Jeder der mal wirklich jung war, wird sich an die manchmal melancholisch-wissenden Blicke der „Ewachsenen“ erinnern. Jaja, wenn ihr mal … Wenn man jung geblieben ist, später, fragt man sich durchaus hier und da: ja, was denn nun? Angepasster vielleicht, vom Leben in Spuren gezwungen und in der Zukunft angekommen, über die man einst so viel nachgedacht hat. Aber so manches Problem ist noch immer wie einst. Die nächste Generation junger Menschen machte sich jedenfalls am 18. Januar in ganz Deutschland auf die Füße, um für ihre Zukunft zu streiken und zu demonstrieren. 800 davon auch in Leipzig.

Sie haben ein Ziel: am 25. Januar tagt mal wieder die Kohlekommission des Bundes, was die Chance einschließt, dass entgegen gerade sächsischer Politik ein rascher Kohleausstieg beschlossen werden kann. Die Signale der Staatsregierung in Sachsen und allen voran den wahlkämpfenden Michael Kretschmer (CDU) sind klar: nein. Wir haben doch noch Zeit, denken wir an die Arbeitsplätze. Hinter den Kulissen geht es jedoch längst darum, wer den Strukturwandel im Leipziger Land und in der Lausitz zahlen soll.

Stark verkürzt wohl Geld contra Zukunft. Eine Zukunft, die die Streikenden anders haben wollen, auch, weil es die ihre ist.

Apropos Streik. Die Leipziger Schüler, die heute wirklich die Schule verließen, wurden natürlich vorab gewarnt. An Leipziger Schulen soll es sogar zu Hinweisen gekommen sein, dass auch eine Entschuldigung der Eltern nicht ausreichend sei, um der Schule fernzubleiben. Nur eine Krankschreibung sei akzeptabel. Die Schulpflicht gebiete eine Anwesenheit, es drohen Verweise durch die Schulleitung.

In diese Richtung positionierte sich am heutigen Tage auch der Vorstand des StadtSchülerRates Leipzig. So „positioniert sich der SSR klar gegen die gewählte Protestform. Wie jeder Arbeitnehmer hat auch der Schüler ein Anrecht darauf, für seine Anliegen zu kämpfen und auch zu streiken. Jedoch darf ein Streik nur für den eigenen Themen- bzw. Arbeitsbereich genutzt werden, was bei Schülern auf bildungspolitischen Interessen zutrifft. (Anmerkung: selbst dieses Recht ist nicht offiziell verankert.)

Dies trifft jedoch aufgrund des fehlenden bildungspolitischen Bezug nicht auf „Fridays for Future“ zu, weswegen wir den Streik am 18.01. nicht unterstützen werden, und den Veranstaltern einen Wechsel auf die Protestform der Demonstration empfehlen. Die teilnehmenden Schüler müssen sich dem bewussten Regelübertritt mit allen Konsequenzen bewusst sein.“

Klingt ein wenig wie: Revolution ja, aber bitte nur mit Fahrschein. Wie sich dies mit der Erziehungshoheit der Eltern verträgt, blieb dabei ungeklärt.

 

Argumente, denen die „Schulschwänzer“ entgegenhalten, dass es wenig Sinn ergibt, für eine Zukunft ohne veränderte Klimapolitik überhaupt noch zu lernen. Die Polizei hielt sich jedenfalls heute aus dieser Frage sichtlich heraus.

Mancher der 800 Teilnehmer stieß also heute erst nach Schulende hinzu, andere verließen den Unterricht, um bereits 12:30 am kleinen Willy-Brand-Platz zu sein und gemeinsam über den Augustusplatz Richtung Leuschner-Platz zu ziehen. Offenbar hatten sie auch einfach keine Lust, später mal so melancholisch-wissend auf die eigenen Kinder zu schauen?

Das nächste Ziel der jungen Leute: In Berlin tagt am Freitag, 25.01., die Kohlekommission, die einen schnellen Kohleausstieg beschließen kann. Dann ist eine Großdemonstration in der Bundeshauptstadt geplant, um vor Ort gegen fossile Brennstoffe zu protestieren. Der nächste „fridayforfuture“ findet dann ab 12:00 Uhr vor dem Bundeswirtschaftsministerium in Berlin für den schnellstmöglichsten Kohleausstieg statt.

Im Aufruf dazu heißt es entgegen der Drohungen von Politik und so mancher Schulleitung: „Wir gehen nicht in die Schule, zur Uni, zur Arbeit. Aus vielen Städten werden Busanreisen geplant.“ Mit Hilfe einer Mitfahrbörse wird es dann möglich sein, aus verschiedensten Städten in die Hauptstadt zu reisen.

Hintergrund

Am 20. August 2018 bestreikte die 2003 geborene schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg ihre Schule und demonstrierte vor dem schwedischen Reichstagsgebäude in Stockholm. Sie erlangte daraufhin nationale und internationale Aufmerksamkeit, sodass sich in verschiedenen Städten weltweit Gruppen bildeten, die sich der Bewegung anschlossen.

Auf der Welt-Klimakonferenz 2018 im polnischen Katowice las die junge Schwedin der Versammlung die Leviten. Seither gilt sie einer wachsenden Anzahl junger Menschen als Vorbild. Die ersten Schulstreiks gab es im September 2018 in Berlin, im Dezember gab es den ersten Streik in Leipzig.

Die Ansprache der 15-jährigen Greta Thunberg in Katowice. Quelle Welt.de/Youtube

Informationen zu #fridaysforfuture

Die Mitfahrbörse im Netz

Impressionen fridaysforfuture-Demo am 18. Januar 2019 in Leipzig

Video: L-IZ.de

Kretschmer-Interview im Deutschlandfunk: Grüner Energieexperte kritisiert Phantomdebatte über Versorgungssicherheit und vermeintlich billigen Kohlestrom

Grüner Energieexperte kritisiert Kretschmers Phantomdebatte über Versorgungssicherheit und vermeintlich billigen Kohlestrom

#fridaysforfuture-Demonstration in Leipzig

#fridaysforfuture-Demonstration in Leipzig

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Es gibt 2 Kommentare

Wir hatten die Stellungnahme des Stadtschülerratssprechers sogar im Lehrerzimmer: ein legalistisches Armutszeugnis! Als Schüler hätte ich mir mit diesem Papier nicht einmal … – naja, selbst als Toilettenpapier ungeeignet!

“Die Leipziger Schüler, die heute wirklich die Schule verließen, wurden natürlich vorab gewarnt.”

Selbstständig denkende Schüler mit Verantwortungsbewusstsein – anscheinend ein Horror für Verwaltungen und Politiker. Freut mich, dass sich so viele nicht davon einschüchtern lassen haben. Tolle Kids. Die Schulleitung sollte lieber stolz auf sie sein anstatt zu drohen.

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