang der Welt. / Doch sie wissen um so besser, / wer die Zeit in Händen hält”, reimt Winfried Abel in seiner Büttenpredigt “Freude ist der Sinn des Lebens”. Die Botschaft ist klar. Die Kritik nicht immer selbstverständlich. Und es erstaunt schon, wie herzhaft selbst in diesen Karnevals-Ausnahme-Predigten gegen eine Weltsicht angeredet wird, die den Ausverkauf und den Fatalismus zur Geschäftsidee gemacht hat.
Der Ruf von der Kanzel hat den Vorteil: Hier spricht einer tatsächlich zur eigenen Gemeinschaft. Das Drinnen und Draußen sind klar definiert. Und wer drinnen sitzt, nimmt die Kopfwäsche leichter an, wenn er sich dabei gewarnt sieht vor einer Welt von Tücke und Verdruss. Hier darf er Mensch sein und – wundert’s wen? – lächeln. “Ich fänd’ auch ganz besonders schön, / könnt’ ich heut’ manchen lächeln seh’n, / der sonst von tiefem Ernst getragen”, reimt Klaus Peter März.Man liest aus den gesammelten Büttenpredigten heraus, welche Themen auch an anderen Tagen die Gemeinde bedrücken, wo die Hirten mit ihrer Gemeinde leiden, bangen und kämpfen. Die Außenwelt lichtert selbst in diese humorvollen Predigten hinein. “Vielleicht tät neues Sehen gut. / Schauen, was sich jetzt schon tut: / Menschen, die nicht nur kassieren, / die sich wirklich engagieren …” Könnte im Heute geschrieben sein. Oder vor einem Jahr. Manches klingt zeitlos. Den wirklich guten Predigern wird nie der Stoff ausgehen. Ob sie je gute Reimer werden, ist eine andere Frage.
Wahrscheinlich sollten Nachwuchsprediger das Buch nicht wirklich als Vorlage für eigene mutige Versuche nehmen. Auch wenn mancher sicher seine Freude haben wird, das nachzulesen, was die Kollegen ihren Gemeinden schon “zugemutet” haben. Ein Teil des Buches enthält dann auch noch christliche Gedichte, ein anderer Bibelreime. Die spannen den Bogen etwas weiter, denn wer hier auf Johann Wolfgang Goethe, Lene Voigt und Martin Luther stößt, braucht nicht einmal den Namen zu lesen, um zu merken, dass Dichtung doch noch eine Kunst ist. Die ist nicht jedem gegeben. Deswegen wirken ihre Texte ein wenig wie schwarze Schäfchen unter lauter weißen.
Das große Buch der
Bibelreime & Büttenpredigten
St. Benno Verlag 2012, 14,95 Euro
Noch schwärzer hätten natürlich die herrlichen Verse aus dem Hohelied hier gewirkt. Aber darum ging es diesmal nicht. Die tauchen garantiert in einer Sammlung guter Gedichte wieder auf. Dies hier ist eine Sammlung, die vom Humor deutscher Pfarrer erzählt und ihrer Freude daran, auch die Narrenzeit nicht ganz so ernst zu nehmen. Und bei manchem liest man auch den diebischen Spaß heraus über die Narren da draußen, für die am Aschermittwoch schon wieder alles vorbei ist. Für eine lebendige Gemeinde geht es jetzt ja erst richtig los. Sind ja nur noch sieben Wochen bis Ostern.
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