Erneut konnten hunderte „Querdenker“ am Samstag durch Leipzig laufen, bis die Polizei sie mit einem Kessel stoppte. Als einige Dutzend daraus ausbrechen wollten, stürmten sie auf das Gelände der Psychiatrie. Außerdem: Jan Böhmermann macht einen deftigen Scherz, der Kinder beinhaltet, und ein konservatives Medium versteht Satire mal wieder nicht. Die LZ fasst zusammen, was am Wochenende, 29./30. Januar 2022, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Dass in Leipzig erneut Corona-Verharmloser/-innen demonstriert haben und die Polizei zunächst nur Spalier stand, wäre für sich genommen wohl keine Meldung gewesen, die überregional für Aufmerksamkeit sorgt. Doch an diesem Samstag, dem 29. Januar, war es ein bisschen anders.Zunächst sammelten sich die „Querdenker“ in der Nähe des Völkerschlachtdenkmals, exakt so, wie es auf Telegram beworben wurde. Wenig später liefen hunderte Personen stadteinwärts die Prager Straße entlang. Der Polizei gelang es dann zwar, eine Polizeikette zu ziehen – blöderweise waren die „Querdenker“ da schon längst weg. Es traf dann Antifaschist/-innen, die versuchen wollten, die Demo zu blockieren.

50 Personen auf Uniklinik-Gelände festgesetzt

Auf der Philipp-Rosenthal-Straße landeten die Corona-Freund/-innen schließlich in einem Polizeikessel. Mehrere Dutzend Personen stürmten auf das Gelände der zur Uniklinik gehörenden Psychiatrie. Die Polizei setzte etwa 50 Menschen dort fest und ermittelt nun wegen Haus- beziehungsweise Landfriedensbruch. Der Rest durfte sich nach einer halben Stunde in Kleingruppen aus dem Kessel entfernen. Mehr geschah an jenem Nachmittag nicht.

Lässt man mal den rechtsstaatlichen Aspekt weg – natürlich war es illegal, gewaltsam die Polizeikette zu durchbrechen –, stellt sich durchaus die Frage nach der Absicht der „Querdenker“. Aus der Perspektive vor Ort war nicht ersichtlich, dass es sich um das Gelände einer medizinischen Einrichtung handelt. Schilder oder ähnliches sind auf dieser Seite des Gebäudes nicht vorhanden. Ob die Personen individuell trotzdem wussten, wo sie sind, lässt sich nicht nachvollziehen.

Klar ist also, dass die Corona-Verharmloser/-innen, die auf das Gelände stürmten, eine Straftat begangen und den dort befindlichen Patient/-innen sicherlich keinen Gefallen getan haben. Eine gezielte Aktion war es aber wohl nicht – eher der Versuch, schnellstmöglich aus dem Polizeikessel zu entkommen. Ein zunächst nicht von der Polizei bewachtes Tor bot sich dafür an.

Polizeitaktik fragwürdig

Klar ist auch, dass die Polizei mehr für den Schutz dieser Einrichtung hätte tun können. Wenn „Querdenker“ demonstrieren, sollte man medizinische Einrichtungen genau im Blick haben, schließlich waren Impfzentren und Krankenhäuser schon mehr als einmal im Visier von Impfgegner/-innen.

Nahezu grotesk mutet es in diesem Zusammenhang an, was die Polizei in Berlin am Gästeblock von Chemie Leipzig aufgeboten hat.

Warum die Polizei dort in dieser Form präsent war, ist unklar. Es war keine brisante Ansetzung. Eine Medieninformation, die über massive Gewalt seitens der Chemie-Fans berichtet, gibt es bislang nicht. Vielleicht einfach ein normaler Umgang mit Fußballfans. Vielleicht vor allem dann, wenn sie links sind.

Neben den „Querdenkern“ waren am Samstag übrigens auch Lebensmittelretter/-innen unterwegs. Wir haben eine Aktion auf dem Leuschnerplatz begleitet – viele Fotos und einen Text zum Geschehen gibt es hier.

Ständig infizieren sich die Kinder

Ein weiterer Aufreger des Wochenendes war die bereits am Freitagabend ausgestrahlte Rückkehr von Jan Böhmermann aus der Winterpause. Diese beinhaltete unter anderem Passagen wie: „Was die Ratten in der Zeit der Pest waren, sind Kinder zurzeit für COVID-19: Wirtstiere. Ständig infizieren sie sich mit irgendwelchen Viren. Und was machen die unverantwortlichen kleinen Halbmenschen dagegen? Nichts! Setzen sich jeden Tag in eiskalte Klassenräume.“

Ob es eine gute Idee ist, Menschen mit Tieren gleichzusetzen, auch im Rahmen einer Satire, sei mal dahingestellt; erstaunlich ist in jedem Fall, wie das Axel-Springer-Blatt „Die Welt“ zu der Erkenntnis gelangte, dass sich Böhmermann damit Kinder „vorgeknöpft“ habe. Genau das Gegenteil ist offenkundig der Fall: Die Zeilen richten sich gegen alle, die Kinder trotz Rekordinzidenzen in jener Altersgruppe weiter in Kitas und Schulen schicken.

Grünen-Spitze und Probleme beim Wohnungsbau

Worüber die LZ am Wochenende berichtet hat: Schulen in Leipzig sollen künftig häufiger die Namen von Frauen tragen, das Stadtteilzentrum in Leutzsch soll mehr Aufenthaltsqualität erhalten und der Wohnungsberechtigungsschein soll künftig kostenlos sein.

Was am Wochenende außerdem wichtig war: Die Grünen haben ihre neuen Vorsitzenden gewählt. Wie erwartet haben sich Ricarda Lang und Omid Nouripour durchgesetzt. Außerdem: Durch den KfW-Förderstopp sind laut LVZ hunderte Sozialwohnungen bedroht, die die LWB in den nächsten Jahren errichten wollten.

Was am Montag passieren wird: Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ ruft am Abend erneut zum Protest gegen „Querdenker“ auf. Diesmal stehen unter anderem der Augustusplatz, Gohlis und Markkleeberg im Fokus.

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