Cherchez la femme, sagen die Franzosen. Und gehen aus eigener Erfahrung davon aus, dass die wirklich zukunftsträchtigen Projekte in dieser Welt vielleicht von Männern gemacht werden – aber niemals ohne die tatkräftige Unterstützung kluger Frauen. Das trifft auch auf Leipzigs einst berühmte Verlage zu.
Sabine Knopf hat sich jetzt einer der bekanntesten Frauen in der Leipziger Verlagslandschaft angenommen: Katharina Kippenberg, geborene Catharina Theodora Olga von Düring, Tochter des Hamburger Großkaufmanns Hermann Hartwig von Düring, und seit 1905 Ehefrau des gerade zum neuen Chefs des Insel Verlages avancierten Anton Kippenberg.
Die Begeisterung für gute Literatur teilten beide und es dauerte überhaupt nicht lange, bis Katharina begann, sich in die Programmgestaltung des erst 1901 gegründeten Verlages einzubringen, der noch eben in tiefen finanziellen Schwierigkeiten gesteckt hatte.
Da half nicht nur Anton Kippenbergs kluge Verlagspolitik und sein Sinn für das exquisite, vorbildgebende Buch. „Weltliteratur im Goetheschen Sinne“ wollte er machen. Und machte der Verlag auch von 1905 an. Und das auch, weil Katharina sich freundlich und kommunikativ einbrachte in den Verlag, mit den Autoren korrespondierte, Neues wagte und selbst für durchaus komplizierte Dichter wie Rainer Maria Rilke zu einer geachteten Ansprechpartnerin wurde.
Sie lenkte, empfahl, lektorierte, schrieb selbst und gab auch eigene Titel heraus. Wo für die meisten Autoren von heute der Kontakt mit einem Verlag ein trockenes, durchkalkuliertes Geschäft ist, erlebte eine ganze Reihe von Autoren, die mit Insel groß wurden, dass man mit der „Herrin der Insel“ auch über Jahre intensiv und freundschaftlich in Kontakt bleiben konnte.
Manche – wie Theodor Däubler – wurden über Jahre auch finanziell unterstützt, obwohl sich ihre Titel schlecht verkauften. Andere fanden – wie Johannes R. Becher – durch den fast mütterlichen Rat von „Katharina der Großen“– aus den Wirrnissen ihrer Jugend.
Sie muss ein Gespür für besondere Begabungen gehabt haben, für unverwechselbare Autorenstimmen und ein wenig auch für das, was als Insel-Bändchen dann auch für Absatz sorgen würde. Umfangreich sind ihre Korrespondenzen mit Hugo von Hofmannsthal, Stefan Zweig und Ricarda Huch. Sie war es, die neue Autoren an den Verlag band – mit gutem Gespür für das, was „passte“.
Denn ein goethescher Maßstab ist das eine – ein erspürbares Profil im Programm das andere. Und obwohl die Kippenbergs nicht nur im deutschen Sprachraum blieben, sondern auch D. H. Lawrence, Aldous Huxley oder Virginia Woolf ins Interesse der deutschen Leser rückten – auch hier gingen sie so feinfühlig vor, dass die Zugewinne aus England, Frankreich, Schweden oder Russland sich einfügten und die Insel-Bücher zu etwas Besonderem machten.
Etwas, das auch in den finsteren Jahren des 1. Weltkrieges und der NS-Zeit für den Lesekanon des gebildeten Bürgertums stand – und mit der Insel-Bücherei ab 1912 auch dem nicht so gut betuchten Publikum ermöglichte, die Schätze der Literatur zu erwerben.
Ihr Haus in Gohlis, der „Palazzo Chippi“ in der Richterstraße 27, brannte im Februar 1945 nieder. Vorher war schon das Verlagshaus der Insel in der Kurzen Straße 7 ein Opfer der Bomben geworden. Die Kurze Straße in der Leipziger Ostvorstadt heißt seit 2000 Spohrstraße. Die berühmte Goethe-Sammlung Anton Kippenbergs war schon vor dem Brand des Kippenberg-Hauses ausgelagert worden und dann von den Amerikanern in einem gesicherten Transport nach Marburg transportiert worden.
Die Kippenbergs folgten ihrer Sammlung, sodass auch beim Insel-Verlag jenes doppelte, über 40 Jahre währende Interim begann mit einer Niederlassung in Wiesbaden und einem nie ganz verstaatlichten Verlagsteil in Leipzig.
Heute ist der Suhrkamp-Verlag, der gerade seinen medienwirksamen Umzug von Frankfurt nach Berlin hinter sich hat, Inhaber des Insel-Verlages. Die Insel-Bändchen verkaufen sich nach wie vor gut. Aber die Insel sorgt nicht mehr – wie zu Katharina Kippenbergs Zeiten – für Aufsehen, Neuentdeckungen, anspruchsvolle Diskussionen. Der Laden läuft – aber das Feuer fehlt. Das behält Ulla Berkewicz dann doch lieber den Suhrkamp-Titeln vor.
Kann man jetzt natürlich trauern über den Abschied des Insel-Verlages von Leipzig. Aber gerade die Geschichte Katharina Kippenbergs zeigt: Ein erfolgreich eingeführter Verlags-Name ist das eine – eine kluge Arbeit mit den Autoren und am Profil sind etwas ganz anderes. Letzteres hängt an Verlegerpersönlichkeiten, die auch – wie die Kippenbergs – regen Anteil nehmen am Kulturleben einer niveauvollen Stadt, die selbst einen Anspruch haben und auch wissen, wie er in gefragte Bücher umgesetzt wird.
Die beiden Kippenbergs haben sich darin augenscheinlich ideal ergänzt. Aber – auch das spricht Sabine Knopf kurz an – sie waren nicht das einzige Leipziger Verlegerpaar, das sich gemeinsam für ihren Verlag und das unverwechselbare Buch engagierten. Die Buchstadt ist ohne diese hochkompetenten Frauen nicht denkbar. Man muss sie nur suchen. Stoff genug für noch einige Wieder-Enteckungen.
Sabine Knopf Katharina Kippenberg, Sax Verlag, Beucha/Markkleeberg 2010, 18 Euro.
Keine Kommentare bisher