Nein, die poetische Ader ist Ahne, Jahrgang 1968, gelernter Offset-Drucker, studierter Hausbesetzer, Surfpoet und Gesprรคchspartner von Gott, nicht in die Wiege gelegt worden. Sein Feld ist die Bรผhne, die Reformbรผhne Heim & Welt etwa. Da funktioniert das, was er da mal aufgeschrieben hat

Er hรคlt sich kurz. 70 kurze Stรผcke fasst die beigelegte CD. Gรคbe es in der Lyrik eine eigene Sparte โ€œcomic stripsโ€, das hier wรคren welche. Kleine Sprechblasen ohne Bilder. Auch wenn man sich einen kleinen, nachdenklichen Ahne jedes Mal gut dazu vorstellen kann, wie er auf der Mauer sitzt und ganz laut denkt.

Oder vielleicht auch leise denkt, wie andere Leute auch. Zumindest jene, die sich noch den kindlichen Spieltrieb bewahrt haben im Kopf. Die meisten kennen das ja nicht mehr. Sie sind ja erwachsen. Mit allen granteligen Folgen fรผr die Mitwelt. Ahne ist es zwar auch, aber nicht ganz. Er hat noch SpaรŸ am Spiel mit den Worten und den Einfรคllen, die man so hat, wenn man seinem Kopf mal die MuรŸe lรคsst zum Spazierengehen. Macht heute auch noch kaum einer mehr. Es ist ungewohnt. Oder verstรถrend. Man kommt da ins Grรผbeln.

Sagt Ahne zwar so nicht. Manches von dem, was er hier in Versform vorlegt, ist ganz elementarer Quatsch. Lustiger Quatsch. Funktioniert aber trotzdem โ€“ vor Publikum, das sich drauf einlรคsst, dass eine Sprache wieder so benutzt, wie das frรผher mal im Sandkasten รผblich war. Als Kinder noch eigenhรคndig Burgen bauten, in Rollen schlรผpften, die ihnen nicht ihr Computer vorgab, und einfach drauflosplapperten, weil Worte was Lustiges sind, wenn man ihnen mal hinter die schelmischen Ohren guckt.

Das ist selten tiefgrรผndig, manchmal erhellend. Da hat man selbst ein Weilchen nicht dran gedacht. Manches ist dann aber auch schon ein kleines bisschen Olalรก und Hoppla: Hat er darรผber lange nachgedacht oder fiel ihm das einfach so ein? โ€“ Andere schreiben gewaltige Traktate รผber ein Thema wie den Opportunisten. Ganz bรถse Spezies. Schreckliche Mitlรคufer und Wendehรคlse. Unzuverlรคssiges Pack. Ahne schreibt dazu: โ€œUnter Umstรคnden / bin ich gezwungen / den eigenen Lebensweg / mitzugehen.โ€

Das hรคtte Lichtenberg nicht besser sagen kรถnnen. Manches von Ahnes kurzen Stรผcken schrammt dicht am Aphorismus vorbei. Da hilft ihm sein trockener Humor. Ahne lรคchelt nie. Ahne ist immer ernst und misstrauisch. Aber auch ein  nรผchterner Beobachter. Ob Frauen โ€œDas erotische Gedichtโ€ erotisch findet โ€“ man darf zweifeln. Aber fรผr manchen dieser Vorgรคnge wirdโ€™s wohl die Sache treffen. Haargenau.

Manchmal lauert hinter dem SpaรŸ die nicht ganz so spaรŸige Wirklichkeit, manchmal stellt ein kleiner, hingeschnuddelter Text einen beweihrรคucherten Klassiker einfach so vom Sockel. Natรผrlich gibt es zur klassischen Imposanz auch immer eine Alternative. Ahne: โ€œSah ein Kna-hab ein Rรถslein stehn, / Rรถslein au-hauf der Heiden, / lieรŸ der Knab das Rรถslein stehn. / Ging weiter.โ€

Hรคtte man auch selber drauf kommen kรถnnen. Kam man aber nicht. Warum nur nicht? Weil einem die Ehrfurcht vor Goethe und seinen Reimversuchen eingebimst wurde von kleinauf? โ€“ Kann nicht sein. Oder weil dieses Gefรผhlsgesรคusel zum deutschen Kanon der Standardgefรผhle gehรถrt? โ€“ Auch so eine Frage.

Ahne wird nie auf so einem Sockel stehen. Das ist sicher. Ahne wird auch weiter seine kleinen Einfรคlle aufschreiben, selten gereimt, manchmal einfach aus purer Spiellaune, aus Frust oder Langeweile. Manchmal wird er einen Treffer landen. Manchmal nur einen Lacher im Publikum. In diesem Band ist versammelt, was er letzthin so an Kurzem verfasst hat. Mitten aus Ahnes Leben. Nur die kleinen Bildchen fehlen irgendwie: Ahne auf der Mauer mit knubbeliger Sprechblase รผberm Kopf โ€ฆ

Ahne โ€œGedichte, die ich mal aufgeschrieben habeโ€, Verlag Voland & Quist, Dresden und Leipzig 2011, 14,90 Euro

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