Am Wochenende sind mehrere hundert Menschen in Leipzig auf die Straße gegangen, um gegen einen Autobahnbau und Missstände bei der Jugendhilfe zu protestieren. Die Zahl der Teilnehmer/-innen blieb dabei teils deutlich unter den Erwartungen. Außerdem: Während der „Critical Mass“ am Freitagabend kam es zu einem Crash mit einer Straßenbahn und die jüngste Böhmermann-Sendung sorgt für interne Ermittlungen bei der Polizei – auch in Leipzig. Die LZ fasst zusammen, was am Wochenende, 28./29. Mai 2022, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Deutlich weniger Menschen als von den Veranstalter/-innen erwartet sind am Sonntag, dem 29. Mai, über den Ring gelaufen, um gegen den Weiterbau der Autobahn A20 zu demonstrieren. „Fridays for Future“ und andere Klimaschutzorganisationen machen gegen die Pläne mobil, die A20 von Schleswig-Holstein nach Niedersachsen zu verlängern. Etwa 400 Personen beteiligten sich an dem Protestzug in Leipzig.

Das erscheint ziemlich wenig, war die Veranstaltung doch als „Großdemo“ mit Anreisenden aus zahlreichen Bundesländern angekündigt. Etwa 1.500 Personen hatten die Veranstalter/-innen erwartet.

Anlass für die Demo ist der am Dienstag am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig beginnende Prozess zum Weiterbau. Die Naturschutzorganisation BUND und mehrere Landwirte hatten gegen das Großprojekt geklagt. Sie befürchten unter anderem massive Auswirkungen auf die Ökosysteme.

Bei der Auftaktkundgebung vor dem Hauptbahnhof sprachen Aktivist/-innen eines Protestcamps nahe Oldenburg. Dieses befindet sich auf dem Grundstück eines Landwirts, der den Protest unterstützt, weil ihm die Enteignung droht. Bei der Abschlusskundgebung auf dem Simsonplatz sprach unter anderem die „Fridays for Future“-Aktivistin Luisa Neubauer. (Video folgt)

Jugendhilfe-Demo am 28. Mai 2022 + Video

Bereits am Samstag fand in Leipziger Innenstadt eine weitere wichtige Demonstration statt. Diese befasste sich mit dem Thema Jugendhilfe und der Situation von Kindern und Jugendlichen, die nicht mehr in ihrer eigentlichen Familie leben (können).

Diese jungen Menschen würden häufig stigmatisiert und vom Staat nicht die nötige Hilfe erhalten, hieß es auf der Kundgebung. Viele hätten kaum berufliche Perspektiven, wenn sie 18 werden; andere würden unter Zwangsmaßnahmen wie Freiheitsentzug und Medikamentenverabreichung leiden. In entsprechenden Institutionen käme es deshalb immer wieder zu Suiziden.

Mit einem Zwischenfall, der schlimm hätte enden können, ging schon am Freitagabend die monatliche gemeinsame Radtour unter dem Namen „Critical Mass“ über die Bühne. Wie eine Teilnehmerin auf Twitter mitteilte, sind auf der Karl-Liebknecht-Straße eine Straßenbahn und ein Fahrrad kollidiert. Laut der Teilnehmerin hat der Straßenbahn-Fahrer die Kollision verursacht. Personen seien nicht zu Schaden gekommen.

https://twitter.com/VioletRiot161/status/1530237898842570752

„Superblock“ im Leipziger Osten funktioniert + Video

Was im Vorfeld für teils heftige Debatten im Netz gesorgt hatte, entpuppte sich am 27. Mai 2022 als entspannte Geschichte im Viertel entlang der Eisenbahnstraße. Vor allem an der Kreuzung Hildegard-/Ludwigstraße war ab 14 Uhr ein regelrechtes Straßenfest mit Comedyvorstellungen, Liveband und Disko in den Abend hinein im Gange, nachdem der Bereich als sogenannter „Superblock“ umzäunt und damit lose abgesperrt war.

Während die jeweils 50 Meter Straßenraum mal ausnahmsweise nicht den Autos als Parkraum zur Verfügung standen, konnten sich so Kinder beim Straßenmalen betätigen, es gab rege Gespräche an den aufgestellten Sitzmöglichkeiten und so manchem Anwohner wurde vielleicht das erste Mal überhaupt deutlich, wie breit die sonst sehr engen Straßen im Viertel in Wirklichkeit sind.

Was wie ein Jux wirken könnte, hat jedoch ernste Hintergründe für die Zukunft des urbanen Lebens in Leipzig. Nach dem Vorbild Madrids sollen laut einem Stadtratsbeschluss Stück um Stück gemeinsam mit der Stadtverwaltung in Vierteln wie derzeit im Leipziger Osten versucht werden, zumindest einige Straßen wieder weitgehend frei von geparkten Autos zu bekommen. Und diese so den Anwohnern als Treffpunkt, Spielbereich und auch von Unfällen ungefährdeten Bereich zurückgeben.

Die Organisatoren rings um Ariane Jedlitschka vom ortsansässigen „Helden wider Willen e. V.“, Stadtrat Tobias Peter und Ulrike Gebhardt (beide Grüne) zeigten sich durchweg positiv überrascht über das gemischte Publikum und das Feedback der Anwohnerschaft. Bereits im Ende Juni soll sich das Schauspiel, welches stets um Bürgerumfragen zum Thema ergänzt wird, dann im Viertel wiederholen. Die ganze Erprobung wird vom Tiefbauamt der Stadt Leipzig und der Universität Leipzig begleitet und evaluiert.

Dabei soll ermittelt werden, wo solche Einrichtungen dauerhaft bestehen können, um die Lebensqualität in den Vierteln nachhaltig zu steigern.

Straftaten im Netz und eine untätige Polizei

Abseits von Demonstrationen, Fahrradaufzügen und Verkehrsprojekten gab es ein Thema, das am Wochenende für Diskussionen sorgte: Die neueste Sendung des „ZDF Magazin Royale“, die eine Recherche offenlegte: In allen Bundesländern waren bei der Polizei sogenannte Hassreden angezeigt worden, die das Team vor zwei Jahren gefunden hatte. Die Reaktion der Polizei war jedoch unterschiedlich: Manche bearbeiteten die Fälle schnell, andere gar nicht.

In mehreren Bundesländern laufen deshalb bereits Ermittlungen wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt. Das betrifft auch die Polizeidirektion Leipzig, wo eine Anzeige offenbar intern nicht weitergeleitet wurde. Auf der Polizeiwache in Magdeburg sollen die Anzeigenersteller/-innen sogar mit offenkundigem Desinteresse abgewiesen worden sein.

Worüber die LZ am Wochenende berichtet hat: über einen autofreien Innenstadtring im kommenden Jahr, über die gestiegenen Kosten für die Brücke des 18. Oktober und über 40 Millionen Euro für die Ukrainer/-innen.

Was am Wochenende außerdem wichtig war: Im Vorfeld des um mehr als 30 Minuten verschobenen Champions-League-Finalspiels der Herren kam es zu Auseinandersetzungen am Stadioneinlass mit mehr als 100 Festnahmen, die Gesellschaftssatire „Triangle of Sadness“ hat den Hauptpreis beim Filmfestival in Cannes gewonnen und neben Klima- und Ukrainekrise droht nun etwas fast noch Schlimmeres: eine Spargelkrise.

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