„Vorsicht, wenn Sie neben einem Tesla parken!“ titelte die Wirtschaftswoche im Februar dieses Jahres. Beschrieben wurde ein Vorfall aus Bad Oeynhausen in Nordrhein-Westfalen: Beim Aussteigen aus seinem Auto soll ein Mann die Tür eines E-Autos von Tesla beschädigt und sich dann entfernt haben, ein klassischer Fall von Unfallflucht.

Drei Wochen später kam die Post von der Polizei, als Beweismittel wurden heimlich gefilmte Videos mit dem sogenannten „Wächter-Modus“ von Tesla angeführt. Das Zivilverfahren wegen Datenschutzverstößen gegen den Tesla-Besitzer läuft.

Auch im bayrischen Obergünzburg wurde ein ähnlicher Fall bereits Anfang 2023 bekannt. In Berlin richtete die Polizei 2022 auf bestimmten Grundstücken von Landeskriminalamt und dem Polizeipräsidium ein Verbot für Teslas ein, weil „sämtliche Fahrzeugmodelle des Herstellers Tesla permanent ereignisunabhängige Videoaufzeichnungen des gesamten Fahrzeugumfeldes anfertigen und diese Aufnahmen ausleiten“.

Die Aufnahmen würden auf Servern der Firma Tesla in den Niederlanden gespeichert, so ein LKA-Rundschreiben, die Fahrer*innen erführen nichts über die Weiterverarbeitung der Daten. Persönlich betroffen war auch ein Direktionsleiter der Polizei, der seinen Tesla auf dem Parkplatz abstellte. Direkt danach distanzierte sich die Polizei wieder von dem Rundschreiben, man habe nicht verbieten, sondern sensibilisieren wollen.

Behörden profitieren

Schlussendlich profitiert die Polizei allerdings von der Videoüberwachung: Mit richterlichem Durchsuchungsbeschluss konnten Polizeibehörden sich nach schweren Unfällen bereits in Teslas Datenzentrale einloggen und auf die Videoaufnahmen der Autos zugreifen.

Die Leipziger Staatsanwaltschaft konnte auf Anfrage der Leipziger Zeitung (LZ) keine Verfahren mitteilen, in denen die Wächter-Funktion eine Rolle spielte, weil man diesen Überblick nicht habe. Die Verfahren seien nicht auf diese Art nach Beweismitteln durchsuchbar, weshalb man weder Zahlen noch einzelne Sachverhalte nennen könne.

Sollten KI und Videoüberwachung in Zukunft eine verstärkte Rolle in Gerichtsverfahren spielen, ist das ein Problem: Die Überprüfbarkeit der Treffsicherheit dieser Beweismittel kann schwerer überprüft werden. In der medialen Öffentlichkeit ergeben sich dadurch massive Wissenslücken.

Wächter-Modus zeichnet Auto-Umfeld auf

Wenn der „Wächter-Modus“ von Tesla-Autos aktiviert ist, erfassen am Fahrzeug verbaute Sensoren und Kameras die Umgebung. Sollte eine „mögliche Bedrohung“ erfasst werden, zeichnen die Kameras automatisch die Umgebung des Autos auf und lösen einen Alarm aus. Der Besitzer kann sich die Aufnahmen live über eine App ansehen.

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Cover Leipziger Zeitung Nr. 124, VÖ 03.05.2024. Foto: LZ

Tesla sah die Kund*innen in der Verantwortung für mögliche Datenschutzverstöße durch das „anlasslose“ Filmen. Noch 2022 hieß es laut vzbv beim Tesla-Kundensupport, dass die Fahrer*innen dafür verantwortlich seien, „alle vor Ort geltenden Vorschriften und Eigentumsvorbehalte im Hinblick auf die Verwendung von Kameras zu prüfen und einzuhalten.“ Auch die Berliner Datenschutzbeauftragte sprach von Bußgeldern für die Fahrer*innen.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) legte 2022 Klage gegen Tesla ein, weil der Konzern den Fahrer*innen verschweige, dass „eine datenschutzkonforme Nutzung praktisch unmöglich ist“. Gegenstand des Verfahrens waren zudem irreführende Versprechen zur Co2-Neutralität des Autos. Tesla unterschrieb eine Unterlassungserklärung und beendete so das Verfahren. Nun darf Tesla nicht mehr „uneingeschränkt“ für den Wächter-Modus werben.

„Lücken im Zulassungsverfahren“

„Kameraüberwachung von Dritten ohne deren Wissen, das geht nicht“, so der vzbv. „Verbraucher*innen konnten den Wächter-Modus von Tesla nicht ohne massive Datenschutzverstöße nutzen. Sie riskierten ein Bußgeld, wenn der Modus aktiviert war. Diese Information hat in der Werbung für den Wächter-Modus allerdings gefehlt. Tesla hat nun nach der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Berlin eine Unterlassungserklärung abgegeben und darf so nicht mehr werben.“

Marion Jungbluth, Leiterin Team Mobilität und Reisen des vzbv wies bereits auf eine grundsätzlichere Kritik hin: „Dass der Wächter-Modus trotz massiver Datenschutzmängel zugelassen wurde, weist auf Lücken bei den Zulassungsverfahren für automatisierte Fahrfunktionen hin.“

„Vom Auto überwacht? Wächter-Modus von Tesla Autos in der Kritik“ erschien erstmals im am 03.05.2024 fertiggestellten ePaper LZ 124 der LEIPZIGER ZEITUNG.

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