LZ/Auszug aus Ausgabe 58Die Mieten in Leipzig steigen. Darüber wird – endlich – immer mehr diskutiert. Doch oft ist die Debatte noch von Halbwahrheiten und Missverständnissen geprägt. Diese Artikelreihe soll dabei helfen, Wohnungsmarkt und Wohnungspolitik besser zu verstehen und auf gewisse Mythen nicht mehr reinfallen zu müssen.
Eine Miethöhe X ergibt sich aus der Summe Y der Grundstücks- und Bau- oder Sanierungskosten – darauf ist dieses Einmaleins nun schon einige Male zurückgekommen. Das ist ökonomisch zwangsläufig, aber deswegen politisch nicht alternativlos. Die öffentliche Hand kann Mietkosten senken – und sollte das auch tun, wenn diese, wie aktuell, für viele Menschen zu einer im Verhältnis zum Einkommen überschweren finanziellen Belastung werden. Der Staat kann dabei an unterschiedlichen Stellschrauben drehen.
In der letzten Folge wurde die scheinbar naheliegende „Subjekthilfe“ betrachtet – also direkte Beiträge an die Mietzahlungen individueller Haushalte, in Deutschland heute vor allem in Form der sogenannten KdU (Kosten der Unterkunft) bekannt. Fazit: Ein solcher nachfrageseitiger „Ausgleich“, der die Zusammensetzung des Wohnungsangebotes weder beeinflusst noch ausreichend zur Kenntnis nimmt (sondern stets nur den untersten Rand der realen Angebotsmieten bedient), stellt nur eine höchst ungenügende Abhilfe dar.
Die Politik sollte folglich auch auf der Angebotsseite intervenieren, also den Bau von Wohnungen aus öffentlichen Mitteln (teil-) finanzieren. Wenn „Objekthilfen“ als Zuschüsse oder als Kredite mit vergünstigten Konditionen gewährt werden, sinken die Kapitalkosten eines Bauvorhabens – so können Mieten „heruntersubventioniert“ werden. Ungefähr so funktioniert der soziale Wohnungsbau in der Bundesrepublik denn auch seit Jahrzehnten. Doch im Detail der Fördermechanismen steckt nicht nur ein Teufel, sondern eher ein ganzes Pandämonium der politischen Absurdität, das man nur mit ein bisschen historischer Herleitung versteht.
Woher kommt der Subventionsgedanke?
Die Befreiung Europas vom nationalsozialistischen Terror ging mit großflächigen Verwüstungen deutscher Städte einher. Zusammen mit einem aus der Zwischenkriegszeit ererbten Defizit sorgten die Kriegszerstörungen für einen immensen Wohnraummangel. Der ersten Bundesregierung erschien es daher naheliegend, alle verfügbaren ökonomischen Kräfte für den Wohnungsbau zu mobilisieren. Das bedeutete konkret: Wer bereit war, zu investieren, konnte mit großzügiger Förderung rechnen – egal ob es sich um ein kommunales Unternehmen, um eine Genossenschaft oder um Private handelte.
Zunächst gab der Erfolg dieser Politik recht: Bereits 1956 wurden in der BRD pro Kopf fünfmal mehr Wohnungen gebaut als unter der DDR-Planwirtschaft. Bis 1970 waren insgesamt ca. 10 Millionen geschafft. Während der ersten 20 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik wurde also rechnerisch in jeder einzelnen Minute eine Wohnung fertiggestellt.
In einer holzschnittartigen Gesamtrechnung war damit der quantitative Wohnungsmangel weitestgehend behoben – und gerade darauf war diese Politik ausgerichtet gewesen: Das Angebot sollte so weit erhöht werden, dass Marktmechanismen das Übrige täten und keine Nachfrage unbefriedigt bliebe. Das war gute Erhardsche „Ordnungspolitik“, und das hieß auch: Staatliche Eingriffe in die Wohnungsökonomie waren von Anfang an als vorübergehende Maßnahme angelegt.
Dies rechtfertigte auch die Gleichbehandlung ungleicher – gemeinnütziger und privater – Träger, denn ein eigentlicher marktferner Wohnungssektor sollte schließlich gar nicht entstehen. Deshalb hatte man auch das Konzept der befristeten „Sozialbindung“ ersonnen: Der Eigentümer einer geförderten Wohnung muss demnach nur während einer begrenzten Zeit die mit der Förderung verbundenen Bedingungen – insbesondere die entsprechende Miethöhe – einhalten.
Wenn die Förderung „ausläuft“
Dann verwandelt sich die Sozialwohnung gewissermaßen in eine „normale“ Mietwohnung. Ist sie im Besitz eines nicht-profitorientierten Trägers – einer Genossenschaft oder kommunalen Gesellschaft etwa – so ist dennoch nicht damit zu rechnen, dass sofort auf eine ertragsmaximierende Bewirtschaftung umgestellt wird. (Bis 1990 schob dem das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz – auf das noch zurückzukommen sein wird – einen zusätzlichen Riegel vor.) Bei vormaligen Sozialwohnungen in Privateigentum lässt sich ebendies jedoch immer wieder beobachten.
Das „Auslaufen“ der Förderung tritt, vereinfacht gesagt, dann ein, wenn der durch diese erlangte finanzielle Vorteil ausgeschöpft, also ein gefördertes Darlehen zurückgezahlt oder ein Zuschuss durch jahrelange Mietsenkung „aufgebraucht“ ist. Die frühen Objektförderungen sahen noch sehr lange Bindungszeiträume vor, weshalb das „Aus-der-Bindung-Fallen“ zunächst ein weitgehend abstraktes Problem war. Doch schon in den Siebzigerjahren musste die öffentliche Hand sich die Verlängerung von Sozialbindungen mit umfangreichen „Nachsubventionen“ erkaufen, in die bereits kontinuierliche Mietsteigerungen eingeschrieben waren.
Verzichten konnte man auf die Sozialwohnungen entgegen optimistischer früherer Prognosen nicht. Die Hoffnung, kontinuierlich steigende Einkommen würden das Problem der Wohnkostenbelastung erledigen, hatte sich mit dem Ende der Hochkonjunktur zerschlagen. (Die Einkommenssteigerungen hätten notabene sowohl das Auslaufen der Förderungen auffangen müssen als auch die Erhöhung der Baukosten, aufgrund der auch die „heruntersubventionierten“ Mieten von geförderten Wohnungen laufend anstiegen.)
Seither hat sich dieses Problem beständig verschärft
Von den seit den Fünfzigerjahren insgesamt weit über 4 Millionen geförderten Mietwohnungen unterlagen letztes Jahr gerade noch ca. 1,2 Millionen einer Sozialbindung. Aufgrund des nicht mehr zu leugnenden Mangels an bezahlbarem Wohnraum wurden in den letzten Jahren vielerorts neue Objektförderungen aufgelegt; zuletzt auch in Sachsen. Hier operiert das Programm sogar mit verlorenen Zuschüssen.
Vom Staat geschenktes Geld – da müssten die Wohnungsanbieter sofort zugreifen, würde man denken. Doch da Geld in der aktuellen Niedrigzinsphase auch sonst billig zu haben ist, nehmen diese die Förderbedingungen genau unter die Lupe. Und dabei wird klar, dass sich aus der Kombination der einzelnen Bestimmungen – maximale Förderbeträge, zulässige Höchstmieten etc. – und den realen Grundstückspreisen und Baukosten eine wirtschaftliche Aufgabenstellung ergibt, die, zumal in Leipzig, kaum auf eine schwarze Null aufzulösen ist. Kein Wunder, fällt der Zuspruch bisher bescheiden aus. Die LWB wird die Förderung stellenweise in Anspruch nehmen, weil die Stadt sie dazu verknurren konnte.
Doch auch wenn die nun angebotenen Förderungen in vollem Ausmaß beansprucht würden, würde ihr aktuelles Volumen vielerorts nicht ausreichen, das Auslaufen älterer Bindungen auszugleichen. Umso grotesker ist es, dass die neuen Programme die Fehler der Vergangenheit eins zu eins wiederholen; ja diese durch vergleichsweise sehr kurze Bindungszeiträume von 15 oder 20 Jahren sogar noch verschärfen. Noch immer wird der widersinnige Grundsatz der zeitlichen Befristung der Sozialbindungen auf politischer Ebene praktisch nur von einigen Linken und Grünen – dort, wo sie in der Opposition sind – grundsätzlich infrage gestellt.
Rund 90 Milliarden bis 1975
Dabei bedeutet das hier Geschilderte nichts anderes, als dass die öffentliche Hand im Laufe der Jahrzehnte dutzende Milliarden in den Wohnungsbau gesteckt hat, ohne an den damit errichteten Wohnungen dauerhafte Verfügungsrechte zu erwerben. (Genaue Summen sind aufgrund der föderalistischen Strukturen und der Veränderungen in den Programmen schwierig zu errechnen; über 90 Milliarden D-Mark hatte die Wohnungsbauförderung – einschließlich der Objektförderung von Eigentumswohnungen, aber ohne Steuerabschreibungen und Bausparförderung – aber schon bis 1975 sicher gekostet.)
Ein funktionierendes Gegenmodell dazu besteht kaum in einem zentralistischen Staatswohnungsbau, der, wie sich am Beispiel der DDR studieren ließe, seine eigenen massiven Probleme mit sich bringt. Doch eine Selbstverständlichkeit müsste sein, dass, wo immer möglich, nur jene Träger gefördert werden, die auch nachdem eine Subvention rechnerisch ausgeschöpft ist, kein Interesse an einer Profitmaximierung haben, sondern nach Selbstkostenprinzipien operieren. Ein gesetzlich definierter gemeinnütziger Wohnungssektor bestand in der Bundesrepublik wie erwähnt bis in die Achtzigerjahre.
Die nächste Folge des „Einmaleins“ wird beleuchten, welche Probleme zu seinem Niedergang führten, was davon dennoch übrig geblieben ist und welche Modelle für eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit es – auch jenseits Deutschlands – gibt.
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Folge 5 aus der Reihe Wohnungspolitik: Wie können Mieten gesenkt werden (Teil 3)?: Beispiele aus der Praxis
Wie können Mieten gesenkt werden? (3) Beispiele aus der Praxis
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