Seit 4. November 2018 fรผr alle LeserLZ/Auszug aus Ausgabe 60Zwischen dem Rufzeichen und dem Einsetzen der Musik vergeht keine Sekunde. Dann singt Frank Sinatra in das Ohr des Anrufers โ€“ und je nachdem wann der Adressat abnimmt, kann Sinatra noch mal unterstreichen: โ€žI did it my wayโ€œ. Aber wenn er schnell am Telefon ist, bleiben nur wenige Sekunden, um zu erraten, wer da eigentlich singt. Wolf-Rรผdiger Ziegenbalg, kurz WRZ, hat es auf seine Art gemacht: Anfang der 1990er als Prรคsident bei Dynamo Dresden.

28 Jahre spรคter tauchte das Dynamo-Mitglied mit der Mitgliedsnummer 1 plรถtzlich beim 1. FC Lok auf und vier Monate spรคter wieder ab. Ziegenbalg wurde erst externer Berater und dann Manager, im Mai war er weder noch. Auch bei Lok wollte er es auf seine Art machen, aber das war anscheinend nicht die Art des Vereins. Im Oktober verklagte er den Verein. Was lief schief? Eine Spurensuche.

Nach Frank Sinatra kommt WRZ. Das ist eisernes Telefon-Gesetz. โ€žJa, grรผรŸe sie.โ€œ, โ€žNein, ich kann leider nichts sagenโ€œ, sagt WRZ freundlich, aber bestimmt. โ€žDas hat nichts mit Ihnen zu tun, bitte verstehen Sie das. Bestimmt ein anderes Mal.โ€œ So kurz angebunden ist der 69-Jรคhrige sonst selten, glaubt man denen, die ihm wรคhrend seiner vier Monate beim 1. FC Lok begegnet sind โ€“ und das sind einige. Die Freude รผber die Begegnung hรคlt sich allerdings oftmals in Grenzen.

Im Januar 2018 unterschrieb der einstmals erste Prรคsident des damaligen 1. FC Dynamo Dresden einen Vertrag als externer Berater beim 1. FC Lok Leipzig. Im vergangenen Jahr hatte er Heiko Scholz bei einem Treffen alter Dynamo-Weggefรคhrten wiedergetroffen. Scholz war im Sommer 1990 fรผr 1 Million Deutsche Mark von Lok Leipzig zu Dynamo Dresden gewechselt. Der erste Millionen-Transfer der DDR-Oberliga lernte in der Landeshauptstadt auch den gerade erst zum Prรคsidenten gewรคhlten Ziegenbalg kennen. Letztes Jahr gab es nun das Wiedersehen, die beiden kamen ins Gesprรคch.

Investorensuche fรผr einen Stadion-Neubau

Ziegenbalg machte Eindruck und stellte sich auch dem Lok-Prรคsidium vor. Dem Gremium machte er glaubhaft, dass er bei der Investorensuche fรผr einen Stadion-Neubau helfen kรถnne. Ziegenbalg fรผhrt die Dresdner Firma โ€žNBL, Businessberatung Wirtschaft und Sportโ€œ, verfรผgt รผber ein groรŸes Netzwerk. Zudem sollte Ziegenbalg ein paar โ€žSonderauftrรคgeโ€œ erledigen und erreichte unter anderem, dass der Vergleich mit einer Sportvermarktungsagentur fรผr Lok noch einmal gรผnstiger wurde als es bis dato ausgehandelt worden war.

Aus den Vereinsgremien mรถchte sich niemand mehr zum Verhรคltnis zu Wolf-Rรผdiger Ziegenbalg รคuรŸern. Beide Parteien stehen sich seit Anfang Mai feindlich gegenรผber. Jedes รถffentliche Wort kann gefรคhrlich werden. Auch deshalb strich Ziegenbalg seine fest eingeplante Rede nach der Erรถffnung durch Frank Sinatra. Aber auch ohne Lok-Gremien und Ziegenbalgs Bericht erfรคhrt man viel รผber die Zusammenarbeit des externen Beraters โ€“ der einen Monat spรคter noch ehrenamtlich das Manager-Amt รผbernahm โ€“ mit dem 1. FC Lok.

Die Nachwuchstrainer lernen โ€žWRZโ€œ nur einmal kennen, als dieser sich ihnen im Mรคrz vorstellt. An der Seite von Heiko Scholz und Rรผdiger Hoppe soll Ziegenbalg erstmal zwei Trainer zusammengefaltet haben, die zu spรคt kamen. โ€žEr hat sie vor versammelter Mannschaft sehr hart und offensiv wegen der Verspรคtung angepackt. Er meinte, sie hรคtten ihren Termin verschieben mรผssenโ€œ, so ein Trainer. Dass die Trainer mit ihrer Mannschaft bei einem Sponsor zum Athletik-Training waren, was nur zu einer bestimmten Zeit durchgefรผhrt werden kann, wusste der Neuling nicht. Diese Verteidigung durch die Trainer, die ebenfalls offensiv auftraten, lieรŸ er nicht gelten.

Eine erste Eskalation

Die Nachwuchstrainer will er auf den Weg in den ProfifuรŸball einschwรถren. โ€žAls erstes hat er verkรผndet, dass die A-Jugend fรผr ihn die wichtigste Nachwuchsmannschaft ist. Das ist im ProfifuรŸball sicherlich so, aber natรผrlich bei Lok weltfremd. Die A-Jugend hat noch nicht das Niveau, was wir brauchen. Wir versuchen die Qualitรคt รผber die Jahre von unten nach oben weiterzureichenโ€œ, so ein Trainer, der sich auch nur darรผber wundern konnte, dass Ziegenbalg einforderte, dass ihn alle Nachwuchsspieler kรผnftig grรผรŸen sollen.

โ€žDie Jungs meiner Mannschaft lesen keine Zeitung oder in der Lok-App. Die kennen sein Gesicht nicht. Und wann will er dann arbeiten, wenn ihn jeden Tag erstmal alle begrรผรŸen?โ€œ Und auch zum Crowdfunding-Projekt fรผr den neuen Kunstrasen vertrat Ziegenbalg seine Meinung: โ€žIch verstehe die ganze Bettelei um das Geld nicht, das ist nicht die Lok, die ich mir vorstelleโ€œ, soll Ziegenbalg vor versammelter (Nachwuchs-)Mannschaft gesagt haben und stellte damit seinen Arbeitgeber bloรŸ, der ohne das Geld der Fans nie einen Kunstrasen hรคtte bauen kรถnnen.

In einem Nebensatz soll er noch das Aus von Nachwuchschef Jรถrg Seydler verkรผndet haben. Seydler saรŸ neben ihm und wusste von nichts. โ€žIch bin seit zwanzig Jahren in Managementpositionen tรคtig. Da muss man gut vorbereitet sein und/oder freundlich offen. Er wollte uns โ€šabholenโ€˜, da kann ich nicht als offene Hose auftretenโ€œ, so der Trainer. โ€žWir haben letztlich aus der Sitzung mitgenommen, dass er zur neuen Saison alle Nachwuchstrainer-Vertrรคge erneuern will. Viele dachten, das war es fรผr sie.โ€œ Aber โ€žWRZโ€œ meldet sich nie wieder.

Nur vier Monate mit Lok-Logo unterwegs: Wolf-Rรผdiger Ziegenbalg. Foto: Jan Kaefer
Nur vier Monate mit Lok-Logo unterwegs: Wolf-Rรผdiger Ziegenbalg. Foto: Jan Kaefer

Geldaquise

Gleichzeitig widmet sich der externe Berater und Manager den Sponsoren und lรคdt alle zu einer Vorstellungsrunde ein. Sogar aus Erfurt kamen die Geldgeber, weil Ziegenbalg sie ebenfalls auf den ProfifuรŸball einschwรถren wollte. Doch wie ein Sponsor, der seinen Namen nicht รถffentlich lesen mรถchte, erzรคhlt, wird der Abend zur groรŸen Enttรคuschung. โ€žEr hat drei Minuten irgendetwas erzรคhlt, dann ein Video gezeigt und anschlieรŸend das Buffet erรถffnet. Von einem Profi hatte ich mir mehr erwรผnschtโ€œ, so der Sponsor. Stattdessen fรผhrt Ziegenbalg Einzelgesprรคche mit ausgewรคhlten Sponsoren und soll spรคter verwirrende E-Mails an einzelne verschickt haben, die sich anschlieรŸend an die Gremienmitglieder wandten.

Dagegen wiegelt Ziegenbalg im Mรคrz die Fans gegen sich auf, verkรผndet in der โ€žBildโ€œ: โ€žLok Leipzig ist mein Job, Dynamo Dresden ist mein Leben.โ€œ Ein Satz, der fรผr viele nicht mit dem Engagement bei Lok zusammenpasst. Bei Terminen soll โ€žWRZโ€œ abwechselnd von Lok und Dynamo gesprochen haben, sodass am Ende die Gesprรคchspartner gar nicht mehr wussten, um welchen Verein es nun geht. Die Lok-Fรผhrung reagierte, lud Ziegenbalg kurzfristig fรผr den Mitgliederabend โ€“ den er selber zur Vorstellung einberufen hatte โ€“ aus, um die Lage zu beruhigen. Trotzdem redeten an dem Abend die Fans รผber โ€žden Balgโ€œ, wie sie ihn nennen, der nebenan im Hotel โ€žDianiโ€œ Abendbrot aรŸ.

Dynamos halten zusammen

Da half auch nicht, dass er unter dem Namen โ€žWRZโ€œ seit Februar regelmรครŸig im Lok-Internetforum schrieb und private Nachrichten mit Vereinsinterna versendet haben soll. Seit September hat WRZ seine Schreibwut intensiviert, postet auch bei Instagram regelmรครŸig. Nach der Beurlaubung von Heiko Scholz postete der Berater a. D. ein Bild des Trainers und schrieb: โ€žSchade Scholle, dass wir unser Konzept nicht umsetzen durften und du jetzt das nรคchste Bauernopfer geworden bist. DYNAMOS halten aber zusammen! GruรŸ Rรผdiger.โ€œ

Dass der Dresdner menschlich schwierig ist, soll man bei Lok gewusst haben. Der Zweck sollte allerdings die Mittel heiligen, der Erfolg bei der Investorensuche war das groรŸe Ziel, was sie mit Ziegenbalg verbanden. Doch von dem Ziel hatte man sich im Mai schon lange verabschiedet. Es ging nur noch um Schadensbegrenzung, weil Ziegenbalg auch bei der Stadt zu fordernd aufgetreten sein soll.

Beim letzten Heimspiel der Saison gegen Hertha BSC II prรคsentierten die Mitglieder der Fankurve โ€ž1966โ€œ ein Plakat mit dem Schriftzug โ€žWenn einer hier ScheiรŸ erzรคhlt, dann sind wir dasโ€œ gefolgt von lauten โ€žZiegen rausโ€œ-Rufen. Der 69-Jรคhrige und seine Assistentin waren aber nicht im Stadion. Ziegenbalg hat seit Anfang Mai Hausverbot. Nachdem er bei der Budgetplanung versucht haben soll, die Akteure gegeneinander auszuspionieren, zog Lok die ReiรŸleine und berief ihn als Manager ab, mit der Bitte, bis zu einem klรคrenden Gesprรคch nicht mehr im Plache-Stadion zu erscheinen.

Doch weil โ€žWRZโ€œ trotzdem weiterarbeitete und auch gegen die TSG Neustrelitz am 2. Mai im Stadion war, erhielt er Hausverbot und sollte nichts mehr in der ร–ffentlichkeit รผber Lok sagen. Danach gab der Dresdner dem MDR ein Interview. Lok kรผndigte anschlieรŸend seinen Beratervertrag.

Aufatmen auf der Geschรคftsstelle des Vereins. โ€žHerr Ziegenbalg gab sich uns gegenรผber herrisch und fordernd. Sein Auto parkte er immer so, dass man kaum an ihm vorbeikam, um in die Geschรคftsstelle zu kommen.โ€œ Vor einem Heimspiel fuhr der Manager mit dem Auto bis an den Fanshop-Stand heran und forderte mit heruntergelassener Scheibe, dass man ihm mal ein Basecap gebe. Ohne Aussteigen, ohne Hallo. Seine Sprache soll er als โ€žFuรŸballerspracheโ€œ verteidigt haben. โ€žFรผr mich ist er geltungsbedรผrftig und narzisstischโ€œ, so der Nachwuchstrainer.

รœber all das kann Ziegenbalg bei dem Telefonat nicht reden und sagt am Ende doch noch etwas: โ€žDie sind mit mir unzufrieden gewesen und geben mir Hausverbot. Das verstehe ich nicht.โ€œ Der Mann, der sich durch Frank Sinatra ankรผndigen lรคsst, klingt verzweifelt. Es ist nicht die einzige Sache, die beiderseits unverstanden bleibt. Ginge es nach WRZ, hรคtte Lok zur Saisonerรถffnung Dynamo Dresden zum Freundschaftsspiel eingeladen.

Die LZ Nr. 60, Ausgabe Oktober 2018: โ€œTiere der GroรŸestadtโ€ โ€“ jetzt im Handel

Leipziger Zeitung Nr. 60: Wer etwas erreichen will, braucht Geduld und den Atem eines Marathonlรคufers

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