Nach fünf Tagen Lokführerstreik rollt der Bahnverkehr im Land wieder weitgehend normal. Einer Konfliktlösung aber sind die Streitparteien faktisch nicht nähergekommen. Die Impfmüdigkeit gegen COVID-19 macht sich im Freistaat Sachsen besonders bemerkbar, wo nun ein Drei-Stufen-Modell neue Anreize bieten soll. Und: Die letzte Sitzung des Deutschen Bundestags vor der anstehenden Wahl geriet zum Schlagabtausch und zur Bestandsaufnahme, wo Deutschland am Ende der Ära Merkel steht. Die LZ fasst zusammen, was am Dienstag, den 7. September 2021, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Nur scheinbar wieder Normalität eingekehrt

Alles nun in Ordnung bei der Bahn? Nicht so wirklich – auch wenn Reisende und Pendler vorerst aufatmen können, denn seit dem offiziellen Ende des Streiks der Lokführergewerkschaft GDL am frühen Dienstagmorgen rollen S-Bahnen, Regional- und Fernzüge in Deutschland wieder weitgehend im Rhythmus der Fahrpläne – von kleinen Unregelmäßigkeiten abgesehen.

Doch im Hintergrund schwelt der Tarifstreit zwischen der Deutschen Bahn und den Lokführern mit GDL-Chef Claus Weselsky (62) als prominentem Aushängeschild weiter. Zankapfel ist einerseits das liebe Geld: Weselsky fordert 3,2 % mehr Lohn für die Beschäftigten – die Bahn hatte dem zugestimmt, wollte die Auszahlung jedoch über eine deutlich längere Laufzeit strecken – sowie eine einmalige Corona-Prämie von 600 Euro. Zuletzt hatte die Bahn Entgegenkommen signalisiert. Außerdem ist die künftige Art der Altersvorsorge ein weiterer Konfliktpunkt.

Dem GDL-Chef geht es wohl noch um mehr

Darüber hinaus dürfte es, so jedenfalls die Vermutung, dem inbrünstig kämpfenden Gewerkschaftsführer aber noch um etwas anderes gehen, nämlich die Ausweitung des GDL-Einflusses gegen die als Konkurrentin geltende Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft. Letztere ist in den DB-Betrieben nach Angaben des Konzerns meist stärker vertreten – und nach geltendem Gesetz kann nur der Tarifvertrag der Arbeitnehmervertretung angewandt werden, der die meisten Mitglieder stellt.

Kämpft mit Nachdruck: GDL-Chef Claus Weselsky (62). Foto: GDL
Kämpft mit Nachdruck: GDL-Chef Claus Weselsky (62). Foto: GDL

Daher will Weselsky offenbar auch für andere DB-Beschäftigte – etwa aus der Verwaltung, den Werkstätten und der Infrastruktur – mitverhandeln. Ob dieser Plan aufgeht, ist derzeit nicht vorhersehbar, ebenso der Ausgang des Tarifstreits. Die Fronten scheinen komplett verhärtet.

Der heute vorerst beendete Ausstand war mit 110 Stunden (Personenverkehr) bzw. 118 Stunden (Güterverkehr) der zweitlängste in der GDL-Geschichte. Nur im Mai 2015 hatten die Lokführer noch länger die Arbeit niedergelegt (127 Stunden bzw. 138 Stunden im Güterverkehr). Ein Versuch der Bahn, den Streik gerichtlich stoppen zu lassen, war vergangene Woche krachend gescheitert.

Drosten sieht keine Chance für entspannten Herbst

Erinnern wir uns: Jeder Mensch in Deutschland solle bis zum Ende des Sommers ein Impfangebot haben – so das kühne und oft mit Skepsis gesehene Versprechen der Politik im Frühjahr 2021. Damals erschien es vielen fraglich, ob bis zum Sommerabgang – der kalendarische Herbst beginnt am 22. September – überhaupt genügend Impfstoff bereitgestellt werden kann.

Davon ist nun keine Rede mehr. Impfstoffe stehen en masse zur Verfügung, doch das Tempo der Immunisierung lahmt seit Wochen. In ganz Deutschland genießen aktuell 61,4 % der Bevölkerung vollen Impfschutz – ohne Zweifel eine weit bessere Situation als vor einem Jahr, aber laut dem Virologen Christian Drosten zu wenig, um entspannt Richtung Herbst zu marschieren. Zumal Sachsen mit nur 52,4 % voll Geimpften Schlusslicht in Deutschland ist und noch einmal klar unter der Bundesquote liegt. Zum Vergleich: Spitzenreiter Bremen kann schon 71,4 % Zweitgeimpfte vorweisen.

Drei-Säulen-Modell für Impfungen in Sachsen

Der Freistaat Sachsen setzt daher nun auf ein Drei-Säulen-Modell. Da die Impfzentren wegen geringer Auslastung Ende September ihre Pforten schließen, sollen neben einem Impfangebot über Krankenhäuser sowie Haus- und Betriebsärzte auch 30 mobile Impfteams des Deutschen Roten Kreuzes bis Ende des Jahres  im Einsatz bleiben. So könnten gerade auf dem Land lebende bzw. in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen einfacher erreicht werden.

https://twitter.com/sms_sachsen/status/1435240335769276419

Die Kosten für die Impfteams, die zwischen Bund und Freistaat aufgeteilt werden, kann Sachsen mit seinem bisherigen Budget auch bewältigen, so Sozialministerin Petra Köpping (63, SPD). Das Ziel bleibe die von den Virologen geforderte Herdenimmunität. Bei den aktuellen Zahlen erscheint dieses in Deutschland jedoch sehr ambitioniert – und in Sachsen sowieso.

Dämmerung der Ära Merkel: Wie geht’s dir, Deutschland?

Knapp drei Wochen vor der wegweisenden Wahl am 26. September ist der 19. Bundestag zu seiner wohl letzten Sitzung zusammengekommen. Neben Noch-Kanzlerin Angela Merkel (67, CDU) mischten unter anderem auch die potenziellen Nachfolger Armin Laschet (60, CDU), Olaf Scholz (62, SPD) und Annalena Baerbock (40, Grüne) kräftig mit.

Während die scheidende Amtsinhaberin für ihren Parteifreund Laschet warb und damit Ärger auf den Parlamentsbänken hervorrief, hatte sie doch zugesagt, sich aus dem Wahlkampf herauszuhalten, ließ Scholz Spitzen gegen den Unionskandidaten über dessen Umfragewerte los und griff die Union für ihre Steuerpläne an. Sein Fokus lag auf der Zukunft und einer klimaneutralen Wirtschaft.

Konkurrentin Baerbock warf der bisherigen Bundesregierung Versagen beim Thema Klimaschutz vor. Für die Zukunft seien Vorsorge und Schutz nötig. Laschet wiederum bemühte rhetorisch das rot-grüne Schreckgespenst, das ohne Rücksicht auf Wirtschaft und Jobs durch das Land spuke. Klimaschutz sei wichtig, Deutschland müsse aber auch Industrieland bleiben.

Daneben gaben zwölf weitere Rednerinnen und Redner ihre Einschätzung ab, wo das Land am Ende der Ära Merkel eigentlich steht und welche Zukunftsaufgaben auf die neue Regierung warten. Wie auch immer diese aussehen mag: Sie dürfte viel zu tun bekommen.

Worüber die LZ heute berichtet hat: Die Luftqualität in Leipzig hat sich während der Corona-Beschränkungen deutlich verbessert. Die Buslinie 89 ist nun im Zehn-Minuten-Takt unterwegs. Ein Buch schildert anschaulich, was in Zeiten des Klimawandels mit dem Planeten Erde passiert.

Zudem blicken wir auch auf die gestrige Kundgebung der „Bürgerbewegung Leipzig“ zurück. Und auf das Wahlforum der Landeszentrale für politische Bildung.

Warmer Sommer, Proteste gegen IAA, ein Mordaufruf ohne Strafandrohung und Konfrontation EU vs. Polen

Was heute sonst noch wichtig war: Die diesjährigen Sommermonate waren die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen. Bisher lagen hier die Jahre 2010 und 2018 vorn.

Gegen die Automobilausstellung IAA in München regt sich Protest von Klimaaktivistinnen und -aktivisten. Einige von ihnen seilten sich unter anderem an der A96 von einer Autobahnbrücke ab.

„Hängt die Grünen!“ ist kein strafbarer Wahlkampf-Slogan – das jedenfalls meint die Staatsanwaltschaft Zwickau.

Die umstrittene Justizreform in Polen bringt die EU nun auf Konfrontationskurs. Vor dem Europäischen Gerichtshof tritt die EU-Kommission für Strafzahlungen gegen die Regierung in Warschau ein.

Prozess gegen mutmaßliche Linksextremistin beginnt morgen

Was morgen wichtig wird: Am Oberlandesgericht (OLG) Dresden beginnt der mit Hochspannung erwartete Prozess gegen die 27-jährige Leipzigerin Lina E. sowie drei mutmaßliche Komplizen. Die Studentin soll Kopf einer militant-linksextremen Gruppierung gewesen sein, die zwischen 2018 und 2020 unter anderem Überfälle auf Rechtsextreme in Leipzig, Wurzen und Thüringen beging bzw. plante, so die Bundesanwaltschaft.

Die aus Kassel stammende Lina E. sitzt seit November 2020 in Untersuchungshaft. Aus Teilen der linken Szene wurde bereits Protest gegen den Prozess angekündigt, der als politisch motiviert bezeichnet wird. Aktuell hat der zuständige Staatsschutzsenat Termine bis Ende des Jahres sowie vorsorglich bis März 2022 anberaumt.

Auch die Leipziger Zeitung wird vor Ort sein und von der Verhandlung berichten.

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Nur, um das ein bisschen einzusortieren: Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) gilt als unternehmensnah. Politisch interessierte Bahnfahrer wissen das schon lange, aber sowas ist halt ein Spezialthema.

Es ist klar, dass die Deutsche Bahn AG publizistisch das breite Unwissen über die Vorgeschichte von EVG (und auch GDL) ausschlachten möchte.

Die meisten Kunden im Fernverkehr beschäftigen sich nicht damit, wer alles im Keller arbeitet, damit ihr ICE fährt. Lieber lassen sie sich empören und schimpfen auf “die Gewerkschaften”…

Es ist auch nichts Neues, dass ein Konzern eine freundliche Schattengewerkschaft gründet.

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