Premiere für Olaf Scholz: Der Kanzler stellte sich erstmals bei der traditionellen Sommerpressekonferenz in der Hauptstadt den Fragen der Medien – und das waren nicht eben wenige. Dabei kündigte er weitere Entlastungen an. Die obersten Verfassungsschützer Thüringens und Brandenburgs warnen wegen der Energiekrise vor Massenprotest und Krawallen in der Herbst- und Wintersaison. Und: Die Ukraine hofft, der Krieg könne noch dieses Jahr enden – aus einem ganz bestimmten Grund. Die LZ fasst zusammen, was am Donnerstag, dem 11. August 2022, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.
Weitere Entlastungen für Bürger, Lob für Lindner – und vielleicht eine neue Pipeline?
Corona, Energieknappheit, Krieg, Inflation, Cum-Ex-Geschäfte – die Liste an Themen war lang und selten angenehm für Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD), der sich zum Ende der Sommerpause heute traditionell den Fragen der Hauptstadtpresse stellte. Wie die ARD analysierte, sei sich der Kanzler in seinem Stil treu geblieben, habe auf Fragen oft unkonkret und ausgedehnt geantwortet. Wurde es für ihn persönlich heikel, wie in der Cum-Ex-Steueraffäre, zeigte sich der Regierungschef dann auch mal zugeknöpft und schmallippig.
Scholz kündigt weitere Entlastungen an https://t.co/JeVtgLOo7J #Scholz #Bundespressekonferenz
— tagesschau (@tagesschau) August 11, 2022
Unter anderem gab Scholz bekannt, die Bevölkerung angesichts stark steigender Preise und Energieknappheit mit einem weiteren Entlastungspaket unterstützen zu wollen. Auch in derart schwierigen Zeiten, so die Botschaft, werde niemand allein gelassen und vor unlösbare Schwierigkeiten gestellt. Die umstrittenen Vorschläge seines Finanzministers Christian Lindner (43, FDP) bezeichnete Scholz als „sehr hilfreich.“
Einen Nachtragshaushalt solle es nicht geben. Scholz werde sich zudem für den Bau einer Pipeline zur Erschließung neuer Energiequellen starkmachen, die von Portugal aus über Spanien und Frankreich bis nach Mitteleuropa führen soll. Ein solches Projekt war vor ein paar Jahren als unrentabel gestoppt worden – schließlich lieferte Russland doch immer zuverlässig billiges Gas nach Europa. Ein Narrativ wie aus einer anderen Zeit.
Scholz zwischen Schmallippigkeit und Zuversicht
Auch die Ukraine solle weiterhin Hilfe durch Waffenlieferungen erhalten. Wer die Verantwortung für den Angriffskrieg trägt, daran ließ Scholz keine Zweifel: Russlands Präsident Wladimir Putin (69).
Im Cum-Ex-Skandal um die Hamburger Warburg Bank wies Scholz jede Verantwortung zurück. Über die beim Ex-SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs (58) jüngst gefundenen mehr als 200.000 € wisse er nichts. Das Geld hatten Ermittler bei Durchsuchungen, die mit der Affäre im Zusammenhang stehen, in einem Bankschließfach aufgespürt.
In Bezug auf die Krise setzte Scholz weiterhin auf die Verbreitung von Zuversicht – trotz all der schlechten Neuigkeiten dieser Tage. Mit sozialen Unruhen wegen explodierender Energie- und Lebensmittelkosten in Deutschland rechne er nicht, betonte Scholz.
Verfassungshüter in Sorge: Kommt der „Wutwinter“ 2022/23?
Ein Optimismus, den nicht jeder teilt. Besonders zwei Männer könnten sich bei dieser Prognose des Kanzlers die Stirn gerunzelt haben: Stephan Kramer, seit 2015 Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, und dessen brandenburgischer Amtskollege Jörg Müller. Beide Behördenleiter gehen davon aus, dass der Herbst und Winter Massenproteste und Krawallen auf die Straßen der Republik bringen könnten.
Selbst die teils gewalttätigen Aufmärsche in der Phase der Corona-Pandemie 2020 und 2021 könnten sich gegen das, was nun kommt, als „Kindergeburtstag“ erweisen, warnte Kramer jetzt im ZDF.
"Ob aus dem Verzweiflungswinter ein #Wutwinter wird, das hat die Bundesregierung im Grunde genommen in der Hand. Wenn der Kanzler mit seinem Versprechen Ernst macht, 'You'll never walk alone', dann kann es auch ein Winter des neuen Zutrauens werden."
— Ulrich Schneider (@UlrichSchneider) August 8, 2022
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Auch Jörg Müller äußerte sich vor kurzem ähnlich: Extremisten könnten versuchen, die Existenzangst vieler Menschen gezielt für eigene Interessen zu kapern.
Ob es wohl tatsächlich zum befürchteten „Wutwinter“ kommt? Niemand weiß es heute genau. Bleibt im Fall der Fälle wohl nur die Hoffnung, dass die Sicherheitsbehörden diesmal besser vorbereitet sind als noch vor ein oder zwei Jahren. Und noch besser, das Szenario gewalttätiger Ausschreitungen träte gar nicht erst ein.
Kiew spekuliert auf Kriegsende 2022
Fast ein halbes Jahr nach Beginn des russischen Angriffs auf die benachbarte Ukraine scheint ein Ende des Krieges, der schon so viel Leid verursacht und Millionen Menschen in die Flucht getrieben hat, weiterhin in der Ferne zu liegen. Doch Gedankenspiele über die Beendigung der Kämpfe machen in Kiew die Runde – und das nicht grundlos: Kommt es bis zum Beginn der Heizperiode nicht zu einem Waffenstillstand, könne Russland die ukrainische Infrastruktur zur Wärme- und Energieversorgung zerstören, so der Leiter des Präsidialamtes in Kiew.
Woraus der ukrainische Präsident erneut die Forderung nach Waffen an den Westen ableitete: Die weitere Kriegsdauer hänge wesentlich vom Verlust der russischen Seite ab – und dieser wiederum von der militärischen Ausstattung, sagte Wolodymyr Selenskyj (44).
Kämpfe gehen weiter – Explosionen auf der Krim
Währenddessen gehen die Kämpfe im Donbass weiter, russische Truppen setzten ihren Vormarsch in der Region fort. Dabei seien in den Städten Bachmut und Donezk mehrere Zivilisten getötet worden. In der besetzten Stadt Melitopol im Süden der Ukraine soll es am Mittwochabend zudem zu mehreren Explosionen gekommen sein. Die Angaben zwischen den Kriegsparteien gehen jedoch oft auseinander und lassen sich meist nicht neutral prüfen.
Zudem wird heftig über das Geschehen auf der 2014 durch Russland annektierten Halbinsel Krim spekuliert – auch hier kam es offenbar zu Detonationen, bei denen Militärflugzeuge Russlands auf einem Stützpunkt zerstört worden. Moskau bestreitet dies offiziell, während auch Kiew zumindest die Explosionen nicht für sich in Anspruch nimmt. Doch in einem Krieg ist jede Menge möglich. Daher dürfte die Frage der Urheberschaft weiter für reichlich Spekulation sorgen.
Elsterbecken: Extremes Niedrigwasser und Zivilisationsmüll in Leipzig
Wenn man dieser Tage am Elsterbecken die Augen öffnet, kann man zwei Phänomene gleichzeitig betrachten. Einerseits die Auswirkungen der anhaltenden Dürre auch in diesem Jahr, denn im Elsterbecken war heute so gut wie kein Wasser mehr.
Gleichzeitig kommt dadurch auch zu Tage, was die Menschen alles so ins Wasser werfen. Man kommt nicht umhin, darin zwei Ausprägungen des gleichen Phänomens zu sehen: der arglose bis fahrlässige Umgang des Menschen mit dem Klima und der Natur.
Worüber die LZ heute berichtet hat: Über das nächste Seeklang-Festival, das neue Energie- und Klimaschutzprogramm Leipzigs, eine potenzielle Anschlusslösung für das auslaufende Neun-Euro-Ticket, einen neuen Forstwirtschaftsplan und die Geschichte des legendären MOSAIK von Johannes Eduard Hegenbarth (1925–2014) – besser bekannt als Hannes Hegen.
Was sonst noch wichtig war: Sachsens Polizei ermittelt aktuell aufgrund mehrerer Verdachtsfälle von Rechtsextremismus in den eigenen Reihen.
Untersuchungen laufen auch in NRW, nachdem ein 16-jähriger Junge bei einem Einsatz durch polizeilichen Schusswaffengebrauch ums Leben gekommen war. Der Teenager soll mit einem Messer auf einen Beamten losgegangen sein. NRW-Innenminister Herbert Reul (69, CDU) hat Aufklärung zugesichert, die Polizei jedoch gegen Kritik verteidigt.
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