Der nächste Band von Stephan Sarek ist jetzt im fhl Verlag als Paperback erschienen: "Das Truthuhnparadies", 1997 erstmals als Jugendbuch aufgelegt. Eine Geschichte von 25.000 Truthühnern, einer schwangeren Jungfrau namens Maria, einem durchgeknallten Nachbarn namens Björn und ein paar Politikern mit Entscheidungsschwäche.
Man denkt ja gern, dass nur in der aktuellen Gegenwart besonders schlimme Versager in das eine oder andere politische Amt gewählt werden. Aber das war auch früher nicht anders. Es gibt kein Auswahlkriterium, das verhindert, dass sich auch in der höheren Politik der normale menschliche Durchschnitt wiederfindet – dass zum Beispiel auch das Amt des Landwirtschaftsministers mal mit einem Mann besetzt wird, der von Hühnern nicht viel Ahnung hat und beim Thema Truthühner den schlappentragenden Abgeordneten der Grünen fragen muss. Der sich verzweifelt in der Kantine für einen vegetarischen Spinatklops entscheidet, obwohl ihn die leckeren Leberwurstbrötchen locken.Oder wie wäre es mit durchgeknallten Wissenschaftlern, die das Auftauchen von 25.000 Truthühnern als erstaunliches Naturphänomen betrachten, während sowohl Umweltminister als auch Bundeskanzler geneigt sind, die Sache lieber auszusitzen, als daraus einen öffentlichen Skandal zu machen? Oder dem Betreiber einer Hühnerfarm, der lieber eine große Blendwand aufstellt, um die Attacken der Tierschützer abzuwehren, als seine Steuern zu zahlen?
Kommt einem alles ein bisschen bekannt vor. Ob die Truthühner – wie Björn glaubt, der sie in einer Ein-Mann-Aktion zu befreien versucht, tatsächlich Außerirdische sind, erfährt man in diesem Buch noch nicht. Aber der Folgeband – “African Tango” – ist ja im fhl Verlag schon angekündigt.
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Eigentlich beginnt alles damit, dass der Autor ganz zu Anfang in die Rolle einer jungen Dame namens Maria schlüpft, die nach Berlin ging, um einen echten Neuanfang zu wagen, und die nach einer sehr lebhaften Begegnung mit einer anderen jungen Dame fest davon überzeugt ist, lesbisch zu sein. Dass dann nach einem unerwarteten Unwohlsein auch noch die verblüffende Erkenntnis hinzu kommt, dass sie in der zwölften Woche schwanger ist, ohne sich an eine dementsprechende Begegnung mit einem oder mehreren jungen Herren erinnern zu können, macht die Sache noch ein wenig wundersamer.
In einem Mädchenroman würde die Heldin jetzt, so weit ab von ihrem heimeligen Paderborn, in eine entsetzliche Panik verfallen. Nicht aber diese Maria, die selbst der bissigen Verkäuferin im Laden abtrotzt, dass sie Schlagsahne für ihren Kaffee haben will und keine Kaffeesahne. Da weiß sie noch nicht, dass sie schwanger ist. Und auch nicht, dass sie sich fast begeistert auf den Spleen ihres Nachbarn einlassen wird, der finstere Regierungsmachenschaften wittert, bei denen die kollernden Außerirdischen gefoltert und dann zu Fleischbällchen verarbeitet werden. Nebenbei ist er auch noch Vegetarier und hat das Zölibat für sich beschlossen. Aus einem verständlichen Grund: So vermeidet man es, von den Mädchen regelmäßig abgewiesen zu werden.Als er dann auch noch einen spektakulären Überfall auf die nächste Sparkassen-Filiale beschließt, um sich das Geld für die Truthühnerbefreiung zu beschaffen, sind die beiden ein Paar – sorry: ein Team. Auch wenn der Überfall dann nicht ganz so abläuft, wie Maria sich das gedacht hat. Und so manches Andere danach auch nicht. Was so schlimm nicht ist, denn die Helden des Buches stammen nicht so sehr aus der verbiesterten, auf Perfektion und permanente Strafandrohung bedachten Personage der bundesdeutschen Wirklichkeit. Sareks Helden nehmen das Leben eine ganze Ecke leichter – egal, ob sie nun Security-Mann auf der Hühnerfarm sind, niedersächsische Hühnerbefreier oder etwas orientierungslose Minister.
Das Buch ist in dieser Beziehung sogar eine echte Erholung. Und man kann sich ein solches Land, in dem sich auch Minister und Bundespräsidenten einmal nicht so dauergewellt ernst und selbstgerecht präsentieren, beinahe vorstellen. Beinahe. Aber der Deutsche im Speziellen und im Allgemeinen ist natürlich weder kauzig, noch spleenig, noch naiv. Wer solche Gestalten in der niedersächsischen Fauna ausmacht, hat entweder ein sonniges Gemüt oder den Humor noch nicht verloren. Oder umgetauscht in den Konfektionshumor, den man derzeit trägt. Sarek ist so einer.
Das Truthuhnparadies
Stephan Sarek, fhl Verlag Leipzig 2011, 11,95 Euro
Und weil wahrscheinlich im Jugendbuchregal neben all den finsteren Fantasy-Schinken kein Platz mehr ist, kann man dieses Taschenbuch nun wahlweise suchen bei den Tierbüchern, im Humorregal oder bei den fröhlichen Liebesgeschichten, die es in deutschen Buchläden natürlich auch nicht gibt, weil das entsprechende Regal mit gedankenschweren Familien-Sagas und quälenden Obsessionen verstopft ist.
Was also tun? Vielleicht mal fragen, ob da draußen ein Buchhändler den Mumm hat, eine Buchhandlung zu eröffnen, in der nur lebenslustige Ware verkauft wird. Solche, nach deren Lektüre man das Gefühl hat, so herumhopsen zu müssen, wie Maria in ihrem Banküberfall-Kostüm – im Pippi-Langstrumpf-Hops. Sozusagen. Der nächste Schwerenöter, der einen dann strafend ansieht, kommt garantiert gleich des Weges.
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