VideoAm Sonntag, 21. Oktober, ist Pegida mit rund 4.000 Teilnehmern angesichts der 13.000 Gegendemonstranten in Dresden beim 4. Geburtstag und für eine „Festung Europa“ eher eingebrochen, als machtvoll erschienen. Heute, zwei Tage danach, gingen in Leipzig erneut die Menschen auf die Straße, um der Einlösung eines 2016 gegebenen Versprechens Leipzigs Nachdruck zu verleihen. Ihre Petition und ein Antrag der Linksfraktion fordern von der Stadtverwaltung, eine vermehrte freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen für Leipzig zu erklären.

Sie legen sich in Schwimmwesten vors Leipziger Rathaus, wie im September, starten Demonstrationen, wie die im Sommer 2018, sie kämpfen um ihre Idee einer Zukunft – nicht nur in Leipzig. Es sind junge Menschen, die sich am 23. Oktober durch die Leipziger Innenstadt bewegen, „Seenotrettung ist kein Verbrechen“ skandieren und eine solidarischere Gesellschaft in ihrer Stadt fordern.

Leipzig soll freiwillig und auf direktem Wege mehr aus der Seenot gerettete Menschen aufnehmen, die noch immer an den südeuropäischen Küsten und Europas Grenzen stranden. Oder dort bereits lange unter oft unwürdigen Bedingungen in Sammellagern oder gänzlich frei von sozialen Absicherungen leben.

Eingebracht hat den entsprechenden Antrag zu ihrer Petition die Ratsfraktion der Linkspartei – während der Demo wird klar, dieser wird am 24. Oktober doch noch nicht im Stadtrat besprochen. Im November soll es dann so weit sein, doch man ist sich auch hier mal wieder unsicher, wie sich die SPD dann im Stadtrat verhalten wird, ob die Mehrheit für etwas steht, was Leipzig mit dem Beitritt zu den „Solidarity Citys“ Europas gegeben hat.

Die Demonstration vom 23. Oktober 2018 in Videoimpressionen

Video: L-IZ.de

Der – für jeden Nationalisten mit dem Pegida-Schlachtruf „Festung Europa, macht die Grenzen dicht“ – demonstrierende Albtraum auf zwei Beinen hat dieses Mal 200 Teilnehmer zusammenbekommen, wo am 4. August noch 2.000 Menschen am Leipziger Simsonplatz starteten. Es bleibt kein leichtes Thema angesichts der „Großwetterlagen“ in der Bundespolitik, einen anderen Umgang mit Flucht und Ankommen zu wagen, als bis heute praktiziert. Längst machen die Regierungsparteien schon jene Abschottungspolitik, die sich AfD und Pegida wünschen.

Es werden Rückführungsabkommen geschlossen, Schengen infrage gestellt und „Frontex“ aufgerüstet. Weite Teile Nordafrikas wurden schon in den letzten Monaten überzeugt, Flüchtende bereits tiefer im Kontinent abzufangen (ARD-Doku), Lager sind entstanden, Deutschland zahlt Geld und bildet Grenzschützer aus. Der Türkei-Deal hat seine Wirkung ebenfalls entfaltet, hier wurden und werden rund 3 Millionen Menschen aufgehalten.

Was die Zukunft in Sachen Flucht und Vertreibung für die derzeit rund 70 Millionen Menschen weltweit bringt, ist ungewiss genug. Doch Leipzig könnte tatsächlich einen global gesehen kleinen – aber für einzelne Menschen auf der Flucht wichtigen – Beitrag leisten und bereits in Europa befindliche Flüchtlinge direkt aufnehmen.

Heute war demnach „nur“ ein weiterer Tag …

… wo die Forderungen dazu mit Argumenten unterlegt wurden. Angesichts der neu entstehenden Ankerzentren, Abschiebehaftanstalten und der durchaus harten Gangart Sachsens in Asylfragen Hinweise, die die Initiatoren so zusammenfassen:

„Von den letzten 58 Geretteten der festgesetzten Aquarius (ein privates Seerettungsschiff, d. Red.) hat sich Deutschland zur Aufnahme von gerade einmal 15 Menschen bereit erklärt. Allein in Leipzig steht momentan eine Kapazität von 1.400 Plätzen zur Verfügung. Dabei wurden in den letzten 3 Jahren mehr als 80 Millionen Euro für nicht genutzte Erstaufnahmeeinrichtungen in Sachsen ausgegeben. Während die EU Staaten weiter Menschen ertrinken lassen und etwa auf den griechischen Inseln tausende Menschen in völlig überfüllten Lagern unter unerträglichen Bedingungen leiden müssen, bleiben hier willentlich solidarische Möglichkeiten ungenutzt.“

Es gilt wohl, ein Versprechen einzulösen, was die Stadt Leipzig längst gegeben hat: Leipzig ist offiziell seit 2016 Teil des europaweiten „Solidarity City“-Netzwerkes u. a.. mit Berlin, Neapel und Barcelona. Und hat sich dadurch unter anderem der zusätzlichen Aufnahme geflüchteter Menschen verpflichtet. Dem Einlösen dieser Verpflichtung ist sie allerdings noch nicht nachgekommen.

Wie es also wirklich um die Solidarität mit geflohenen Menschen in der Stadt bestellt ist, werden am 22. November 2018 erneut die 70 gewählten Stadträte Leipzigs entscheiden.

Die Ansprachen (eine kleine Auswahl) am 23. Oktober 2018

Juliane Nagel (Die Linke, MdL) zu den Zuständen derzeit in Sachsen bei Abschiebungen und der neuen Haftanstalt in Dresden. Audio: L-IZ.de

Ein Aktivist der „Seebrücke“ skizziert die Grundfrage, wie jeder Mensch von Solidarität abhängig ist auf dem Platz vor dem Rathaus. Audio: L-IZ.de

Zur Facebookseite von „Seebrücke Leipzig“

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