In einem grünen Hinterhof im Leipziger Stadtteil Plagwitz sollten am Montag, dem 25. November, alle Bäume gefällt werden, um Platz für den Bau von zwei Eigentumswohnungen zu schaffen. Es handelt sich demnach nicht etwa um Sozialen Wohnungsbau, sondern lediglich um die Pläne eines profitorientierten Investors. Diese stießen auf massiven Widerstand aus der Nachbar*innenschaft. Die Bewohner*innen warnten vor den ökologischen und sozialen Folgen, die das Verschwinden eines der wenigen grünen Rückzugsorte in der Umgebung mit sich bringen würde.

Die Nachbar*innen schlossen sich am Vormittag spontan zusammen, um gegen die geplanten Baumfällungen zu protestieren. Auf Plakaten forderten sie, das Bauvorhaben zu stoppen. Statt immer mehr Beton zu schaffen, sollten Städte wie Leipzig den Fokus auf eine nachhaltige und klimafreundliche Stadtentwicklung legen: “Niemand will, dass hier Bäume gefällt werden. Wir werden das nicht hinnehmen!”, erklärte eine engagierte Bürgerin aus dem Viertel. Der Hinterhof ist ein wertvoller Lebensraum – nicht nur für die Menschen im Viertel, die hier einen sozialen Begegnungsort verlieren würden – sondern auch für zahlreiche Tiere: Vögel, Insekten und Kleinsäuger haben hier ihre Nische gefunden.

Besonders in Zeiten der Klimakrise spielt jede Grünfläche eine wichtige Rolle: „Die Bäume spenden Schatten, sorgen für kühlere Temperaturen und binden CO₂. Wenn sie gefällt werden, verlieren wir einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Mikroklimas“, betonte eine Anwohnerin. Darüber hinaus hat die Versiegelung von Böden weitreichende Folgen. Grünflächen wie der bedrohte Hinterhof absorbieren Regenwasser und verhindern, dass es unkontrolliert in die Kanalisation abfließt – ein entscheidender Schutz vor urbanen Überschwemmungen.

In einem bereits stark versiegelten Viertel wie Plagwitz könnte der Verlust einer weiteren Fläche das Risiko von Überflutungen nach Starkregen weiter erhöhen. Diese Problematik wird auch deutlich, wenn man die Klimaanalysekarten der Stadt Leipzig anschaut: Sie zeigen auf, wie sehr das Viertel, in dem gerodet und gebaut werden soll, bereits versiegelt ist und wie dies zu einer starken bzw. teilweise extremen Hitzebelastung führt. Für mehrere Bereiche in Plagwitz ist der Planungshinweis zu entnehmen, dass „Maßnahmen zur Verbesserung der thermischen Situation […] notwendig und prioritär“ und dementsprechend Nachverdichtungen gänzlich zu vermeiden und „Blockinnenbereiche von Bebauung freizuhalten und ggf. zu entsiegeln“ seien.

Durch die geplante Bebauung würden diese dringlichen Maßnahmen der Stadtklimaanalyse Leipzig komplett ignoriert werden: Die Interessen vom Investor scheinen einen höheren Stellenwert zu haben als der Schutz des Lebensraums der Tiere oder der Schutz vor Überhitzung. Das ist insbesondere in Zeiten von Klimakrise und Artensterben fragwürdig: „Ein Garten mit einigen großen Bäumen klingt vielleicht wenig, aber wenn immer mehr Flächen versiegelt werden, summiert sich das sehr schnell. Der Schutz des Klimas beginnt vor unserer Haustür“, mahnte eine Person aus der Nachbar*innenschaft, die sich solidarisch mit dem Protest zeigte.

Die Anwohner*innen hatten sich im vergangenen Jahr mit ihrem Anliegen, eine Bebauung zu verhindern, an den Stadtrat gewandt. In mehreren Sitzungen diskutierten die Abgeordneten über das Für und Wider. Letzten Endes entschied sich der Stadtrat mehrheitlich dafür, das Stadtklima zu schützen und das Grundstück vor der Versiegelung zu retten. Leider konnte der Stadtratsbeschluss aus juristischen Gründen nicht umgesetzt werden. Die Gesetzeslage müsste sich also ändern, damit eine Bebauung von Innenhöfen nicht mehr so leicht möglich wäre. Eine Lösung für den Wohnungsmangel bestünde beispielsweise darin, dass Eigentümer*innen leerstehende Häuser auf bereits versiegelten Flächen nicht jahrelang als Spekulationsobjekte nutzen dürften, sondern sie zu Wohnungszwecken nutzbar gemacht werden müssten.

Nur gemeinsam kann verhindert werden, dass einer der letzten grünen Hinterhöfe von Plagwitz dem Beton weichen muss. Grünflächen sind nicht einfach nur grüne Flächen – sie sind die Lunge unserer Stadt.

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Selten konnte man bisher so gut in Text sowie Bild erkennen, dass einem Autor die Sichtbarkeit sehr am Herzen lag. Und ein bißchen auch der Hinterhof.

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