Begleitet von massivem Gegenprotest marschierten in Dresden am Sonntag mehrere hundert Neonazis durch die Stadt, um mit Verweis auf die Bombardements der Alliierten am Ende des Zweiten Weltkriegs wieder einmal einen Opfermythos in Bezug auf Deutschland zu pflegen. In Berlin wurde Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durch die Bundesversammlung erwartungsgemäß für eine zweite Amtszeit bestätigt und auf internationaler Bühne steigt die Angst vor einer kriegerischen Auseinandersetzung um die Ukraine weiter. Die LZ fasst zusammen, was am Wochenende, dem 12. und 13. Februar 2022, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.
Dresden und der rechtsextreme Opfermythos
Mehr als 20.000 Menschen – die genaue Zahl kennt keiner, seriöse Schätzungen gehen bis etwa 25.000 – verloren im Februar 1945 bei Luftangriffen der Alliierten auf Dresden ihr Leben. Eine Angriffswelle begann damals, kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs, am 13. Februar. Für Rechtsextreme stellt dieses Datum bis heute einen jährlichen Markstein dar, den sie nur allzu gern als Vehikel für einen Opfermythos nutzen.
Den pflegten sie auch am Sonntag – und überschatteten so die offizielle Gedenkveranstaltung der Stadt Dresden, bei der mit einer Kranzniederlegung auf dem Nordfriedhof sowohl an die Toten der Bombardements als auch an die Millionen Opfer von Krieg und Terror der Nationalsozialisten gedacht wird.
„Bombenholocaust“ und Attacken auf die Presse
Unsere Kollegen haben den rechtsextremen Aufmarsch und das Lager der Gegenproteste vor Ort begleitet. Die offizielle Neonazi-Demo wurde kurz nach 15 Uhr beendet, die Polizei trennte die beiden Blöcke. Für Aufregung sorgte unter anderem ein Transparent der Rechtsextremen mit der Aufschrift „Bombenholocaust“ – eine Bagatellisierung des industriellen Massenmords, die aber laut Behörden nicht strafbar sein soll.
Außerdem kursieren in sozialen Netzwerken Videos, die Bedrohungen und Angriffe von Rechten auf Pressevertreter nach Abschluss der Kundgebung zeigen. Dabei werden auch Vorwürfe an die Polizei laut, dass die attackierten Journalistinnen und Journalisten nun selbst als Beschuldigte gelten würden. Die Polizei erklärt dies mit vorliegenden Gegenanzeigen.
Okay, wow…
Wir werden in #Dresden-Laubegast von Neonazis hunderte Meter verfolgt. Es gibt zahlreiche Tritte, Schläge mit versch. Gegenständen.
Wir wählen den Notruf. Jetzt sind wir Beschuldigte einer gemeinschaftlichen schweren Körperverletzung. Ja, wir!#dd1302 pic.twitter.com/RztVRykYoL— vue.critique (@vuecritique) February 13, 2022
Weitere Details zum Dresdener Demotag gibt es hier im Liveticker nachzulesen.
Neues und altes Staatsoberhaupt: Steinmeier setzt sich für zweite Amtszeit durch
Frank-Walter Steinmeier (SPD) bleibt Bundespräsident und damit Staatsoberhaupt Deutschlands. Die Bundesversammlung wählte den 66-Jährigen am Sonntag mit einer komfortablen Mehrheit von 1.045 Stimmen (bei 1,425 gültigen) für eine zweite Amtszeit.
In seiner Anschlussrede thematisierte Steinmeier sowohl die Gefahr einer militärischen Eskalation des Ukraine-Konflikts als auch die gesellschaftlichen Bruchlinien innerhalb Deutschlands. Neben einer Warnung an den Kreml verwies er auf die Wichtigkeit von Kontroversen in einer Demokratie – die rote Linie sei jedoch bei Hass und Gewalt überschritten.
Mit seiner Wiederwahl setzte sich Steinmeier erwartungsgemäß gegen die Mitbewerber Gerhard Trabert (65) für die Linken, CDU-Mitglied Max Otte (57) für die AfD und Stefanie Gebauer (41) für die Freien Wähler durch.
Vorwürfe gegen Steinmeier
Steinmeier, geboren in Detmold und studierter Jurist, trat seit den frühen neunziger Jahren zunächst in der niedersächsischen Landespolitik auf. Der damalige Ministerpräsident Gerhard Schröder machte den jungen Mann zum Büroleiter, mit Schröders Kanzlerschaft stieg Steinmeier 1999 zum Chef des Bundeskanzleramts auf. In einer Großen Koalition unter Angela Merkel war er dann zweimal Außenminister Deutschlands (2005–2009 und 2013–2017).
Vielen gilt er als Brückenbauer, sympathisch, warmherzig und besonnen. Andere dagegen kritisieren ihn als „neoliberalen Machtmenschen“, verweisen unter anderem auf seine Rolle bei Schröders umstrittenen Sozialreformen (Agenda 2010) und die Affäre um den deutschen Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz.
Ukraine: Droht ein Krieg in Europa?
Kommt es vor der Haustür von EU und NATO zu einem Krieg? Seit Wochen zieht Russland immer mehr Soldaten auf seinem Staatsgebiet an der Grenze zur Ukraine zusammen, 130.000 sollen dort aktuell stationiert sein.
In den vergangenen Tagen hatte sich die Lage nun massiv zugespitzt, vor allem aufgrund von Geheimdienst-Warnungen der USA, die einen russischen Einmarsch in die Ukraine bereits in der neuen Woche (14.–20. Februar) für möglich halten. Westliche Staaten, darunter inzwischen auch Deutschland, haben ihre Bürgerinnen und Bürger bereits zur vorsorglichen Ausreise aus der Ukraine aufgefordert.
Das russische Lager bestreitet dagegen die vom Westen befürchteten Invasionspläne: Die US-Warnungen vor einem Angriff seien nur „Hysterie“, ätzte Juri Uschakow, außenpolitischer Berater von Präsident Wladimir Putin (69) am Samstag.
Ukraine-Krise: Bundesregierung erwägt Rüstungshilfe https://t.co/0M4vTRZC3i #Ukraine #Bundesregierung #Waffenlieferung
— tagesschau (@tagesschau) February 13, 2022
Währenddessen wird die Situation als „sehr, sehr ernst“ eingestuft. Die Bundesregierung stellte nun auch konkrete Rüstungs- und Wirtschaftshilfen für die Ukraine in Aussicht, lehnt die Lieferung tödlicher Waffen jedoch weiterhin ab.
Stadtratsbeschlüsse, Matthäikirche und Gedanken zur Friedenspolitik
Worüber die LZ am Wochenende berichtet hat: Neben dem Liveticker zum Demogeschehen in Dresden geht es um den Stadtrat und einen künftigen Ehrenbürger Leipzigs, die Forschung zu vergangenen Pandemien, einen satirischen Blick von Tom Rodig und Leipzigs Gästetaxe.
Auch am Sonntag beschäftigte uns der Stadtrat: Thema sind die Planungen zur Lyoner Brücke und zum radfahrerfreundlichen Umbau der Wodanstraße. Außerdem sollen Dölitz-Lößnig-Dösen-Marienbrunn ein Stadtteilzentrum erhalten und Leipzig einen Wärmeplan.
Gastbeiträge stellen zudem wieder ein verlorenes Kirchenbauwerk vor, diesmal die bekannte Leipziger Matthäikirche (Holger Zürch), und reflektieren über eine Friedenspolitik in außenpolitisch mehr als unsicherer Zeit (Christian Wolff).
Proteste in Leipzig, Pensionierung von AfD-Maier, Klimaaktion am Kanzleramt und Rettungsaktion im Mittelmeer
Was sonst noch wichtig war: Das Solidaritätsnetzwerk Leipzig vermeldet eine erfolgreiche Aktionswoche gegen die spürbare Teuerung von Waren des täglichen Bedarfs, die am Samstag zu Ende ging.
Video LZ
Auch wurde in Leipzig wieder mal gegen Corona-Maßnahmen protestiert.
Video LZ
Willkommen und Rausschmiss? Sachsen erwägt, den als rechtsextrem eingestuften Richter Jens Maier (AfD) in Pension zu schicken, nachdem dieser infolge seines verlorenen Bundestagsmandats wieder in den Staatsdienst zurückwill.
Nach umstrittenen Autobahnblockaden haben Klimaaktivistinnen und -aktivisten Samstag am Kanzleramt Kartoffeln pflanzen wollen.
Im Mittelmeer sind über 200 Menschen aus überfüllten Booten gerettet worden, die von Afrika nach Europa übersetzen wollten.
Scholz reist in die Ukraine
Was morgen wichtig wird: Deeskalationsversuche – Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD) reist zunächst zu Gesprächen in die Ukraine und am Dienstag weiter zu Russlands Präsident Putin.
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