LZ/Auszug aus Ausgabe 60Vor einem Jahr klang die Universität Leipzig noch zuversichtlich. In der sogenannten Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder hatte die Hochschule die nächste Runde erreicht und sollte für das interdisziplinäre Projekt „Adipositas verstehen“ einen Vollantrag einreichen. Es gehörte somit zu jenen 88 Projekten, die in die Endrunde eingezogen waren. Ursprünglich hatten sich 63 deutsche Hochschulen mit fast 200 Antragsskizzen beworben, darunter auch eine weitere der Uni Leipzig, die sich mit der Globalisierung befasste. Diese soll im Unibund Halle-Jena-Leipzig fortgeführt werden, hieß es damals seitens der Hochschule.

Zum Etappenerfolg beim Adipositas-Projekt sagte Unirektorin Beate Schücking damals: „Es ist eine große Auszeichnung für uns, mit dem beantragten Projekt weiter an der Wettbewerbsphase teilzunehmen. Der Forscherverbund steht exemplarisch für das Profil der Universität Leipzig, das wir in den vergangenen Jahren deutlich geschärft haben. Die Aufforderung zum Vollantrag bestätigt den von uns eingeschlagenen Weg und die Leipziger Spitzenforschung auf diesem Gebiet. Hochmotiviert bündeln wir noch einmal alle Kräfte, um auch die nächste Runde zu erreichen.“

Doch die Kräfte haben nicht gereicht. Aus den 88 Förderanträgen wählte eine Kommission 57 Exzellenzcluster zur Förderung aus. Am 27. September dieses Jahres gab die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) bekannt, um welche Projekte es sich handelt – die Universität Leipzig war nicht dabei. Besonders schmerzhaft aus Sicht der Hochschule: Die verbliebenen 88 Anträge stammten von 41 Hochschulen. Lediglich sieben dieser Hochschulen wurden am Ende nicht berücksichtigt, darunter die Uni Leipzig.

Die sächsische Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) zu diesem Misserfolg: „Mit dem Thema Adipositas hat die Universität Leipzig ein medizinisch und gesellschaftlich hochrelevantes Thema aufgegriffen. Obwohl Leipzig kein Forschungscluster im Rahmen der Exzellenzstrategie erringen konnte, ist die Kompetenz der Universität mit ihrer Uni-Medizin auf diesem Gebiet unbestritten.“ Die Forschung werde fortgesetzt und soll weiterhin wichtige Erkenntnisse für Prävention und Behandlung dieser Krankheiten liefern. „Ich wünsche den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dabei Erfolg und bedanke mich für ihr herausragendes Engagement“, sagte Stange abschließend.

Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange. Foto: Martin Förster, SMWK
Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange. Foto: Martin Förster, SMWK

Auffallend ist, dass sich lediglich zwei der siegreichen Hochschulen in den sogenannten Neuen Bundesländern befinden: die Universität in Jena und die TU Dresden. Zum Abschneiden der Hochschule in der sächsischen Landeshauptstadt sagte Stange: „Dies ist ein großer Erfolg, der die hohe Qualität der Forschung an der TU auf Forschungsfeldern wie Gesundheitswissenschaften und Biomedizin, Informationstechnologien und Mikroelektronik sowie intelligente Werkstoffe international heraushebt. Exzellente Bedingungen ermöglichen exzellente Forschung und die TU hat sich auch aufgrund der bisherigen Exzellenzinitiative in verschiedenen Forschungsbereichen sehr gut weiterentwickelt. Dieser Weg kann nun fortgesetzt werden.“

Förderbeginn für die neuen Exzellenzcluster ist der 1. Januar 2019. Jährlich wollen Bund und Länder insgesamt 385 Millionen ausgeben. Die Förderdauer beträgt zunächst sieben Jahre, kann auf Antrag und bei entsprechender Bewilligung jedoch um sieben Jahre verlängert werden.

Erneute Kritik an Leuchtturmpolitik

In einer früheren Runde der damals noch „Exzellenzinitiative“ genannten Gelderverteilung hatte sich die Universität Leipzig mit einer Graduiertenschule durchsetzen können. Von vielen Seiten gab es von Anfang an Kritik an den „Leuchtturmprojekten“, also der starken Förderung einiger weniger Hochschulen, um diese international konkurrenzfähiger zu machen, zulasten einer gleichmäßigen Unterstützung aller Hochschulen. Diese Kritik wurde auch nach der jüngsten Entscheidungsrunde wieder laut.

Paul Hösler, Sprecher der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS), sagt: „Die Leuchtturmpolitik der Bundesregierung missachtet wissentlich kleinere Universitäten, Hochschulen für angewandte Wissenschaften und Kunsthochschulen.“ Diese seien „systematisch von der Möglichkeit zur Partizipation ausgegrenzt, da sie entweder aufgrund der Hochschulart nicht antragsberechtigt waren oder wegen zu geringer Mittelzuweisung keine großen, konkurrierenden Forschungsinstitute aufweisen können“.

Marius Hirschfeld, ebenfalls Sprecher der KSS, ergänzt: „Wenn sich herausstellen sollte, dass dieselben Universitäten, die jetzt schon den Exzellenzstatus haben, wieder Exzellenzuniversitäten werden, dann sehen wir die Gefahr der sozialen Selektion innerhalb der Studierendenschaft.“

Weiter heißt es in der gemeinsamen Mitteilung: „Ein solch erworbener Titel erhöht sicherlich die Attraktivität der Universität, dennoch wird es dazu führen, dass sich nur noch leistungsstarke Studieninteressierte im Bewerbungsprozess durchsetzen. Die gewünschte Heterogenität der Studierendenschaft wird dadurch gefährdet. Eine Möglichkeit zur Beteiligung des Bundes an der Grundfinanzierung der Hochschulen bietet die Verstetigung der bald auslaufenden Hochschulpaktmittel. Es wurde zwar im Koalitionsvertrag festgehalten, dass diese Mittel verstetigt werden, dennoch sind immer noch keine Einzelheiten darüber bekannt. Die KSS fordert die Bundesregierung daher auf, schnellstmöglich Klarheit darüber zu schaffen.“

Auch der studentische Bundesverband fzs äußerte sich Ende September erneut zur Exzellenzstrategie. Vorstandsmitglied Isabel Schön sagt: „Mit der Entscheidung steht nun fest, dass viele Universitäten und alle Hochschulen leer ausgehen. Andernorts fehlt es an allen Ecken und Enden, insbesondere in der Lehre. Dozent*innen sind prekär beschäftigt, die Räumlichkeiten platzen bei Lehrveranstaltungen aus allen Nähten und Beratungsangebote laufen auf Sparflamme. Die Gräben tun sich auch insbesondere zwischen den Sozial- und Geisteswissenschaften im Gegensatz zu den Lebens- und Ingenieurwissenschaften auf.“

Die Universität Leipzig beschäftigt sich währenddessen – ungeachtet des Scheiterns in der Exzellenzstrategie – weiterhin mit dem Thema Adipositas. Eine Woche nach der Bekanntgabe der DFG veröffentlichte die Hochschule eine Pressemitteilung zu einer kürzlich erstellten Studie. Danach entwickelt sich Übergewicht bereits in der frühen Kindheit. Laut Studie sind 90 Prozent der Kinder, die im Alter von drei Jahren übergewichtig waren, dies auch noch als Jugendliche.

Lesen Sie dazu das Interview mit Prof. Dr. Antje Körner auf L-IZ.de oder in der aktuellen Ausgabe der LEIPZIGER ZEITUNG (hier im Handel).

Forschung in Leipzig – Das Interview mit Prof. Dr. Antje Körner: Wer als Kind zu viel wiegt, muss ein Leben lang aufpassen

Interview mit Prof. Dr. Antje Körner: Wer als Kind zu viel wiegt, muss ein Leben lang aufpassen

Die Leipziger Zeitung Nr. 60, Ausgabe Oktober 2018 “Tiere der Großstadt”

Leipziger Zeitung Nr. 60: Wer etwas erreichen will, braucht Geduld und den Atem eines Marathonläufers

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