Dass der Verfassungsschutz private Veranstalter vor den Auftritten „extremistischer“ Bands warnt, ist bekannt. Dass er linke Gruppen infiltriert, die an Hochschulen aktiv sind, ebenfalls – ein solcher Fall wurde erst kürzlich in Göttingen bekannt. Doch dass der Verfassungsschutz auch an der Universität Leipzig aktiv ist, wäre neu. Genau das behauptet nun aber ein linkes Bündnis. Die „Kritischen Einführungswochen“ werfen der Unileitung vor, auf Druck der Behörde zunächst mehrere Anträge zur Nutzung von Räumen abgelehnt zu haben. Die Hochschule bestreitet die Vorwürfe.

Immer zu Beginn eines Wintersemesters, also Anfang Oktober, veranstaltet die Universität Leipzig eine sogenannte Einführungswoche. Die neuen Studierenden erhalten dort zahlreiche Informationen über den Ablauf ihres Studiums und wichtige Anlaufstellen.

Seit 2014 gibt es neben der offiziellen Einführungswoche zusätzlich die „Kritischen Einführungswochen“ (KEW), organisiert von einem breiten linken Bündnis. Statt Modulen, Prüfungen und Abgabefristen stehen dort Themen wie Rassismus, Kapitalismus, Feminismus, Gentrifizierung und radikale Gesellschaftskritik im Mittelpunkt.

Von Anfang an waren dabei Gruppen präsent, die mittlerweile regelmäßig im Verfassungsschutzbericht des Freistaates Sachsen auftauchen – als angebliche „Linksextremisten“. Bis zum vergangenen Wintersemester war das kein Problem. Doch dann änderte die Universitätsleitung ihre Haltung zu den Veranstaltungen – zumindest behaupten das die KEW.

Probleme mit einigen Veranstaltungen

„Universität Leipzig untersagt kritische Bildungsveranstaltungen auf Druck des Verfassungsschutzes“, lautet der Vorwurf in einer am Dienstag, den 19. Februar, verschickten Pressemitteilung. Er bezieht sich auf einen Vorgang im vergangenen Herbst, als die Uni-Raumverwaltung den KEW zunächst untersagt habe, bestimmte Veranstaltungen durchzuführen.

Nach Angaben des Bündnisses sollten die Workshops und Vorträge unter anderem Faschismustheorien, Klimagerechtigkeit und überholte Männlichkeitsbilder thematisieren. Ende September 2018 habe die Universität per Mail mitgeteilt, dass die beantragten Räume nicht zur Verfügung gestellt werden, weil die Veranstalter als „extremistisch“ eingestuft würden. Konkret ging es um „Prisma“ und die „Anarchosyndikalistische Jugend Leipzig“.

Frank Aurich, Pressesprecher der KEW, beklagt: „Auch wenn die Universität letztlich durch ein persönliches Gespräch nochmal von den Raumverboten abgehalten werden konnte, darf es nicht sein, dass sie sich nicht schützend vor die eigenen Studierenden stellt und stattdessen lieber mit einem Verfassungsschutz zusammenarbeitet, der offen die extreme Rechte verharmlost oder gar mit ihr sympathisiert.“

Aber woher kommt die Überzeugung, dass der Verfassungsschutz beteiligt war? Aurich teilt auf Nachfrage der L-IZ mit, dass mehrere Gespräche mit der Universitätsleitung dazu Anlass gegeben hätten. Da sich der Verdacht erst nach einigen Monaten erhärtet habe, sei man erst jetzt mit dem Thema an die Öffentlichkeit gegangen. Wie genau die Zusammenarbeit zwischen Universität und Verfassungsschutz ausgesehen haben soll, kann Aurich nicht sagen.

Verfassungsschutz und Uni dementieren

Letzterer dementiert auf Anfrage der L-IZ, dass er „Druck“ auf die Hochschule ausgeübt habe. „Hierzu hat der Verfassungsschutz keine gesetzliche Kompetenz“, so Martin Döring, Pressesprecher der Behörde.

Ob es im Zusammenhang mit den Veranstaltungen der KEW eine Zusammenarbeit mit der Universität gab, lässt Döring offen: „Welche Form der Erkenntnisgewinnung die Universitätsverwaltung gewählt hat, müssen Sie bei der Uni-Verwaltung beziehungsweise bei den für die Raumverteilung Verantwortlichen erfragen. Wir können immer nur beraten und informieren; entscheiden muss der Beratene selbst.“

Die Universität bestätigt zwar, dass es „offene Fragen“ gab, die in einem Gespräch zwischen Rektorat und KEW geklärt werden konnten. Warum genau einige Anträge nochmals geprüft werden mussten, teilte die Hochschule jedoch nicht mit. Auf die Frage, welche Rolle der Verfassungsschutz bei der Entscheidungsfindung gespielt hat, heißt es: „Keine.“

Kleine Anfragen und Veranstaltungen im Sommersemester

Somit steht zunächst Aussage gegen Aussage. Unklar bleibt vorerst auch, ob Verfassungsschutz und Universität unabhängig von diesem Fall in irgendeiner Form kooperieren. Entsprechende Nachfragen ließen beide unbeantwortet.

Die Universität teilte jedoch mit, dass man aktuell die Antworten auf mehrere Kleine Anfragen des Landtagsabgeordneten René Jalaß (Linke) vorbereite. Diese greifen unter anderem den aktuellen Fall, aber auch die generelle Rolle des Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit sächsischen Hochschulen auf.

Unterstützung erhalten die KEW auch vom Studierendenrat der Universität und von der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften. Beide forderten die Leitung der Hochschule dazu auf, das Engagement der Studierenden zu fördern und nicht zu behindern. Dies sei gerade in diesem Jahr wichtig, da mehrere Wahlen anstehen.

Vor allem die Landtagswahl am 1. September 2019 wird ein Schwerpunkt der kommenden „Kritischen Einführungswochen“ sein. Nicht nur für den Beginn, sondern für das gesamte Sommersemester sind deshalb Veranstaltungen geplant – unter anderem zur „reaktionären Politik von AfD und CDU“ sowie linker Politik in Ostdeutschland. Ein weiteres Thema ist voraussichtlich der Verfassungsschutz.

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